Wirtschaftliche Prüfmethoden für XXL-Rotorblätter
Die reale Entwicklung hat die Vorstellungskraft der Fachleute überholt: Als das Fraunhofer IWES 2009 die erste Rotorblatt-Prüfhalle mit 70 Meter-Prüffeld in Bremerhaven in Betrieb nahm, betrug die maximale Länge eines Rotorblattes 62,5 Meter. 2011 kam eine zweite Halle dazu, in der Blätter bis 90 Meter Länge getestet werden können.
Inzwischen sind aber bereits Rotorblätter mit 100 Metern Länge in der Erprobung – sie können derzeit im Fraunhofer IWES nicht getestet werden. Dies soll sich in absehbarer Zeit ändern: Der Spatenstich für einen neuen Prüfstand ist Ende des Jahres geplant, betriebsbereit soll er im Jahr 2021 sein.
Ein 11×11 Meter großer Prüfblock, der bei Bedarf auch an künftig steigende Blattlängen anpassbar ist, wird das Herzstück dieser Einrichtung bilden. Darüber hinaus bietet der Prüfstand auch die Möglichkeit, Segment- und Komponententests durchzuführen – ein Novum in der Windindustrie.
Neben den hohen Lasten, die bei einer Ganzblattprüfung auftreten, ist auch die Prüfdauer bei sehr großen Blättern eine Herausforderung – diese ist jedoch nur indirekt durch die Größe bedingt.
Zudem können in der Ganzblattprüfung nicht alle Bereiche eines Rotorblattes detailliert untersucht und statistisch abgesichert abgebildet werden. Prüfvorrichtungen für Komponenten und -segmente können diese Lücke schließen. Durch den Einsatz neuer Methoden liefern sie detailliertere Aussagen zu kritischen Bereichen von Rotorblättern.
“Große, unabhängige Prüfstände sind ein wichtiger Baustein für unsere anstehenden Entwicklungen von Offshore-Windenergieanlagen der nächsten Generation. Neue Konzepte wie die experimentelle Prüfung von Komponenten und Segmenten sind daher extrem interessant für uns“, erklärt Flemming Kløcker Grove, Senior Project Manager bei MHI Vestas Offshore Wind.
Da die Untersuchung von Segmenten, z.B. der Hinterkante eines Blattes, kostengünstiger ist als eine Ganzblattprüfung, soll es für Hersteller zukünftig möglich sein, mehrere Versuche zu einem Bauteil durchzuführen und durch die höheren Stückzahlen statistisch relevantere Ergebnisse zu erzielen. Bestimmte Schadensmechanismen können bei diesen Untersuchungen gezielt ausgelöst und genau nachvollzogen werden.
„Es geht nicht nur darum, längere Blätter zu testen – wir wollen auch intelligenter testen und damit unsere Position als führendes Institut für Rotorblatttests ausbauen“, bringt Steffen Czichon, Leiter der Abteilung Rotorblatt, den Ansatz auf den Punkt.
Ziel des Projektes „Zukunftskonzept Betriebsfestigkeit Rotorblätter Phase II“ ist es sicherzustellen, dass eine experimentelle Prüfung sehr langer Rotorblätter für Hersteller auch weiterhin wirtschaftlich umsetzbar ist. Durch neue Prüfverfahren zur Untersuchung von Komponenten und Segmenten wird die Aussagekraft der Versuche wesentlich erhöht und ein genaueres Verständnis kritischer Bereiche erzielt. Somit lassen sich Rotorblätter zukünftig noch exakter auslegen – zudem gewicht- und kostensparend.
Zusammensetzung der Fördermittel im Projekt
„Zukunftskonzept Betriebsfestigkeit Rotorblätter Phase II“
Hallenbau: BMBF und Land Bremen/EFRE, 3,4 Mio. EUR
Prüfstandsbau: BMWi, 8 Mio. EUR
Arbeitspaket Methodenentwicklung: Land Bremen/EFRE, 253.000 EUR
Dipl.-Ing. Moritz Bätge, moritz.baetge@iwes.fraunhofer.de
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