Mit Labor in Chip-Grösse einzelnen Bakterien auf der Spur
Er ist kaum grösser als eine Streichholzschachtel und doch befindet sich auf diesem Chip ein Labor en miniature. In etwa 2000 Kanälen von einem tausendstel Millimeter Durchmesser wachsen einzelne Bakterienzellen, welche die Forscher um Prof. Erik van Nimwegen vom Biozentrum der Universität Basel genau untersuchen können.
Denn die Aufnahme von Tausenden von mikroskopischen Bildern in kürzesten Zeitabständen erlaubt es, das Wachstum und Verhalten mehrerer Generationen einzelner E. coli-Bakterien über Tage hinweg zu verfolgen.
Die Fülle an Daten wird durch eine neuartige Software zur Bildauswertung namens MoMA automatisch analysiert und präzise quantifiziert. MoMA wurde gemeinsam mit der Gruppe von Prof. Gene Myers am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden entwickelt.
Mit Mikrofluidik das Verhalten einzelner Zellen analysieren
Mit dem neuen System können die Forscher untersuchen, wie Gene in einzelnen Zellen genau reguliert werden, wenn sich die Umweltbedingungen verändern. So erhalten sie nicht nur einen Einblick in genregulatorische Prozesse, sondern auch einen Überblick über die vielfältigen Reaktionen, mit denen Bakterien auf Umwelteinflüsse antworten.
Zum Beispiel lässt sich ermitteln, wie einzelne Bakterienzellen reagieren, wenn sie einem Antibiotikum ausgesetzt werden: ob sie absterben, ihr Wachstum einstellen oder sich einfach ungestört weitervermehren. Beobachten kann man auch, wie sich die zunehmende Wirkungsdauer des Antibiotikums auf die Zellen auswirkt. Das ist wichtig um zu verstehen, warum nicht immer alle Krankheitserreger durch Antibiotika getötet werden.
«Mit dem Mikrofluidik-Chip können wir auch beantworten, wie Bakterien miteinander kommunizieren, wie sie auf Stress reagieren oder inwiefern familiäre Beziehungen eine Rolle bei Anpassungsstrategien spielen», so van Nimwegen. «Solche Einzelzellanalysen halte ich für sehr wichtig, denn oft sind die Messungen von Zellgemeinschaften irreführend, da die Heterogenität der einzelnen Zellen herausgemittelt wird.»
Zelluläres Gedächtnis ist wichtig für schnelle Anpassung
Die Leistungsfähigkeit des Chiplabors demonstrierten die Forscher an einem Modellsystem der Genregulation, dem Lac-Operon. «Wir haben mithilfe des grün fluoreszierenden Proteins beobachten können, wie sich E. coli-Bakterien an einen regelmässigen Wechsel zwischen den Nährstoffen Glukose und Laktose anpassen. Das Lac-Operon wird seit mehr als fünfzig Jahren erforscht; dennoch konnten wir mit unseren Einzelzell-Analysen ganz neue Eigenschaften aufdecken», sagt van Nimwegen.
Es zeigte sich: Im ersten Durchgang stellen die Bakterien ihren Stoffwechsel zeitlich verzögert, wenn auch unterschiedlich schnell auf die Laktose-Verwertung um. Bei wiederholten Wechseln von Glukose zu Laktose fand dieses Umschalten viel schneller statt, und die Zellen fingen viel eher wieder an zu wachsen. «Erstaunlicherweise ist die zeitliche Verzögerung der Reaktion bei verwandten Bakterien sehr ähnlich», so van Nimwegen. «Demnach scheinen die Zellen das Verhalten ihrer Vorfahren in Erinnerung zu behalten.»
Das Chiplabor der Basler Forscher eignet sich für ein breites Spektrum von Anwendungen. Alle relevanten Informationen zum Chip-Design und den Experimenten, die MoMA-Software zur Bildanalyse sowie die benötigten Originaldaten sind online frei zugänglich.
Originalbeitrag
Matthias Kaiser, Florian Jug, Thomas Julou, Siddharth Deshpande, Thomas Pfohl, Olin Silander, Gene Myers, and Erik van Nimwegen
Monitoring single-cell gene regulation under dynamically controllable conditions with integrated microfluidics and software
Nature Communications (2018), doi: 10.1038/s41467-017-02505-0
Weitere Auskünfte
– Prof. Dr. Erik van Nimwegen, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 15 76, E-Mail: erik.vannimwegen@unibas.ch
– Dr. Katrin Bühler, Universität Basel, Kommunikation Biozentrum, Tel. +41 61 207 09 74, E-Mail: katrin.buehler@unibas.ch
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