Quantenmechanik: Verschränkungen in ultrakalten Atomwolken

Foto: Philipp Kunkel, SynQS Schematische Darstellung der experimentellen Implementierung: Eine zigarrenförmige Wolke von Rubidium-Atomen (blaue Punkte) wird auf ultrakalte Temperaturen gekühlt. Durch Stöße zwischen den Atomen bauen sich Quantenkorrelationen, auch Verschränkung genannt, auf (gelbe Verbindungen). Die Atomwolke wird schließlich mithilfe von Laserlicht auf eine Kamera abgebildet. Durch die hohe räumliche Auflösung der Kamera können Korrelationen zwischen verschiedenen Teilen (A und B) des Kondensats, und insbesondere deren quantenmechanischer Charakter, nachgewiesen werden.

Als verschränkt oder auch quantenkorreliert wird der Zustand eines Systems bezeichnet, bei dem sich zwei oder mehr Teilchen nicht mehr als Kombination jeweils unabhängiger Zustände beschreiben lassen, sondern nur durch einen gemeinsamen Zustand.

Wissenschaftlern am Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg ist es nun gelungen, sogenannte nichtlokale Quantenkorrelationen zwischen ultrakalten Wolken von Rubidium-Atomen nachzuweisen. Damit konnten die Forscher um Prof. Dr. Markus Oberthaler und Prof. Dr. Thomas Gasenzer wichtige neue Erkenntnisse zur Charakterisierung von quantenmechanischen Vielteilchensystemen gewinnen.

Die Theorie der Quantenmechanik sagt Korrelationen vorher, die der Intuition zuwiderlaufen. Solche Quantenkorrelationen scheinen im Widerspruch zu stehen zur Heisenbergschen Unschärferelation: Sie besagt, dass zwei Eigenschaften eines Objekts wie Ort und Geschwindigkeit nie gleichzeitig exakt bestimmt sein können.

In quantenmechanischen Systemen lassen sich jedoch zwei Teilchen so präparieren, dass es die Ortsbestimmung von Teilchen eins möglich macht, die Position des zweiten exakt vorherzusagen. Genauso erlaubt die Geschwindigkeitsmessung des einen Teilchens die Vorhersage der Geschwindigkeit des anderen.

„In diesem Fall müssen sowohl Ort als auch Geschwindigkeit von Teilchen zwei schon vor der Messung exakt bestimmt sein“, erläutert Prof. Oberthaler. „Das Messergebnis an Teilchen eins kann nicht sofort am Ort von Teilchen zwei vorliegen, wenn beide räumlich voneinander getrennt sind.“

Diese gleichzeitige Bestimmtheit von Ort und Geschwindigkeit ist aber durch die Unschärferelation eigentlich nicht möglich. Der scheinbare Widerspruch löst sich dadurch auf, dass in der quantenmechanischen Beschreibung nicht von zwei getrennten Objekten gesprochen werden kann, wenn diese korreliert, also verschränkt sind.

„Wenn wir nachweisen können, dass sich Messergebnisse verschiedener Beobachtungsgrößen in einem System durch Messungen an einem zweiten, entfernten System tatsächlich vorhersagen lassen, dann können wir diesen Nachweis verwenden, um auch eine Verschränkung zu belegen – und genau das haben wir in unserem Experiment gezeigt“, so der Erstautor der Studie, Philipp Kunkel.

In ihrem Experiment benutzten die Forscher eine Wolke von rund 11.000 Rubidium-Atomen, die sie auf extrem niedrige Temperaturen kühlten und mit Laserlicht in einer Vakuumkammer in der Schwebe hielten. Damit sollten jegliche Störeffekte wie zum Beispiel Stöße mit Luft-Molekülen ausgeschlossen werden.

Die Arbeit mit ultrakalten Atomen ist erforderlich, da Quanteneffekte erst bei sehr niedrigen Temperaturen nachweisbar werden. Unter diesen extremen Bedingungen ist es zudem möglich, vergleichbar zu Ort und Geschwindigkeit den internen Zustand der Teilchen, oftmals Spin genannt, zu messen. „So konnten wir den Spin in der einen Hälfte der Wolke durch eine Messung an der anderen Hälfte genauer vorhersagen, als es die lokale Unschärferelation erlauben würde“, erklärt Philipp Kunkel.

Die Charakterisierung von quantenmechanischen Vielteilchensystemen ist unter anderem von Bedeutung für künftige Anwendungen wie Quantencomputer oder die Quantenkommunikation. Die aktuellen Heidelberger Forschungsergebnisse wurden in „Science“ veröffentlicht.

Originalpublikation:
P. Kunkel, M. Prüfer, H. Strobel, D. Linnemann, A. Frölian, T. Gasenzer, M. Gärttner, M.K. Oberthaler: Spatially distributed multipartite entanglement enables EPR steering of atomic clouds. Science (published online 27 April 2018), doi: 10.1126/science.aao2254

Kontakt:
Prof. Dr. Markus Oberthaler
Kirchhoff-Institut für Physik
Telefon (06221) 54-5170
markus.oberthaler@kip.uni-heidelberg.de

Kommunikation und Marketing
Pressestelle
Telefon (06221) 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

http://www.kip.uni-heidelberg.de/synqs

Media Contact

Marietta Fuhrmann-Koch idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.uni-heidelberg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik

Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…

Datensammler am Meeresgrund

Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…

Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…