Nilpferde, die tierischen Siliziumpumpen

Nilpferde, die den Tag gemeinsam in einem ruhigen Abschnitt des Mara River in Kenia verbringen. Jonas Schoelynck

Wild lebende Nilpferde haben einen einzigartigen Lebensstil: Nachts fressen sie Dutzende Kilogramm frischen Grases in den Savannen. Die Tage verbringen sie zumeist gemeinsam entspannt in Flussläufen oder Seen, weit weg von Feinden und geschützt vor der brennenden Sonne. Während des Faulenzens im Wasser wird allerdings ihre Verdauung aktiv. So gelangen ganz enorme Mengen an Nilpferdgülle in die Gewässer.

„Nilpferde unterscheiden sich da von anderen Großweidern in der Savanne“, erklärt der Biologe Jonas Schoelynck von der Universität Antwerpen, der Erstautor der Studie. „Die Nährstoffe in der Gülle der meisten Weidegänger landen größtenteils wieder in der Savanne, wo sie von den Pflanzen erneut aufgenommen werden. Bei Nilpferden ist dies nicht der Fall:

Sie fungieren als eine Art Nährstoffpumpe vom Land in die Flüssen und Seen.“ In der nun veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden um Schoelynck und Frings, dass diese Pumpenfunktion für das Leben im Wasser von entscheidender Bedeutung sein kann. Die Ergebnisse stammen aus einer Expedition zum knapp vierhundert Kilometer langen Mara River im Masaai Mara Nature Reserve in Kenia.

Nilpferd-Exkremente im Labor untersucht

„Das Gras, das die Nilpferde fressen, enthält Silizium“, erklärt Jonas Schoelynck. „Die Gräser nehmen dieses Silizium aus dem Grundwasser auf. Es gibt ihnen die nötige Festigkeit, schützt sie vor Krankheiten und in begrenztem Maße vor der Beweidung durch Kleintiere.“ Patrick Frings aus der Sektion Geochemie der Erdoberfläche des GFZ hat im Labor die Isotopenzusammensetzung des Siliziums in Proben von Pflanzen, Wasser und Nilpferd-Exkrementen analysiert. Diese liefert eine Art chemischen Fingerabdruck einer Stoffprobe. „Mithilfe der Isotopenanalyse konnten wir den Transportweg des Siliziums rekonstruieren“, erklärt Frings.

Die Forschenden konnten zeigen, dass das Silizium zu einem großen Teil durch (sic!) die Nilpferde in den Mara River gelangte. In dem untersuchten Gebiet im Südwesten Kenias nahmen die grasenden Tiere über die von Ihnen vertilgten Pflanzen täglich insgesamt 800 Kilogramm an Silizium auf.

Davon landeten täglich 400 Kilogramm über die Ausscheidung mit dem Nilpferdkot im Wasser. Der Beitrag der Nilpferde hat durch verschiedene ökologische Mechanismen Einfluss auf über 76 Prozent des entlang des Mara River transportierten Siliziums, zeigen Berechnungen der Forschenden. Nilpferde sind demnach ein Schlüsselfaktor im biogeochemischen Silizium-Kreislauf bestimmter Gebiete.

„Unsere Ergebnisse sind völlig neuartig“, sagt Patrick Frings vom GFZ. „Bisher ging man nicht davon aus, dass weidende Wildtiere einen solchen Einfluss auf den Silizium-Transport vom Land in Seen haben könnten. Dieser Prozess ist für das gesamte Land-Wasser-Ökosystem von entscheidender Bedeutung. In der Vergangenheit wurde er aber einfach übersehen.“

Eine Welt ohne Nilpferde

Für bestimmte Organismen wie etwa Kieselalgen sei das Silizium lebensnotwendig, so die Forschenden. Diese einzelligen Algen leben im Wasser, produzieren Sauerstoff und bilden in vielen meisten Wasserökosystemen die Grundlage der Nahrungskette. Im Falle eines Siliziummangels könne die Kieselalgenpopulation zusammenbrechen, mit schädlichen Folgen für das gesamte Nahrungsnetz im betroffenen See oder Fluss.

Die Anzahl der Nilpferde in Afrika sei in den vergangenen Jahren durch Jagd und Verlust von Lebensräumen drastisch zurück und ihre Funktion als tierische Siliziumpumpen damit zum Teil verloren gegangen. Afrikaweit seien in den vergangenen Jahrzehnten bis zu neunzig Prozent der Nilpferde ausgestorben.

„Der Viktoriasee, in den der Mara River mündet, kann mit seiner aktuellen Siliziumversorgung zwar noch mehrere Jahrzehnte überdauern“, sagt Jonas Schoelynck. „Aber auf lange Sicht gibt es wahrscheinlich ein Problem. Wenn die Kieselalgen nicht genügend Silizium bekommen, werden sie durch Schädlingsalgen ersetzt, die alle möglichen unangenehmen Folgen haben, wie etwa Sauerstoffmangel und ein damit verbundenes Fischsterben. Und das Fischen ist eine wichtige Nahrungsquelle für die Menschen am Viktoriasee.“

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Patrick Frings
Sektion Geochemie der Erdoberfläche
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Tel.: +49 331 288-28805
E-Mail: patrick.frings@gfz-potsdam.de

Originalstudie: Schoelynck, J., Subalusky, A.L., Struyf, E., Dutton, C.L., Unzué-Belmonte, D., Van de Vijver, B., Post, D.M., Rosi, E.J., Meire, P., Frings, P., 2019. Hippos (Hippopotamus amphibius): The animal silicon pump. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.aav0395 https://doi.org/10.1126/sciadv.aav0395

Media Contact

Josef Zens Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

Weitere Informationen:

http://www.gfz-potsdam.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz

Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.

Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Lichtmikroskopie: Computermodell ermöglicht bessere Bilder

Neue Deep-Learning-Architektur sorgt für höhere Effizienz. Die Lichtmikroskopie ist ein unverzichtbares Werkzeug zur Untersuchung unterschiedlichster Proben. Details werden dabei erst mit Hilfe der computergestützten Bildverarbeitung sichtbar. Obwohl bereits enorme Fortschritte…

Neue Maßstäbe in der Filtertechnik

Aerosolabscheider „MiniMax“ überzeugt mit herausragender Leistung und Effizienz. Angesichts wachsender gesetzlicher und industrieller Anforderungen ist die Entwicklung effizienter Abgasreinigungstechnologien sehr wichtig. Besonders in technischen Prozessen steigt der Bedarf an innovativen…

SpecPlate: Besserer Standard für die Laboranalytik

Mehr Effizienz, Tempo und Präzision bei Laboranalysen sowie ein drastisch reduzierter Materialverbrauch: Mit der SpecPlate ersetzt das Spin-off PHABIOC aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durch innovatives Design gleich…