Zutrittskontrolle für Proteine

Künstlerische Darstellung der Vesikelbildung am trans-Golgi-Netzwerk (TGN). Am TGN (Landschaft) entstehen Transportvesikel (Heißluftballons) in denen sekretorische Proteine transportiert werden. © Mai Ly Tran (eingereicht bei Developmental Cell)

Um mit öffentlichen Transportmitteln reisen zu dürfen, müssen Passagiere ein gültiges Ticket vorweisen. Oftmals findet bereits vor der Abfahrt eine Kontrolle statt, so dass nur Passagiere mit Ticket an Bord gehen können.

Eine zentrale Transportrolle in Zellen höherer Lebewesen übernimmt das trans-Golgi-Netzwerk (TGN). Durch das TGN werden Proteine an ihren Bestimmungsort in der Zelle gebracht oder aus den Zellen ausgeschleust. Auch bei diesem Transportmittel findet eine „Zugangskontrolle“ statt, damit nur die korrekten Proteine in Transportvesikel – kleine membranumhüllte Bläschen – gepackt werden.

Zugangskontrolle im zellulären Frachtsystem

Für eine Gruppe von Proteinen, die in der Membran verankert sind, ist bekannt, dass sie ein Signalmotiv vorweisen können, das ihnen Zutritt zu den Vesikeln verschafft. Das TGN transportiert jedoch auch Proteine ohne solch ein Ticket und es ist unklar, wie deren Transport gesteuert wird. Viele Proteine kommen jedoch in hohen Konzentrationen oder sogar reiner Form in Vesikeln vor, so dass angenommen wird, dass es sich nicht um Schwarzfahrer oder willkürlich ausgewählte Fracht handelt.

Um zu untersuchen, wie solch ticketlose Proteine sich Zutritt zu den Transportvesikeln verschaffen, haben die Wissenschaftler ausgenutzt, dass im TGN nicht nur Proteine verschifft werden, sondern auch Fette. Darunter befindet sich das sogenannte Sphingomyelin, das im TGN hergestellt wird und dann über Vesikel in die Zellmembran transportiert wird.

Christopher Burds Gruppe in Yale hat in der Vergangenheit eine Methode entwickelt mit der sich Sphingomyelin-haltige Vesikel aufspüren und verfolgen lassen. Damit konnten die Forscher zeigen, dass es einen Sphingomyelin-abhängigen Pfad gibt, mit dem Proteine aus der Zelle geschleust werden.

Es war jedoch unbekannt, ob Sphingomyelin selbst für die Verpackung von Proteinen benötigt wird. Um dies aufzuklären, nutzten die Forscher in der aktuellen Studie einen proteomischen Ansatz – die Analyse der Gesamtheit aller Proteine.

„Wir haben sozusagen die Passagierlisten aller Sphingomyelin-haltigen Transportvesikel durchsucht. Dabei haben wir entdeckt, dass ein Protein namens Cab45 in allen Vesikeln saß,“ erklärt Mehrshad Pakdel, Erstautor der Studie und Doktorand am MPI für Biochemie. „Dies war jedoch nur der Fall, wenn Cab45 Kalzium gebunden hatte.“

Vorsortierung der Proteinfracht

In früheren Studien hat Julia von Blumes Gruppe am MPI für Biochemie bereits gezeigt, dass Cab45 sekretorische Proteine binden und so lokal deren Konzentration erhöhen kann.

Dies könnte der Schritt sein, der der Ticketkontrolle entspricht: „Dadurch werden nicht x-beliebige Proteine verpackt, sondern nur solche, die tatsächlich transportiert werden sollen. Die Proteine werden quasi vorsortiert“, erläutert Pakdel. Cab45 allein ist jedoch nicht ausreichend, sondern es wird zusätzlich eine Kalziumpumpe und die Produktion von Sphingomyelin benötigt. Über ein Nebenprodukt sorgt die Synthese des Lipids dafür, dass die TGN-Membran sich krümmt und Transportvesikel entstehen.

Die Forscher konnten zeigen, dass die Aktivität der Kalziumpumpe im TGN Cab45 aktiviert und dafür sorgt, dass ein zu transportierendes Protein sich lokal anreichert. Die Produktion des Sphingomyelins, das im TGN hergestellt wird und in der Vesikelmembran vorkommt, ist lokal an die beiden vorigen Prozesse gekoppelt. So sind alle Schritte von der „Ticketkontrolle“ der Proteine über die Entstehung der Membranbläschen bis zur Proteinverpackung in das Transportmittel miteinander verbunden.

„Unsere Studie zeigt, dass drei Komponenten notwendig sind, um Proteine in ihre Transportvesikel zu bringen: der Sortierer Cab45, eine Kalziumpumpe, die den Sortierer aktiviert, und das Lipid Sphingomyelin. Wenn eine der drei Komponenten ausfällt, gibt es zunächst einen Rückstau der zu transportierenden Proteine, die aber unspezifisch schließlich doch noch in Transportvesikel verpackt werden“, fasst Julia von Blume die Ergebnisse zusammen.

Sie hebt hervor, dass Fehlfunktionen des Golgi-Apparats mit einer Vielzahl von Störungen, wie etwa neurodegenerativen Erkrankungen, verbunden sind. „Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie Zellen ihr Frachtsystem kontrollieren und es schaffen, stets die richtigen Proteine zur richtigen Zeit ans richtige Ziel zu transportieren.“ [CW]

Über Julia von Blume
Julia von Blume studierte Biologie an der Universität Konstanz. Sie promovierte 2006 an der Universität Ulm. Als Postdoktorandin forschte von Blume an der University of California San Diego, USA, und am Center for Genomic Regulation in Barcelona. Seit 2012 ist sie Leiterin der unabhängigen Forschungsgruppe „Molekulare Grundlagen des Proteintransports“ am Max-Planck-Institut für Biochemie.

Über das Max-Planck-Institut für Biochemie
Das Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) in Martinsried bei München zählt zu den führenden internationalen Forschungseinrichtungen auf den Gebieten der Biochemie, Zell- und Strukturbiologie sowie der biomedizinischen Forschung und ist mit rund 35 wissenschaftlichen Abteilungen und Forschungsgruppen und ungefähr 800 Mitarbeitern eines der größten Institute der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. Das MPIB befindet sich auf dem Life-Science-Campus Martinsried in direkter Nachbarschaft zu dem Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Instituten der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB). http://biochem.mpg.de

Dr. Julia von Blume
Molekulare Grundlagen des Proteintransports
Max-Planck-Institut für Biochemie
Am Klopferspitz 18
82152 Martinsried
E-Mail: vonblume@biochem.mpg.de
http://www.biochem.mpg.de/en/rg/blume

Y. Deng*, M. Pakdel*, B. Blank, E.L. Sundberg, C.G. Burd, J. von Blume: Activity of the SPC1 calcium pump couples sphingomyelin synthesis to sorting of secretory proteins in the trans-Golgi network. Developmental Cell, November 2018 (*trugen zu gleichen Teilen bei)
https://doi.org/10.1016/j.devcel.2018.10.012

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Dr. Christiane Menzfeld Max-Planck-Institut für Biochemie

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