BAM und Fraunhofer LBF entwickeln schnelleres Verfahren für flammgeschützte Kunststoffe
Viele moderne Kunststoffmaterialien kommen heute nicht ohne einen additiven Flammschutz aus. Bei der Neuentwicklung solcher Kunststoffzusammensetzungen gilt es, eine optimale Kombination aus Flammschutz, Verarbeitungsfähigkeit und mechanischen Kennwerten zu erreichen.
Wie sich dieses Ziel schneller umsetzen lässt, das haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF gezeigt.
Dabei schlagen die Forscher sowohl beschleunigte Verfahren in der Verarbeitung als auch bei der Charakterisierung des Brandverhaltens vor. Die umfangreichen Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojekts „Schnelle Entwicklung von flammgeschützten Formulierungen für thermoplastische Polyurethane“ haben wertvolle Daten generiert, die insbesondere mittelständische Unternehmen in Zukunft für die Optimierung ihrer bereits vorhandenen oder für die Entwicklung neuer flammgeschützter Formulierungen nutzen können. Die Ergebnisse des Projekts tragen so zu sicheren Produkten am Markt bei.
Die zunehmende Elektrifizierung der Mobilität sowie die Digitalisierung von Alltagsgegenständen werden zu einem größeren Bedarf an spezialisierten Materialien führen. Thermoplastische Polyurethane (TPU) als Hochleistungswerkstoffe gehören zu diesen Materialien der Zukunft. Der Markt für sie hat bereits jetzt einen Wert von 1,5 Milliarden Euro, und bis zum Jahr 2025 erwarten Experten ein jährliches Wachstum von 5,3 Prozent.
Neben den hervorragenden Eigenschaften wie Dämpfungsvermögen, Kälteflexibilität, chemische Beständigkeit, Verschleiß- und Abriebfestigkeit zeigen diese Polymertypen aber auch eine thermische Instabilität und eine leichte Entflammbarkeit, was die Entwicklung von entsprechenden flammgeschützten Materialien besonders anspruchsvoll macht.
Zugleich ist bei der Verarbeitung von TPU zu beobachten, dass es zu einer hohen Scherempfindlichkeit, und daraus resultierend, zu einem Aufbau von Scherspannung kommt, die eine gleichmäßige Dispersion des Flammschutzmittels erschwert. Die Entwicklung von flammgeschützten TPU-Formulierungen ist daher anspruchsvoll und kostenintensiv.
Um die Industrie bei diesen Herausforderungen zu unterstützen, haben Wissenschaftler der beiden Institute im Rahmen des Vorhabens „Schnelle Entwicklung von flammgeschützten Formulierungen für thermoplastische Polyurethane“ kooperiert. Es zählt zum Programm „Industrielle Gemeinschaftsförderung und -entwicklung“ (IGF) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Mit dem so genannten „Combinatorial Compounding“/„High Throughput Screening“ (CC/HTS)-System strebten die Forscher eine aussagefähige Charakterisierung der hergestellten flammgeschützten TPU-Formulierungen an. Die Compound-Entwicklung wurde dadurch deutlich beschleunigt und zugleich ressourcenschonender.
Es wurden dazu flammgeschützte Compounds mit verschiedenen Formulierungen für drei TPU-Basismaterialien mit unterschiedlicher Shore-Härte hergestellt. Als Ziel wurde ein Lastenheft festgelegt, in welchem die zu erhaltenden Materialeigenschaften definiert wurden. Der Schwerpunkt lag dabei auf den mechanischen Kennwerten, welche durch die Zugabe an Flammschutzmitteln so gewählt wurden, dass der Einfluss auf die mechanischen Kennwerte so wenig wie möglich verändert werden sollte.
Als schnelles Analytikverfahren für das Brandverhalten wurde das Rapid-Mass-Kalorimeter getestet und alle Ergebnisse mit den entsprechenden Messungen im Cone-Kalorimeter detailliert verglichen. Begleitende Untersuchung war die Pyrolyse mit thermoanalytischen Methoden, wie der Thermogravimetrie gekoppelt mit der Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer Pyrolysegasanalyse und der Pyrolyse-Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung.
Es konnte so gezeigt werden, dass das Rapid-Mass-Kalorimeter geeignet ist, den erreichten Flammschutz jeglicher flammgeschützter TPU zu bewerten. Die verschiedenen TPU-Typen zeigten nur wenige, aber dafür signifikante Unterschiede, z.B. im Massenverlust der einzelnen Abbaustufen der Pyrolyse und in der Mechanik.
Einige Formulierungen mit stickstoffbasierten Flammschutzmitteln zeigten Mechaniken im Bereich des Reinmaterials. Manche erwiesen sich aber hinsichtlich Brandverhalten und Flammschutz als überraschend ähnlich. Vergleiche innerhalb von Materialsets, die auf den gleichen Flammschutzkonzepten, sprich Wirkprinzipien basieren, ergaben exzellente Korrelationen.
Die gewonnenen Erkenntnisse können nun von Unternehmen direkt bei der Entwicklung von flammgeschützten Formulierungen für TPU genutzt werden. Der Einsatz von halogenfreien Flammschutzmitteln im Rahmen des Forschungsvorhabens zeigte zudem Synergien bei verschiedenen Flammschutzmitteln auf, womit die Entwicklung in den Unternehmen in diesem Wachstumsmarkt vereinfacht wird. Die beiden Forschungsinstitute stehen auch über das konkrete Projekt hinaus der Industrie mit ihrer breiten Expertise als Partner im Bereich flammgeschützte Kunststoffe zur Verfügung.
Kontakt:
Venio Quinque, M.A., LL.M./LL.B.
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