Hochgespannt, symmetrisch, neu – Tetravinylallen, eine kleine, aber nützliche chemische Substanz, erstmals hergestellt

Forscher haben erstmals Tetravinylallen synthetisiert. Dieses soll helfen, komplexe molekulare Gerüste schneller und umweltfreundlicher aufzubauen als mit herkömmliche Verfahren. (c) Wiley-VCH

Tetravinylallen ist ein sehr ungewöhnliches Molekül, weil es so stark ungesättigt ist. Zwei Kohlenstoffatome in einem Molekül haben drei Bindungsmöglichkeiten, um sich miteinander zu verknüpfen: Einfach-, Doppel- und Dreifachbindung. Alles, was keine Einfachbindung ist, gilt als „ungesättigt“ (ungesättigte Fettsäuren enthalten zum Beispiel anstelle von Einfachbindungen eine oder mehrere Doppelbindungen).

Abwechselnde Doppel- und Einfachbindungen machen Moleküle stabiler und weniger reaktiv. Zwei Doppelbindungen in Folge bedeuten dagegen Hochspannung für die Elektronenkonfiguration; das Molekül wird sehr reaktiv.

Cecile Elgindy, die an der Australian National University in Canberra (Australien) bei Michael S. Sherburn ihre Doktorarbeit anfertigt, hat nun zum ersten Mal die extrem ungesättigte Substanz Tetravinylallen hergestellt. Bei diesem Molekül flankieren je zwei Einheiten aus einer Einfach- und einer Doppelbindung zwei zentrale, benachbarte und deswegen hochgespannte Doppelbindungen.

Tetravinylallen ist nicht nur elektronisch hochgespannt, sondern auch sehr symmetrisch. Beide Merkmale faszinieren die Chemiker, denn diese Verteilung von Doppelbindungen und die Reaktivität machen mehrere Reaktionen in einem Schritt möglich. Hochkomplexe Moleküle könnten deutlich schneller und unter geringerem Chemikalienverbrauch aufgebaut werden als üblich. Es gibt bereits ähnliche Moleküle wie Tetravinylallen, aber diese sind kleiner und weniger symmetrisch.

Tetravinylallen herzustellen war keineswegs einfach, schreiben die Autoren. Letztlich gelang es ihnen in fünf Reaktionsschritten, bei denen sie vier kleinere Moleküle aneinanderhängten. Die Wissenschaftler stellten auch Derivate von Tetravinylallen her, also leicht veränderte Varianten.

Solche Derivate könnten leichter oder schwerer als der Originalstoff reagieren. Um zu zeigen, was mit Tetravinylallen alles möglich ist, setzten die Forscher die Verbindung zu einer Art Steroid mit recht kompliziertem molekularen Gerüst um. Nur ein Reaktionspartner war nötig, alle Reaktionen konnten über die Bedingungen im Reaktionsgefäß wie Wärme und Lösungsmittel gesteuert werden.

Tetravinylallen reiht sich eine bekannte Gruppe von mit Doppelbindungen vollgepackten Kohlenwasserstoffen ein, hat aber als Besonderheit eine hohe Symmetrie. Synthetiker suchen stets nach neuen Wegen, um Naturstoffe und Arzneimittel besser und eleganter herzustellen. Hier könnte Tetravinylallen nützlich sein – oder einfach die reine chemische Grundlagenforschung an interessanten Molekülen inspirieren.

Angewandte Chemie: Presseinfo 25/2019

Autor: Michael Sherburn, Australian National University (Australien), https://sherburngroup.org/

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany

https://doi.org/10.1002/ange.201908496

http://presse.angewandte.de

Media Contact

Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

Weitere Informationen:

https://www.gdch.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…