Seltene Genveränderungen machen Bauchspeicheldrüsenkrebs angreifbar
Tumoren der Bauchspeicheldrüse sind besonders aggressiv und schwer behandelbar. Rund 18.500 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an dieser Krebsart. Zu den häufigsten genetischen Veränderungen bei Bauchspeicheldrüsenkrebs zählen Mutationen im sogenannten KRAS-Gen, die bewirken, dass die Tumorzellen sich unablässig teilen.
Nicht jeder Tumor der Bauchspeicheldrüse trägt jedoch diese Mutation. Ist das KRAS-Gen unverändert, spielen häufig andere Veränderungen der Erbinformation eine wichtige Rolle. Diesen Zusammenhang konnten Wissenschaftler des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) zeigen.
Sie fanden in mehreren Fällen so genannte Genfusionen: Hierbei war jeweils ein Teil eines bestimmten Gens – des so genannten NRG1-Gens – mit dem Teil eines anderen Gens verschmolzen. Anders als KRAS-Mutationen sind Krebszellen, die solche fusionierten Gene enthalten, durch bestimmte Medikamente angreifbar.
Untersucht wurde dies in einer engen Zusammenarbeit von Ärzten und Wissenschaftlern der beiden NCT-Standorte Heidelberg und Dresden anhand detaillierter molekularer Analysen bei einer Gruppe junger Patienten. Das NCT ist eine standortübergreifende Kooperation von Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) auf der einen Seite sowie von DKFZ, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Medizinischer Fakultät der TU Dresden und Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) auf der anderen Seite.
Die Entschlüsselung des genetischen Codes der Tumoren durch DNA- und RNA-Sequenzierung erfolgte im deutschlandweiten NCT/DKTK MASTER (Molecularly Aided Stratification for Tumor Eradication Research)-Programm.
„Bei vier der 17 untersuchten Patienten konnten wir anstelle einer KRAS-Mutation eine andere genetische Besonderheit feststellen: Wir fanden bestimmte Genabschnitte, die mit anderen verschmolzen waren“, erklärt Hanno Glimm, geschäftsführender Direktor am NCT Dresden und Leiter der Abteilung für „Translationale Medizinische Onkologie“. Zum Tumorwachstum führen Genfusionen dann, wenn ein normalerweise streng reguliertes wachstumsförderndes Gen mit einem anderen Genabschnitt verschmilzt, der besonders aktiv ist und so die Regulation aufhebt.
„Tumoren der Bauchspeicheldrüse mit KRAS-Mutationen sprechen kaum auf Medikamente an. Dagegen lassen sich Krebszellen mit diesen spezifischen Genfusionen mit zugelassenen Wirkstoffen – so genannten Tyrosinkinase-Inhibitoren oder auch Antikörpern – therapeutisch angreifen. Das gibt uns weitere Optionen für die Behandlung dieser Patienten“, erklärt Stefan Fröhling, geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg.
Zwei der Patienten konnten entsprechend der genetischen Veränderungen mit zielgerichteten Medikamenten behandelt werden. Bei beiden bildeten sich dadurch die Lebermetastasen zeitweise zurück, zu einem Zeitpunkt, als andere Therapien die Krankheit nicht mehr kontrollieren konnten.
„Wir konnten so zeigen, dass die Behandlung von Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs mit einer auf die individuellen Merkmale des Tumors zugeschnittenen Therapie sinnvoll ist“, sagt Christoph Heining, Leitender Oberarzt der Abteilung für „Translationale Medizinische Onkologie“ am NCT Dresden.
Wie eine optimale Therapie mit zielgerichteten Medikamenten aussehen könnte, soll nun in einer Studie an beiden NCT-Standorten genauer ermittelt werden. Für die gezielte Auswahl von Patienten für eine personalisierte Therapie schlagen die Wissenschaftler ein zweistufiges Diagnoseverfahren vor: Zunächst sollen die Patienten dahingehend untersucht werden, ob ihr Tumor die nicht-mutierte Form des KRAS-Gens aufweist. Ist dies der Fall, sollen in einem zweiten Schritt klinisch angreifbare Genfusionen ermittelt werden.
Für ihre Untersuchung wählten die Wissenschaftler gezielt eine Gruppe junger Patienten im Alter zwischen 24 und 49 Jahren aus. Für diese Altersgruppe liegen nur wenige Daten zu den genetischen Grundlagen von Bauchspeicheldrüsenkrebs vor, da diese Tumoren meist bei Männern und Frauen ab 65 Jahren diagnostiziert werden. Vergleichende Analysen an vorhandenem Datenmaterial deuten jedoch darauf hin, dass Genfusionen auch bei älteren Patienten eine wichtige Rolle spielen.
C. Heining, P. Horak, S. Uhrig et al. (2018) NRG1 Fusions in KRAS Wild-type Pancreatic Cancer. Cancer Discovery DOI 10.1158/2159-8290.CD-18-0036
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BU: Mittels moderner Hochdurchsatzsequenzierung entdeckten NCT-Wissenschaftler eine therapeutisch relevante Besonderheit im genetischen Code von Bauchspeicheldrüsenkrebs.
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Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg, der Medizinischen Fakultät Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, zeitnah erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. In Dresden wird seit 2015 ein Partnerstandort des NCT Heidelberg aufgebaut.
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Dresden
Dresden ist seit 2015 neben Heidelberg der zweite Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT). Das NCT Dresden ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf. Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten in Dresden und Heidelberg auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler am NCT durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch beider Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Die jährliche Förderung des NCT Dresden beläuft sich nach der Aufbauphase ab 2019 auf 15 Millionen Euro. Diesen Betrag bringen Bund und Freistaat Sachsen im Verhältnis 90 zu 10 Prozent auf. Für die Errichtung eines NCT-Neubaus stellt der Freistaat Sachsen zusätzlich 22 Millionen Euro bereit.
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