Süßes Leben – einfachste Zucker ohne Biosynthese
Zucker sind essenzielle Moleküle des Lebens: Sie speichern Energie und Informationen. Der Zucker Ribose zum Beispiel ist Teil des Rückgrats von Ribonukleinsäuren (RNA), mit deren Hilfe die genetische Information in Proteine „übersetzt“ wird. Aber woher kommen Zucker und wie entstehen sie, wenn keine Biosynthese möglich ist?
Mit dieser Frage hat sich ein Team um den Chemiker Prof. Dr. Peter R. Schreiner vom Institut für Organische Chemie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beschäftigt – und dabei eine bislang unbekannte Möglichkeit der Zuckersynthese entdeckt. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Chemistry“ veröffentlicht.
Bislang ging man vielfach davon aus, dass sich einfache organische molekulare Bausteine wie Zucker, Aminosäuren oder Nukleobasen unter interstellaren Bedingungen bilden, von Meteoriten zur (Früh-) Erde transportiert werden können, und dort schließlich komplexere, größere Makromoleküle wie RNA aufbauen.
Dafür gibt es aber keine schlüssigen Beweise. Das Gießener Team konnte nun die selektive Bildung einfacher Zucker unter interstellaren Bedingungen mit Hydroxymethylen (H–C̈–OH) als reaktivem Isomer des Formaldehyds (H2C=O) zeigen.
Hydroxymethylen reagiert in der Gasphase tatsächlich mit Formaldehyd zu Glycolaldehyd – dem denkbar einfachsten Zucker – und weiter zur Triose Glyceraldehyd, der nächsthöheren Zuckerverbindung aus der Gruppe der sogenannten Aldosen.
Die Reaktion ist nahezu barrierelos und hochproduktiv, selbst bei extrem niedrigen Temperaturen von Bedingungen minus 261 Grad Celsius, wie sie in vielen Regionen des interstellaren Raums anzutreffen sind. Die Studie zeigt somit, dass sich Zucker auch ohne Biosynthese aus sehr einfachen Bausteinen bilden können.
Prof. Schreiner forscht im Bereich der metallfreien Katalyse, der Nanodiamanten und des quantenmechanischen Tunnelns zur Entwicklung und Verbesserung nachhaltiger chemischer Methoden. Er ist Mitglied der Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, erhielt mehrere Wissenschaftspreise, darunter die Adolf-von-Baeyer Denkmünze der Gesellschaft Deutscher Chemiker 2017 und die Dirac-Medaille im Jahr 2003.
Der in Nürnberg geborene Wissenschaftler wurde nach dem Chemiestudium an der Universität Erlangen-Nürnberg und in den USA sowohl in organischer Chemie (Erlangen, Dr. rer. nat.) als auch in theoretischer Chemie promoviert (Computational Chemistry, USA, University of Georgia, Athens, Doctor of Philosophy).
Prof. Dr. Peter R. Schreiner
Institut für Organische Chemie
Heinrich-Buff-Ring 17, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-34300
E-Mail: prs@uni-giessen.de
Publikation
Sugar formation via hydroxymethylene (H–C̈–OH) as “active formaldehyde”. André K. Eckhardt, Michael M. Linden, Bastian Bernhardt und Peter R. Schreiner. Nature Chem. 2018, 10. DOI: 10.1038/s41557-018-0128-2
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Ist der Abrieb von Offshore-Windfarmen schädlich für Miesmuscheln?
Rotorblätter von Offshore-Windparkanlagen unterliegen nach mehrjährigem Betrieb unter rauen Wetterbedingungen einer Degradation und Oberflächenerosion, was zu erheblichen Partikelemissionen in die Umwelt führt. Ein Forschungsteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts hat jetzt…
Per Tierwohl-Tracker auf der Spur von Krankheiten und Katastrophen
DBU-Förderung für Münchner Startup Talos… Aus dem Verhalten der Tiere können Menschen vieles lernen – um diese Daten optimal auslesen zu können, hat das Münchner Startup Talos GmbH wenige Zentimeter…
Mit Wearables die Gesundheit immer im Blick
Wearables wie Smartwatches oder Sensorringe sind bereits fester Bestandteil unseres Alltags und beliebte Geschenke zu Weihnachten. Sie tracken unseren Puls, unsere Schrittzahl oder auch unseren Schlafrhythmus. Auf welche Weise können…