Neuartiger topologischer Isolator
Topologische Isolatoren sind Materialien mit sehr speziellen Eigenschaften. Sie leiten elektrischen Strom oder Lichtteilchen nur an ihrer Oberfläche oder an ihren Kanten weiter, nicht aber in ihrem Inneren. Dieses ungewöhnliche Verhalten könnte einmal zu technischen Innovationen führen, und darum werden topologische Isolatoren seit einigen Jahren weltweit intensiv erforscht.
Eine Neuerung stellen nun Physiker der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) jetzt mit Fachkollegen vom Technion in Haifa (Israel) und Singapur in der Zeitschrift „Nature“ vor.
Das Team hat erstmals einen topologischen Isolator realisiert, an dessen Kanten sich Exziton-Polaritonen fortbewegen. Vereinfacht gesagt sind das Teilchen, in denen Licht und Materie (Photonen und Elektronen) eng aneinander gekoppelt sind.
Neuheit birgt doppeltes Potenzial
In einem derartigen topologischen Isolator steckt doppeltes Potenzial, erklärt Professor Sven Höfling, Inhaber des Lehrstuhls für Technische Physik an der JMU: „Man könnte ihn sowohl für schaltbare elektronische Systeme als auch für Laser-Anwendungen nutzen.“ Mit den bislang realisierten topologischen Isolatoren, die entweder auf Elektronen oder Lichtteilchen basieren, wäre jeweils nur eine Anwendung möglich.
Dr. Sebastian Klembt, Leiter einer Arbeitsgruppe an Höflings Lehrstuhl, war federführend bei diesem Projekt. Er beschreibt weitere Details: Der neuartige topologische Isolator wurde auf einen Mikrochip gebaut und besteht im Wesentlichen aus dem Verbindungshalbleiter Gallium-Arsenid. Er besitzt eine Honigwaben-Struktur und ist aus vielen kleinen Säulen aufgebaut. Dabei hat jede Säule einen Durchmesser von zwei Mikrometern (zwei Millionstel Meter).
Transportrichtung ist kontrollierbar
Wird diese Mikrostruktur mit Laserlicht angeregt, entstehen darin Licht-Materie-Teilchen, und zwar ausschließlich an den Kanten. Die Teilchen wandern dann an den Kanten entlang, auch um die Ecken herum, und das relativ verlustarm. „Mit einem Magnetfeld können wir die Transportrichtung der Teilchen kontrollieren und auch umkehren“, sagt Klembt.
Ein fein ausgeklügeltes System also, das in anwendungsnahen Dimensionen – auf einem Mikrochip – funktioniert und in dem man Licht kontrollieren kann. Das ist normalerweise nicht so einfach möglich: Reine Lichtteilchen besitzen keine elektrische Ladung und lassen sich darum nicht ohne weiteres mit elektrischen oder magnetischen Feldern steuern. Mit dem neuen topologischen Isolator aus Würzburg aber geht das – Licht lässt sich damit sozusagen auch „um die Ecke schicken“.
JMU und Technion: Hochburgen für topologische Isolatoren
Dieser Forschungserfolg des Höfling-Teams zeigt erneut, dass das Physikalische Institut der JMU eine Hochburg für topologische Isolatoren ist. Der Würzburger Physikprofessor Laurens Molenkamp war 2007 der Pionier, der weltweit erstmals einen topologischen Isolator experimentell realisierte.
Ihre herausragende Kompetenz auf diesem Feld bekamen die JMU-Physiker zuletzt im September 2018 bescheinigt: Im bundesweiten Wettbewerb „Exzellenzstrategie“ erhielten sie zusammen mit der TU Dresden den Zuschlag für den Exzellenzcluster „Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien“.
Die Wissenschaftler vom Technion in Israel steuern hier ergänzendes Fachwissen bei. Die Gruppe von Mordechai (Moti) Segev hat 2013 den ersten photonischen topologischen Isolator präsentiert und damit das Feld der Topologischen Photonik begründet.
Mit vereinter Expertise haben beide Gruppen nun den ersten „symbiotischen“ topologischen Isolator auf Licht-Materie-Basis realisiert. Diese grundlegende Entdeckung könnten die Türen für spannende Anwendungen in der Optoelektronik öffnen.
Dr. Sebastian Klembt, Lehrstuhl für Technische Physik der JMU, T +49 931 31-85980, sebastian.klembt@physik.uni-wuerzburg.de
Prof. Dr. Sven Höfling, Lehrstuhl für Technische Physik der JMU, T +49 931 31-83613, hoefling@physik.uni-wuerzburg.de
“Exciton-polariton topological insulator”, S. Klembt, T. H. Harder, O. A. Egorov, K. Winkler, R. Ge, M. A. Bandres, M. Emmerling, L. Worschech, T. C. H. Liew, M. Segev, C. Schneider & S. Höfling, Nature, 8. Oktober 2018, DOI 10.1038/s41586-018-0601-5
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