Biomasse hat das Zeug zur neuen Nummer eins der Regenerativen
Studie des Öko-Instituts zeigt: Bis 2030 könnte Bioenergie 14 Prozent des deutschen Energiebedarfs liefern
Windräder und Solaranlagen – das hat oft im Kopf, wer an erneuerbare Energien denkt. Das größte Potenzial bietet aber ein anderer Energieträger: die Biomasse. Sie kann bis 2030 gut 14 Prozent des deutschen Energiebedarfs decken, so viel wie Braun- und Steinkohle zusammen. Und: Klima- und Naturschutz sind dabei keine unvereinbaren Ziele. Zudem hat die Förderung erneuerbarer Energien sehr positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Es könnten bis 2030 netto über 200 000 Jobs geschaffen werden. Vor allem für den strukturschwachen ländlichen Raum bestehen hier große Chancen, mit der Bereitstellung von Bioenergie neue Beschäftigungsfelder zu erschließen. Das sind die zentralen Ergebnisse eines vom Bundesumweltministerium geförderten und vom Öko-Institut e.V. geleiteten Projektes. Die neue Studie betrachtet Chancen und Potenziale der Biomasse und ist jetzt, rechtzeitig vor der Internationalen Konferenz für Erneuerbare Energien, abgeschlossen worden.
„Mit dem Forschungsvorhaben sollte eine nachhaltige Perspektive für eine lange bekannte, aber wenig beachtete Energieform erarbeitet werden“, sagt Projektleiter Uwe R. Fritsche, Koordinator des Forschungsbereichs Energie & Klimaschutz im Darmstädter Büro des Öko-Instituts. Sein Forschungsteam hat dazu Stoffstromanalysen vorgenommen, eine öffentlich zugängliche Technologie-Datenbank erstellt, Zukunftsszenarien entwickelt und politische Empfehlungen formuliert. „Wir zeigen, dass Bioenergie künftig die Nummer eins der Regenerativen werden kann“, sagt Fritsche. Dabei bringt Biomasse aus Abfällen und Reststoffen künftig etwa genauso viel Energie wie der nachhaltige Energiepflanzenanbau.
Eine zentrale Aufgabe des Projekts war der Entwurf von Zukunftsszenarien. Was kann Bioenergie unter verschiedenen Rahmenbedingungen leisten? Erstmals wurde eine integrierte Analyse der Entwicklungen in Forst- und Land- sowie Abfallwirtschaft unter dem Blickwinkel Nachhaltigkeit vorgenommen. Als Vergleich diente ein Referenzszenario, das heutige Trends fortschreibt. Die Empfehlungen der ExpertInnen mündeten in ein Nachhaltigkeitsszenario, das möglichst viel Bioenergie berücksichtigt, gleichzeitig aber einen starken Umwelt- und Naturschutz sowie viel Beschäftigung erlaubt. „Ein wesentliches Ergebnis ist, dass Klimaschutz sowie Natur- und Landschaftsschutz durch die Nutzung von Bioenergie gleichzeitig erreicht werden können und es sogar Synergien gibt“, stellt Projektleiter Fritsche fest.
Das Forschungsprojekt zeigt: Werden die Potenziale an Rest- und Abfallstoffen sowie die Flächen zum Anbau von Energiepflanzen konsequent genutzt, so können bis 2030 16 Prozent des Stroms, zehn Prozent der Wärme und gut 15 Prozent des Treibstoffs für Autos aus Biomasse erzeugt werden. Damit lässt sich der Ausstoß an Treibhausgasen um gut 65 Prozent vermindern. Dabei werden gleichzeitig hohe Anforderungen an den Umwelt- und Naturschutz gestellt.
Außer den jetzt vorliegenden Ergebnissen steht für Politik, Forschung und andere Akteure ein EDV-Werkzeug zur Verfügung, das die Entwicklung solcher Strategien unterstützt (www.oeko.de/service/bio).
Voraussetzung für die Szenarien ist eine aktive Biomassepolitik. Die Projektpartner formulierten dazu eine Reihe von Empfehlungen. Die gerade vom Bundestag beschlossene Novelle zum Gesetz über erneuerbare Energien beinhaltet bereits notwendige Korrekturen, etwa bei der Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung und innovativen Technologien – in seine Ausformulierung flossen bereits Ergebnisse des Projekts ein.
Als einen befristeten Einstieg in das Biomasse-Zeitalter empfehlen die Projektpartner die Mitverbrennung in bestehenden Kohleheizkraftwerken. Stroh und Holzhackschnitzel ersetzen dort einen Teil der Kohle, und das neue Instrument des Emissionshandels macht die damit erzielbare CO2-Einsparung auch finanziell interessant. Dies ist allerdings nur eine Übergangslösung: „Langfristig empfehlen wir den Aufbau einer dezentralen Energieversorgung für den Biomasseeinsatz“, sagt Uwe Fritsche. „Nur so können eine nachhaltige Klimapolitik erreicht und die gewünschten Beschäftigungsimpulse ausgelöst werden.“
Im vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt „Stoffstromanalyse zur nachhaltigen energetischen Nutzung von Biomasse“ arbeiteten das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits-, Energietechnik (UMSICHT), das Institut für Energetik und Umwelt, Leipzig (IE), das Institut für Energie- und Umweltforschung, Heidelberg (IFEU), das Institut für ZukunftsEnergieSysteme, Saarbrücken (IZES), die TU Braunschweig – Institut für Geoökologie, die TU München – Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Landbaus und die TU Berlin – Institut für Landschafts- und Umweltplanung unter Leitung des Öko-Instituts als wissenschaftliche Projektpartner zusammen.
Die Projektergebnisse liefert die Broschüre „Bioenergie – Nachwuchs für Deutschland“, die unter www.oeko.de/service/bio/dateien/de/bioenergie_broschuere5_2004.pdf kostenlos heruntergeladen werden kann. Dort ist auch der vollständige Endbericht veröffentlicht. In der gedruckten Version ist die Broschüre über das BMU (E-Mail an service@bmu.bund.de) erhältlich.
AnsprechpartnerInnen:
Uwe R. Fritsche, Koordinator Bereich Energie & Klimaschutz
Öko-Institut Darmstadt
Tel.: 06151/81 91-24
E-Mail: u.fritsche@oeko.de
Kirsten Wiegmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin Energie & Klimaschutz
Öko-Institut Darmstadt
Tel.: 06151/ 81 91-37
E-Mail: k.wiegmann@oeko.de
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