Ulmer Doktorand entdeckt für ausgestorben erklärte Froschart in Costa Rica

Totgeglaubte leben länger. Ein Exemplar der für ausgestorben erklärten Froschart Craugastor escoces wurde wiederentdeckt Foto: Gilbert Alvarado (Universidad de Costa Rica)

Seit rund 30 Jahren war die Froschart „Craugastor escoces“ nicht mehr in ihrer Heimat Costa Rica gesichtet worden. So wurde die Spezies mit dem charakteristischen roten Bauch 2004 von der Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of Nature, IUCN) für ausgestorben erklärt.

Doch dann gelang dem Ulmer Doktoranden Randall Jiménez und seinem Kollegen Gilbert Alvarado, Wissenschaftler an der Universidad de Costa Rica (UCR), der Sensationsfund: In einem Nationalpark konnten sie ein Exemplar der totgeglaubten Spezies fangen, das nun an der UCR untersucht wird. Aus den Forschungsergebnissen erhoffen sich die Wissenschaftler Hinweise darauf, wie sie die wiederentdeckte Froschart künftig schützen können.

Weltweit werden rund ein Drittel der Amphibienarten als vom Aussterben bedroht eingestuft. Professorin Simone Sommer, Leiterin des Ulmer Instituts für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik, vergleicht das Massensterben dieser taxonomischen Gruppe sogar mit der Auslöschung der Dinosaurier. Neben der Zerstörung ihres Lebensraums, dem Klimawandel und Pestiziden scheint die Infektion mit dem so genannten Chytrid-Pilz eine große Rolle zu spielen.

Dieser Pilz blockiert offenbar die Sauerstoffaufnahme der Amphibien über die Haut und greift das Nervensystem an. Bei der Abwehr des Chytrid-Pilzes scheint die bakterielle Zusammensetzung der Hautbakterien, das sogenannte Haut-Mikrobiom, eine große Rolle zu spielen.

Von der oft tödlich verlaufend Pilzinfektion potentiell betroffen ist auch die Froschart „Lithobates vibicarius“, doch einzelne Individuen scheinen resistent zu sein. Die Bedeutung des Haut-Mikrobioms für den Gesundheitszustand dieser Frösche wird von Simone Sommers Doktoranden Randall Jiménez an der Universität Ulm erforscht.

Im September 2016 machten er und sein Forscherkollege Gilbert Alvarado (UCR) bei der Feldforschung im Nationalpark Juan Castro Blanco (Provinz Alajuela, Costa Rica) eine ungewöhnliche Entdeckung: „Wir arbeiteten bei Nacht an einem Bachlauf. Plötzlich sahen wir im Schein unserer Stirnlampen einen für dieses Gebiet ungewöhnlich großen Frosch, den wir nicht bestimmen konnten“, erinnert sich der Ulmer Biologe mit costa-ricanischen Wurzeln.

Bei einer Internetrecherche fanden die Nachwuchsforscher erste Hinweise auf ihren sensationellen Fang — und ein Experte der UCR bestätigte ihre Vermutung: Bei dem Froschweibchen handelte es sich um ein Exemplar der eigentlich ausgestorben geglaubten Art „Craugastor escoces“, auch bekannt als „Rotbauchfrosch“.

Doch nicht nur der Frosch, auch sein Fundort wirft Fragen auf: Das ehemalige Verbreitungsgebiet der Art liegt nämlich rund 15 Kilometer entfernt. „Ob eine kleine Population bereits seit Jahrzehnten in dem Nationalpark heimisch ist, oder sich erst kürzlich angesiedelt hat, bleibt Spekulation“, erläutern Sommer und Jiménez.

Aufgrund der Seltenheit ihres Fundes und des Artenschutzes lehnten die Biologen eine Tötung des Weibchens zu Forschungszwecken ab. Das sechs Zentimeter lange, nachtaktive Tier lebt seither in einem artgerechten Terrarium an der Universidad de Costa Rica: „Wir beobachten den Fundort weiter, um mindestens ein weiteres männliches Tier zu finden und mit dem Weibchen zusammenzubringen. So erhoffen wir uns Daten zur Reproduktion und Entwicklung der Spezies“, erklären die Forscher.

Im Feld solle die etwaige Populationsgröße von Craugastor escoces ebenso erfasst werden wie ihr Gesundheitszustand und mögliche Umwelteinflüsse am Standort, die das Überleben gefährden. Alle Untersuchungen haben das Ziel, die Froschart zu schützen und ihre Wiederansiedlung zu ermöglichen. Eventuell finden die Forscher bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit zur Bedeutung des Haut-Mikrobioms den Schlüssel für Resistenzen gegen Krankheitserreger wie den Chytrid-Pilz und somit für das Überleben einzelner Exemplare.

Die Wiederentdeckung des „Rotbauchfrosches“ wurde erst kürzlich bei einer Pressekonferenz im Rahmen der „Internationalen Umweltwoche“ an der Universidad de Costa Rica publik – und stieß auf großes mediales Interesse. Zuvor war bereits ein anderer, als ausgestorben eingestufter Frosch in dem mittelamerikanischen Land wiederentdeckt worden.

„Solche Funde geben Hoffnung, die Resistenzen einzelner Individuen beziehungsweise ganzer Arten zu verstehen und das weltweite Amphibiensterben letztlich zu reduzieren“, sind sich die Wissenschaftler einig.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Simone Sommer: Tel.: 0731 50-22660, simone.sommer@uni-ulm.de
Randall Jiménez (englisch): randall.jimenez@uni-ulm.de

Randall Jiménez and Gilbert Alvarado: Craugastor escoces (Anura: Craugastoridae) reappears after 30 years: rediscovery of an “extinct” Neotropical frog. Amphibia-Reptilia. Volume 38, Issue 2, pages: 257 –259

http://www.uni-ulm.de/nawi/nawi-home/nawi-detailseiten/news-detail/article/sensa… Video

Media Contact

Annika Bingmann idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…