Weniger Sonnenschein trotz Klimaerwärmung?
In den letzten vier Jahrzehnten beobachten wir eine Abnahme der Sonnenstrahlung am Erdboden. Im Mittel hat die Einstrahlung um 1.3% pro Dekade abgenommen. Besonders stark ist die Abnahme über Landflächen. Trotzdem steigen die bodennahen Temperaturen weiter an. Ein Paradox?
Wissenschaftler vermuten, dass einerseits die Zunahme von Wasserdampf – eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf aufnehmen – und andrerseits die Zunahme von Aerosolpartikeln diese Abnahme der Sonnenstrahlung verursachen. Aerosole sind kleinste flüssige oder feste Partikel, die bei allen Verbrennungsprozessen (Holz, Kohle, Öl, Erdgas) entstehen. Aerosole streuen Sonnenstrahlung und dunkle Partikel wie z.B. Ruß absorbieren die Sonnenstrahlung auch. Aerosole spielen auch eine wichtige Rolle bei der Bildung von Wolken. So beobachtet man, dass Wasserwolken in verschmutzten Gebieten mehr und kleinere Wolkentropfen aufweisen als solche in sauberer Luft. Wolken mit mehr aber kleineren Tröpfchen sind heller und reflektieren mehr Sonnenstrahlung. Außerdem regnen kleine Tröpfchen weniger rasch aus und die Wolken leben länger. Beide Effekte führen zu verminderter Einstrahlung am Boden.
Um Licht in die sich verdunkelnde Sonne zu bringen, wurden von Wissenschaftlern am Max Planck Institut und Prof. Ulrike Lohmann von der Dalhousie Universität in Halifax, Kanada, eine Serie von Computersimulationen durchgeführt, die sowohl den Effekt von Treibhausgasen und Aerosolen getrennt als auch beide Effekte zusammen untersucht haben. Zum ersten Mal wurde bei diesen Simulationen auch der Effekt von Aerosolen auf Wolken explizit berücksichtigt.
Die Simulationen zeigen, dass zu ungefähr 25% die Treibhauserwärmung diese Abnahme der solaren Einstrahlung verursacht. Der Hauptschuldige ist aber das vom Menschen bei Verbrennungsprozessen produzierte Aerosol. Die Ergebnisse wurden kürzlich in den Geophysical Reserach Letters (Liepert, Feichter, Lohmann, Roeckner) und im Journal of Climate (Feichter; Roeckner, Lohmann, Liepert) veröffentlicht. Beate Liepert, eine Kollegin von der Columbia Universität in New York, beschäftigt sich schon lange mit beobachteten Änderungen der Strahlungs- und Wasserbilanz am Boden. Wir luden sie daher ein, für ein Jahr nach Hamburg zu kommen, um unsere Ergebnisse mit auszuwerten. Dr. Liepert konnte nicht nur das Paradox der Erwärmung bei geringerer Einstrahlung erklären, sie fand auch erhebliche Änderungen in der Energiebilanz des Bodens. So führt geringere Einstrahlung am Boden zusammen mit einer wärmeren Atmosphäre in verschmutzten Gebieten zu geringeren Wärme- und Feuchteflüssen und damit zu einer Abnahme der Verdunstung und des Niederschlags. Ein überraschendes Ergebnis, da man bisher annahm, dass in einem wärmeren Klima der Wasserkreislauf intensiviert wird. Eine Besprechung dieses Artikels in NATURE (P. Ball, 1. April 2004) führte unter der Schlagzeile „global dimming“ zu großem Medienecho in den Vereinigten Staaten. Eine Abnahme der Verdunstung wird in der Tat seit ca. 50 Jahren in weiten Gebieten der Nordhemisphäre beobachtet und geht einher mit einer Zunahme des Bodenwassergehalts.
Feichter et al. fanden, dass der Klimaeffekt von Aerosolen auch von der Menge an Treibhausgasen abhängt. Grund dafür ist, dass Aerosole durch Niederschlag aus der Atmosphäre ausgewaschen werden. Ändert sich das Klima, ändert sich auch die Menge, die Häufigkeit und die Verteilung des Niederschlags und damit die Menge an Aerosol in der Atmosphäre. Beunruhigenderweise schwächt sich der abkühlende Klimaeffekt von Aerosolen mit zunehmender Treibhauserwärmung ab, was zu noch raschrem Temperaturanstieg führen könnte.
Zitate:
Liepert B, Feichter J, Lohmann U, Roeckner E (2004): Can aerosols spin down
the water cycle in a warmer and moister world?
Geophysical Research Letters Vol. 31, No. 6, L06207
Feichter J, Roeckner E, Lohmann U., Liepert B (2004): Nonlinear aspects of
the climate response to greenhouse gas and aerosol forcing
Journal of Climate 17, No 12, 2384-2398.
Kontakt und Nachfragen:
Max-Planck-Institut für Meteorologie, Bundesstr. 53, 20146 Hamburg
Dr. Johann Feichter, e-mail: feichter@dkrz.de, Tel: 040 – 41173 – 317
Dr. Erich Roeckner, e-mail: roeckner@dkrz.de, Tel: 040 – 41173 – 368
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