Neue Nervenzellen lernen leichter
Freiburger Hirnforscher beobachten neu gebildete junge Nervenzellen bei ihrer Arbeit
Die Freiburger Neurowissenschaftler Christoph Schmidt-Hieber und Dr. Josef Bischofberger vom Institut für Physiologie der Universität Freiburg unter Leitung von Professor Dr. Peter Jonas haben die Eigenschaften von neu generierten Nervenzellen im zentralen Nervensystem der Ratte untersucht. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass in einer wichtigen Teilregion der Großhirnrinde, dem Hippocampus, das ganze Leben über neue Nervenzellen gebildet werden. Diese Region ist vor allem für die Gedächtnisbildung von großer Bedeutung. Auch beim Menschen konnten hier neu gebildete Nervenzellen bis ins hohe Alter nachgewiesen werden. Die Gruppe von Bischofberger zeigt nun in einer Publikation der Zeitschrift Nature, dass diese neuen Zellen ganz besondere Eigenschaften besitzen. Sie sind viel leichter erregbar als die benachbarten „alten“ Nervenzellen, und erleichtern damit das Lernen.
Wie funktioniert assoziatives Lernen im Mikrokosmos des Gehirns? Nervenzellen kommunizieren miteinander über sogenannte „synaptische“ Verbindungen. Sind verschiedene Nervenzellen immer gleichzeitig aktiv, so kann dies zu einer Erhöhung der Übertragungsstärke in diesen aktiven Verbindungen führen. Dadurch lernt man z.B., dass sowohl der vollmundige Geschmack als auch die satte rote Farbe zu einem guten Glas Rotwein gehört. Die bessere Erregbarkeit der jungen Nervenzellen führt nun dazu, dass diese leichter die Übertragungsstärke ihrer synaptischen Kontakte anpassen können. Die veränderte Kommunikation zwischen den Nervenzellen bildet damit die Grundlage zur leichteren Speicherung neuer Gedächtnisinhalte.
Es war bereits bekannt, dass die Zahl der neugebildeten Nervenzellen von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Während Stresshormone die Neurogenese hemmen, scheint körperlich anstrengende Bewegung und eine abwechslungsreiche Umgebung für die Neubildung der Nervenzellen förderlich zu sein.
So hat auch Bischofbergers Gruppe ihre Labortiere nicht in „normalen“ Käfigen gehalten, sondern besonders große, aktions-fördernde Käfige mit Kletterwänden, Laufrädern und Kletterröhren benutzt. Geht man nun davon aus, dass sich die Ergebnisse der Arbeitsgruppe auf den Menschen übertragen lassen, dann sollte jeder, der geistig fit bleiben will, sich regelmäßig sportlich betätigen, denn dadurch werden mehr neue Nervenzellen generiert – und diese lernen leichter.
Literatur
Schmidt-Hieber C, Jonas P und Bischofberger J: Enhanced synaptic plasticity in newly generated granule cells of the adult hippocampus. Nature DOI: 10.1038/nature02553 (2004).
Kontakt:
PD Dr. Josef Bischofberger
Institut für Physiologie I
Universität Freiburg
Hermann-Herder-Str. 7
79104 Freiburg
Tel. 0761/203-5194
Fax 0761/203-5204
mail: josef.bischofberger@uni-freiburg.de
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