Medikamentenspiegel mit bloßem Auge sichtbar machen

Ein Schnelltest soll in Zukunft die Konzentration von Medikamenten im Blut innerhalb kürzester Zeit detektieren können. ©Fraunhofer IZI-BB, Fotograf: Jochen Zick

Erst eine schwere Depression, dann ein Bandscheibenvorfall und eine Knieoperation – ein beispielhafter Werdegang für einen Patienten, der anschließend täglich einen Mix aus Antidepressiva und verschiedenen Schmerzmitteln nehmen muss. Die Medikamente müssen fein aufeinander abgestimmt sein, damit sie optimal wirken, wenige Nebenwirkungen hervorrufen und die inneren Organe so wenig wie möglich belasten.

Doch Aufnahme, Transport, Verteilung und Abbau von Medikamenten im Körper sind sehr individuell und abhängig von Faktoren wie der Ernährung oder der Einnahme von anderen Medikamenten. Hinzu kommt, dass manche Medikamente bei Überdosierung starke Vergiftungserscheinungen hervorrufen können.

Die Überprüfung der Blutkonzentration des verabreichten Wirkstoffs ist daher ein wichtiger Bestandteil der modernen medikamentösen Therapie. Doch das sogenannte »Therapeutische Drug Monitoring« (TDM) ist aufwändig und wird bisher nur im Labor durchgeführt.

Blutanalyse im Schnellverfahren

Ein Schnelltest, der ähnlich wie ein Schwangerschaftstest aufgebaut ist, soll in wenigen Jahren die Messung vereinfachen. »In unserem Test möchten wir keine herkömmlichen Farbstoffe zur Erkennung spezifischer Moleküle verwenden, da wir vor allem farbige Flüssigkeiten wie Blut messen wollen. Und alles, was den Teststreifen verfärbt, verfälscht das Ergebnis«, erklärt Dr. Eva Ehrentreich-Förster vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB, die das Testsystem entwickelt.

Gemeinsam mit Dr. André Geßner, vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm möchte sie einen Schnelltest etablieren, mit dem die Konzentration eines Medikaments im Blut mit bloßem Auge sichtbar gemacht werden kann – und zwar direkt vor Ort und ohne den Einsatz teurer Messgeräte.

Als Farbstoffe integrieren die Forscher neue nanoskopische Strukturen in einen Teststreifen. An diesen Strukturen ist ein für ein Medikament spezifisches Erkennungsmolekül gebunden. Je nachdem, ob das Medikament daran bindet, leuchtet der Messpunkt in seiner entsprechenden Farbe.

»Der Clou bei diesem neuartigen Testsystem ist, dass schon geringste Mengen einer Substanz erkannt werden können. Zudem können gleich mehrere Substanzen gleichzeitig detektiert werden, die dann in unterschiedlichen Farben leuchten«, so Geßner, der die nanoskopischen Farbstoffe entwickelt.

Aktuell befindet sich das Projekt noch in einer frühen Entwicklungsphase. Bis das neue Testsystem auf den Markt kommt, werden voraussichtlich noch mindestens drei Jahre vergehen.

Leistungszentrum »Integration biologischer und physikalisch-chemischer Materialfunktionen«

Die Entwicklung des Schnelltests ist eines von 18 Projekten im Leistungszentrum, das von Prof. Dr. Alexander Böker, dem Leiter des Fraunhofer IAP und Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth, dem Leiter des Fraunhofer IZI-BB koordiniert wird. Gefördert wird das Leistungszentrum durch die Ministerien für Wissenschaft, Forschung und Kultur MWFK sowie für Wirtschaft und Energie MWE des Landes Brandenburg sowie durch die Fraunhofer-Gesellschaft. Das Know-how vieler Forschungseinrichtungen verschiedener Wissenschaftsorganisationen in Brandenburg und Berlin soll in dem Leistungszentrum gebündelt werden. Über 30 Unternehmen haben bereits Interesse bekundet, die Entwicklungen des Leistungszentrums verwerten zu wollen.

Weitere Informationen zum Leistungszentrum: www.funktionsintegration.de

Förderung

Die Brandenburger Ministerien für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) und für Wirtschaft und Energie (MWE) unterstützen den Aufbau des Leistungszentrums: Das MWFK fördert das Leistungszentrum im Rahmen der InfraFEI-Richtlinie mit 17,5 Millionen Euro den Neubau eines Labor- und Bürogebäudes für die Leichtbauaktivitäten des Fraunhofer IAP am Standort Wildau. Weitere 4,2 Millionen Euro wurden bereits im Rahmen der StaF-Richtlinie bewilligt. Konkrete Forschungs- und Entwicklungsprojekte des Leistungszentrums will das MWE mit bis zu 4,25 Millionen Euro fördern. Die Fraunhofer-Gesellschaft unterstützt die Initialprojekte von Fraunhofer IAP und IZI-BB mit 2,5 Millionen Euro.

Das Fraunhofer IAP

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm ist spezialisiert auf Forschung und Entwicklung von Polymeranwendungen. Es unterstützt Unternehmen und Partner bei der maßgeschneiderten Entwicklung und Optimierung von innovativen und nachhaltigen Materialien, Prozesshilfsmitteln und Verfahren. Neben der umweltschonenden, wirtschaftlichen Herstellung und Verarbeitung von Polymeren im Labor- und Pilotanlagenmaßstab bietet das Institut auch die Charakterisierung von Polymeren an. Synthetische Polymere auf Erdölbasis stehen ebenso im Fokus der Arbeiten wie Biopolymere und biobasierte Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Anwendungsfelder sind vielfältig: Sie reichen von Biotechnologie, Medizin, Pharmazie und Kosmetik über Elektronik und Optik bis hin zu Anwendungen in der Verpackungs-, Umwelt- und Abwassertechnik oder der Automobil-, Papier-, Bau- und Lackindustrie. | Leitung: Prof. Dr. Alexander Böker

Das Fraunhofer IZI-BB

Am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB in Potsdam-Golm werden analytische und biotechnologische Lösungen für die Landwirtschaft, Umwelt sowie Medizin und Diagnostik entwickelt. Schwerpunkte der Arbeiten sind einerseits die Probenaufbereitung und Datenerfassung sowie Miniaturisierung und Automatisierung entsprechender Technologien, um zuverlässige, flexible und einfach bedienbare Prozessabläufe bereitzustellen. Andererseits liegt der Fokus des Instituts auf der Herstellung von funktionellen Proteinen mittels zellfreier Proteinsynthese sowie der Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung, Handhabung und Manipulation von Zellen und Biomolekülen. | Leitung: Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth

Media Contact

Dr. Sandra Mehlhase Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP

Weitere Informationen:

http://www.iap.fraunhofer.de

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