Makohaie schwimmen in Konkurrenz mit Thunfischen gleichauf
Verwandter des Weißen Hais mit verblüffenden Spezialanpassungen im Fortbewegungsapparat – Veröffentlichung in Nature
Bisher galten die Thunfische als die Könige unter den hochseebewohnenden Ausdauerschwimmern. Jetzt haben sie unerwartet Konkurrenz bekommen: Makohaie – ebenfalls hochseebewohnende Ausdauerschwimmer – weisen in ihrem Fortbewegungsapparat Anpassungen auf, die denen der Thunfische verblüffend ähneln. Die Ähnlichkeiten reichen bis tief unter die Haut, wie Sven Gemballa und Peter Konstantinidis vom Zoologischen Institut der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Forschern der Scripps Institution of Oceanography (University of California San Diego) zeigen konnten: Die Arbeitsweise der ausdauernden Muskulatur und die Anordnung speziell verlängerter Sehnen gleichen sich bis ins Detail und ermöglichen einen hoch effizienten Schwimmstil. Die Arten sind damit einzigartig; weder innerhalb der Knorpelfische, zu denen die Haie gehören, noch innerhalb der Knochenfische, zu denen die Thunfische zählen, gibt es Arten mit ähnlichen Spezialanpassungen. Die Forschungsergebnisse werden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature (Vol. 429, p. 61-65, 6. Mai 2004) veröffentlicht.
Evolutionsbiologisch gesehen sind diese übereinstimmenden Spezialanpassungen besonders bemerkenswert. Trotz etwa 400 Millionen Jahre getrennter Evolution von Knorpel- und Knochenfischen haben hochseebewohnende Ausdauerschwimmer wie Makohaie und Thunfische in beiden Gruppen unabhängig voneinander dieselben Anpassungen entwickelt. Diese konvergenten Entwicklungen sind ein eindrucksvoller Beleg für die formende Kraft einer Selektion auf schnelles und ausdauerndes Schwimmen.
Die Liste der für die Makos wie für Thunfische biomechanischen Spezialanpassungen ist lang: Bei ihren typischen Schwimmbewegungen kommen die beiden Hochseeschwimmer mit sparsamen Seitwärtsbewegungen der Schwanzregion aus, bei denen der Vorderkörper relativ steif gehalten wird. Der Körper ist tropfenförmig, die Schwanzregion schmal, die Muskelmasse ist in den Vorderkörper verlagert. Der für Ausdauerleistungen wichtige Anteil der Muskulatur ist von der Körperoberfläche in die Nähe der Wirbelsäule versenkt; seine Temperatur kann über der des umgebenden Wassers gehalten werden. Über extrem lange Sehnen werden die Muskelkräfte nach hinten auf die Schwanzflosse übertragen.
Mit dem Mako ist erstmals ein Vertreter der hochseebewohnenden Haie untersucht worden. Viele seiner nahen Verwandten, wie etwa der bekannte Weiße Hai, sind für solche Untersuchungen zu groß oder zu schwierig zu halten. Die Makos hingegen vollführten ihre Schwimmbewegungen in einem Schwimmkanal, in dem sie praktisch auf der Stelle schwammen. Synchron dazu konnten die Forscher Muskelaktivitäts- und Muskeldehnungsmuster aufnehmen. Mit einer neuen Technik, bei der sich an den enzymatischen Verdau der Muskelproteine eine Mikropräparation anschließt, konnten sie das Sehnensystem der Haie unter dem Polarisationsmikroskop analysieren.
Die einzigartige Ausstattung des Fortbewegungsapparates sehen die Forscher als Schlüssel zum Verständnis der bemerkenswerten Ökologie der Hochseearten, wie zum Beispiel dem Makohai, dem Weißen Hai und den Thunfischen: Bei diesen Arten sind in jüngerer Zeit Wanderungen über Tausende von Kilometern nachgewiesen worden.
Nähere Informationen:
PD Dr. Sven Gemballa
Zoologisches Institut
Auf der Morgenstelle 28, 72076 Tübingen
Tel. 07071-2976947, Fax -29 51 50
E-Mail: sven.gemballa@uni-tuebingen.de
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