Trockene Haut und Neurodermitis führen zu einem veränderten Hautmikrobiom

Im Fall eines Ekzems bei Neurodermitis-Patienten, also einer akuten Entzündung der Haut, sinkt die Vielfältigkeit der Bakterien weiter ab und der Anteil bestimmter „schlechter Bakterien“ steigt an. Holly McKelvey/Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“

Überraschend für Erstautor Dr. Hansjörg Baurecht vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein war, dass diese regionalen Unterschiede in den Hintergrund treten, wenn die Haut sich entzündet. „Die natürlichen Unterschiede in der Zusammensetzung des Mikrobioms an unterschiedlichen Körperstellen sind dann aufgehoben, und es entsteht ein typisches weniger vielfältiges Muster der bakteriellen Besiedelung, wenn die Hautentzündung chronisch wird.“ Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im Journal of Allergy and Clinical Immunology veröffentlicht.

Die Haut des Menschen ist Lebensraum unzähliger Mikroorganismen, deren Gesamtheit als Mikrobiom bezeichnet wird. Dabei findet man an verschiedene Körperstellen jeweils typische Bakterienstämme, und die bakterielle Zusammensetzung unterscheidet sich zum Teil erheblich, zum Beispiel zwischen Stirn und Fußsohle.

Das ist zunächst weder gut noch schlecht, sondern einfach durch die jeweilige Umgebung bedingt. Feuchtigkeit, pH-Wert, Temperatur und Lipidgehalt der Haut haben Einfluss auf das Besiedlungsmuster, ebenso wie genetische Faktoren und Umwelteinflüsse. Das feine Zusammenspiel von Hautzellen, Immunzellen und den Mikroben sorgt dafür, dass die Haut ihre Barrierefunktion ausübt. Veränderungen im Mikrobiom können diese Funktion beeinflussen.

Die am besten beschriebene Ursache für eine generelle Barrierestörung der Haut ist ein Mangel am Hauteiweiß Filaggrin. Bei etwa zehn Prozent der Bevölkerung ist dieser Mangel durch vererbte Mutationen entstanden. Diese Personen leiden an einer allgemeinen Hauttrockenheit und verminderter Barrierefunktion, das heißt die Haut ist durchlässiger für Einflüsse von außen.

Der angeborene Filaggrinmangel führt nicht zwangsläufig zu Neurodermitis, geht aber mit einem deutlich erhöhten Erkrankungsrisiko einher. Eine Ursache dafür könnte ein verändertes Hautmikrobiom sein. Die jetzt veröffentlichte Studie stützt diese Vermutung: Die bakterielle Besiedlung bei Menschen mit Filaggrinmangel ähnelt in Teilen der von Neurodermitispatientinnen und -patienten. Kommt es dann zur Erkrankung, verändert sich das Mikrobiom weiter.

Bislang war das Mikrobiom von Menschen mit Neurodermitis nur an den typischerweise betroffenen Körperstellen wie Kniekehlen und Armbeugen gut untersucht. Die aktuelle Studie zeigte, dass dort die für die Neurodermitis typischen Veränderungen des Hautmikrobioms zwar am deutlichsten ausgeprägt sind, aber auch nicht betroffene Hautareale typische Veränderungen aufweisen. Zu diesen Besonderheiten zählen eine verminderte Vielfalt von Bakterien und eine unterschiedliche Zusammensetzung von Staphylokokken-Stämmen.

„Die Diversität, also die Bakterienvielfalt, und der Anteil bestimmter Staphylokokken nimmt von gesunder über trockene zu entzündeter Haut sukkzessive ab, während bestimmte andere Stämme, insbesondere S. aureus immer mehr dominieren“, betont Dr. Hansjörg Baurecht, Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Clustermitglied Professor Stephan Weidinger an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des UKSH Kiel.

„Wirklich überraschend war, dass wir die für Gesunde typische körperstellenspezifischen Unterschiede im Hautmikrobiom auf akuten und chronischen Ekzemen von Neurodermitispatienten nicht mehr finden. Die Entzündung verändert das Hautmikrobiom massiv, unabhängig von der Körperstelle. Das hatten wir in dem Ausmaß nicht erwartet.“

„Unsere neuen Daten vertiefen das Verständnis der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Hautfunktion und bakterieller Besiedlung“, betont Professor Stephan Weidinger, stellvertretender Direktor der Universitäts-Hautklink Kiel und Leiter der Abteilung für entzündliche Hautkrankheiten. „Das Besiedlungsmuster der Haut ist bei Patientinnen und Patienten mit Neurodermitis generell verändert, und ist sowohl Ausdruck als auch Triggerfaktor der Entzündung und kann Ausgangspunkt für echte Infektionen sein.“

Stichwort Neurodermitis

Neurodermitis (atopisches Ekzem) ist eine der häufigsten chronischen, nicht ansteckenden entzündlichen Hauterkrankungen. Sie tritt meist schon in frühester Kindheit auf und verläuft in Schüben. Schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Kinder und 5 bis 10 Prozent der Erwachsenen sind betroffen. Kennzeichen sind extremer Juckreiz, immer wieder kehrende Ekzeme, und meist eine generelle Hauttrockenheit. Die Ursachen der Neurodermitis liegen zum größten Teil in einer erblichen Veranlagung zu einer Überempfindlichkeit der Haut sowie Überreaktionen des Immunsystems. Bei der Neurodermitis ist die optimale Versorgung der Haut mit Feuchtigkeit und Fetten gestört und die natürliche Barrierefunktion herabgesetzt Auf diese Weise können irritierende und allergieauslösende Stoffe aus der Umwelt leichter eindringen.

Originalpublikation:
Baurecht, H, Rühlemann, MC, Rodríguez, E, Thielking, F, Harder, I, Erkens, AS, Stölzl, D, Ellinghaus, E, Hotze, M, Lieb, W, Wang, S, Heinsen, FA, Franke, A und Weidinger, S (2018): Epidermal lipid composition, barrier integrity and eczematous inflammation are associated with skin microbiome configuration. Journal of Allergy and Clinical Immunology, https://doi.org/10.1016/j.jaci.2018.01.019

Kontakt:
Dr. Hansjörg Baurecht
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKSH Kiel
Tel.: 0431/500 21111
hbaurecht@dermatology.uni-kiel.de

Prof. Dr. Stephan Weidinger
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am UKSH Kiel
Tel.: 0431/500 21110
sweidinger@dermatology.uni-kiel.de

Bildmaterial steht zum Download bereit:
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Die bakterielle Besiedlung der Haut unterscheidet sich zwischen gesunden und an Neurodermitis erkrankten Menschen deutlich. Bei Neurodermitis-Patientinnen und Patienten ist die Bakterienvielfalt deutlich geringer, und der Anteil bestimmter Bakterienarten deutlich erhöht. Dies ist auch der Fall, wenn die Haut scheinbar gesund aussieht. Im Fall eines Ekzems, also einer akuten Entzündung der Haut, sinkt die Vielfältigkeit der Bakterien weiter ab und der Anteil bestimmter „schlechter Bakterien“ steigt an.
Abbildung/Copyright: Holly McKelvey/Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“

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Cluster-Mitglied Professor Stephan Weidinger
Foto/Copyright: Dr. Tebke Böschen/Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“

Pressekontakt:
Dr. Tebke Böschen
Telefon: (0431) 880-4682, E-Mail: tboeschen@uv.uni-kiel.de
Internet: www.inflammation-at-interfaces.de

Der Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces/Entzündungsforschung“ wird seit 2007 durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder mit einem Gesamtbudget von 68 Millionen Euro gefördert; derzeit befindet er sich in der zweiten Förderphase. Die rund 300 Clustermitglieder an den insgesamt vier Standorten: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule), Lübeck (Universität zu Lübeck, UKSH), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften) forschen in einem innovativen, systemischen Ansatz an dem Phänomen Entzündung, das alle Barriereorgane wie Darm, Lunge und Haut befallen kann.

Exzellenzcluster Entzündungsforschung
Wissenschaftliche Geschäftsstelle, Leitung: Dr. habil. Susanne Holstein
Postanschrift: Christian-Albrechts-Platz 4, D-24118 Kiel
Telefon: (0431) 880-4850, Telefax: (0431) 880-4894
E-Mail: spetermann@uv.uni-kiel.de
Twitter: I@I @medinflame

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