Der Blick ins Bassetthorn

Per CT wird das Innenleben der äußerlich unscheinbaren Büchsentrompete sichtbar. © Foto Fraunhofer EZRT

Das Innere von alten Musikinstrumenten ist für Musiker, Restauratoren und Instrumentenbauer von großem Interesse. Im Projekt MUSICES durchleuchten Fraunhofer-Forscher nun per 3D-Computertomographie historische Musik- instrumente aus der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums. Dabei erstellen sie erstmals einen Leitfaden, wie man zu optimalen Aufnahmen und Messergebnissen kommt. Denn bislang gibt es keinen Messstandard. Die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht.

Es gibt kaum ein Objekt, das die Forscher am Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT, ein Bereich des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen, noch nicht in ihren Computertomographie-Anlagen durchleuchtet haben: Leichtbau-Gussteile, Rotorblätter, Autos, aber auch Landeklappen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff wurden bereits einer industriellen Qualitätskontrolle unterzogen und im Hinblick auf mögliche Schäden wie Haarrisse zerstörungsfrei analysiert.

Im Projekt MUSICES (siehe Kasten »Das Projekt MUSICES auf einen Blick«) widmen sich die Fürther Wissenschaftler gemeinsam mit Spezialisten des Germanischen Nationalmuseums (GNM) in Nürnberg und dem Lehrstuhl für Röntgenmikroskopie LRM an der Universität in Würzburg dem Innenleben von historischen, oftmals einmaligen Musikinstrumenten.

Denn der Blick ins Innere von Geige, Hammerklavier, Bassetthorn und Co. kann in hervorragender Weise Aufschluss darüber geben, in welchem Zustand das Instrument sich aufgrund seines Alters und der Lagerung befindet und ob es noch bespielbar ist.

3D-Röntgenbilder liefern beispielsweise Informationen über die Herstellungsweise, den Klangkörper, die verwendeten Materialien, verborgene Reparaturen, eventuelle Schäden wie Risse, gelöste Leimungen oder Wurmlöcher, Maserung, Holzdichte und andere Konstruktionsdetails. Sie ermöglichen den Einblick in verborgene Bereiche – für Restauratoren, Konservatoren, Musiker, Museumspädagogen und Instrumentenbauer sind die Aufnahmen von unschätzbarem Wert.

Doch bislang gibt es keine Messstandards, wie alte Musikinstrumente am besten per 3D-Computertomographie untersucht werden sollen. Hierfür entwickeln die Projektpartner nun Richtlinien, sodass Museen weltweit Instrumente unterschiedlichster Klassen mit vergleichbarer Bildqualität digitalisieren können. Trivial ist das nicht: Eine große Zahl von Parametern wie die Strahlendosis, Belichtungszeit, Messabstand, Messdauer, Zusammensetzung der CT-Anlage und Algorithmen zur Berechnung der 3D-Datensätze müssen berücksichtigt werden.

Virtuelles Museum im Internet

Der Aufwand lohnt sich: »Ein Großteil der Museumssammlungen lagert in Kellern, es fehlt einfach an Ausstellungsflächen. Das Germanische Nationalmuseum hat einen Fundus von 2500 alten Instrumenten, die in unterirdischen Depots aufbewahrt werden. Durch die Digitalisierung mit Computertomographie können wir die Bestände ins Internet bringen und für jedermann zugänglich machen, quasi ein virtuelles Museum schaffen«, sagt Dr. Theobald Fuchs, Leitender Wissenschaftler am Fraunhofer EZRT und Leiter des Projekts MUSICES.

Mehr als hundert Instrumente aus vergangenen Jahrhunderten hat das Team bereits digitalisiert – von der Büchsentrompete über die Mundharmonika bis hin zum Tafelklavier. Die unterschiedlichen Größenordnungen verlangen Scans in verschiedenen Anlagen. Das Tafelklavier etwa wurde im Linearbeschleuniger durchleuchtet, dem europaweit größten Computertomographen.

Die XXL-Röntgenumgebung besteht aus zwei acht Meter hohen Stahltürmen und einem drei Meter breiten Drehteller in einer 400 Quadratmeter großen Halle mit 14 Metern Deckenhöhe. Kleinere Streich- oder Blasinstrumente werden in gängigen Anlagen geröntgt. Bei allen Untersuchungen befinden sich die Objekte auf einem Drehteller zwischen der Röntgenquelle und dem Flachbilddetektor, der sehr hohe Ortsauflösungen erreicht. Eine eigens entwickelte Halterung fixiert die Instrumente wackelfrei.

Der Röntgenstrahl durchdringt das rotierende Objekt, abhängig von Materialstärke und -dichte sind unterschiedliche Strahlendosen erforderlich. Je nach Beschaffenheit des Instruments dauert so ein Scan mehrere Stunden. Dabei erstellt der Computertomograph mehrere Tausend Einzelbilder, die zusammengesetzt ein dreidimensionales Bild ergeben.

Bis Januar 2018 wollen die Forscher ihre Ergebnisse im Internet veröffentlichen. Diese umfassen sämtliche CT-Daten, aber auch das Messverfahren inklusiver aller Schritte dokumentieren sie detailliert und nachvollziehbar. Der Standard hält alle Details für die Computertomographie fest. Die Richtlinien geben an, wie die einzelnen Instrumente gemessen werden sollten.

Metadaten werden öffentlich zugänglich gemacht

Darüber hinaus sollen alle technischen Parameter und Metadaten am Ende des Projekts in einer am GNM entwickelten Datenbank veröffentlicht werden. »Erstrebenswert wäre es, wenn man den kompletten Bestand an historischen Instrumenten des Germanischen Nationalmuseums 3D digitalisieren und ins Internet stellen könnte. Wie das am besten zu bewerkstelligen ist, haben wir mit unserem Standard festgehalten«, so Fuchs.

»Einer von vielen Faktoren, die man jetzt einschätzen kann, ist der Aufwand. Ein Beispiel: Um eine Geige komplett mit einer Auflösung von weniger als 50 Mikrometern zu röntgen, benötigt man bis zu 20 Stunden. Folglich ist man in der Lage, das für die Anzahl von x Instrumenten hochzurechnen. Dabei fällt eine bestimmte Menge an Volumendaten an, für die man spezielle Festplatten, eine bestimmte Menge an Netzwerkkapazität und besondere Software benötigt. All dies haben wir aufgelistet«.

Ein weiterer Vorteil: Die Erfahrungen und Erkenntnisse mit den Musikinstrumenten lassen sich auch auf andere Kulturgüter übertragen, etwa auf wissenschaftliche Instrumente wie Fernrohre oder auf alte Waffen.

Bereits auf der Langen Nacht der Wissenschaften am 21. Oktober in Fürth können Interessierte einen Blick ins Innere zahlreicher historischer Instrumente werfen: Im Rahmen einer Ausstellung präsentiert das Fraunhofer EZRT CT-Aufnahmen, die als exemplarisch für die Versuchsreihe gelten.

Thoralf Dietz

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