Neue Wege im Kampf gegen die Parkinson-Krankheit: HZDR-Forscher entwickeln Radiotracer für die Differentialdiagnostik

An einem automatisierten Synthesemodul bereiten Dr. Rodrigo Teodoro (links) und Dr. Thu Hang Lai von der HZDR-Abteilung „Neuroradiopharmaka“ das Ausgangsmaterial für den neuen Radiotracer vor. HZDR / B. Tiedemann

Ausgangspunkt für die preisgekrönte Entwicklung war ein Forschungsprojekt, das die Arbeitsgruppe der HZDR-Abteilung „Neuroradiopharmaka“ am Standort Leipzig gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, der TU Dresden und der Firma ROTOP Pharmaka im Jahr 2016 startete.

Ziel des auf drei Jahre angelegten Projekts: Wie lässt sich die Differentialdiagnostik der Parkinson-Krankheit mit nuklearmedizinischen Methoden verbessern? Bislang haben sich Mediziner bei der Diagnose bevorzugt auf Symptome, etwa bestimmte Bewegungsauffälligkeiten, verlassen.

Die klassische Therapie der Parkinson-Krankheit basiert auf der Gabe von Levodopa. Der Wirkstoff hat jedoch, besonders bei langjähriger Anwendung, deutliche Nebenwirkungen. „Für die Differentialdiagnostik, um also für die Nebenwirkungen empfindliche Patienten frühzeitig zu erkennen, gibt es aber noch keine geeignete Methode“, erklärt die Chemikerin Thu Hang Lai.

Ins Visier nahmen die Forscher die Rezeptoren von Adenosin, die neben anderen auf den Nervenbahnen des Gehirns vorhanden sind. Adenosin, das in seiner Struktur dem Koffein ähnelt, entsteht im Körper und in Nervenzellen als Botenstoff.

Radiotracer dockt an Adenosin-Rezeptoren im Gehirn an

Setzt es sich auf bestimmte Rezeptoren, führt es dazu, dass diese Nervenzellen langsamer arbeiten – darunter auch solche, die für die Parkinson-Krankheit bedeutsam sind. Der Ansatz des Preisträgerteams war es deshalb, Radiotracer, also schwach radioaktiv markierte Substanzen, zu entwickeln, die im Gehirn an jene Rezeptoren andocken und damit deren Verfügbarkeit zum Beispiel für Therapiemaßnahmen anzeigen.

An den Stellen des Gehirns, an denen eine erhöhte Radioaktivität gemessen wird, müssen also besonders viele Rezeptoren vorhanden sein. Der Nachweis erfolgt mit höchster Empfindlichkeit über eine Bildgebung mittels der Positronen-Emissions-Tomographie (PET).

Den Forschern gelang es nun in einer außergewöhnlich kurzen Zeit, einen stabilen Radiotracer namens [18F]FLUDA zu entwickeln, der sich, ohne dass er auf dem Weg ins Gehirn einem Abbau unterliegt, an die Adenosin-Rezeptoren anlagert und dort nachweisen lässt. Nach Untersuchungen im Reagenzglas hat die Biologin Magali Toussaint den Radiotracer erfolgreich im Mausmodell getestet.

Anschließend bewährte er sich auch in Dosimetrie- und Strahlenschutzstudien, die die Forscher zusammen mit der Klinik für Nuklearmedizin der Universität Leipzig durchführten, sowie in einer Toxizitätsstudie. „Mit einem entsprechenden, beim Menschen einsetzbaren Radiopharmakon hoffen wir, künftig die korrekte Differentialdiagnose stellen und damit zwischen für Nebenwirkungen empfindlichen und unempfindlichen Parkinson-Patienten unterscheiden zu können“, gibt Rodrigo Teodoro, der im Team für die radioaktive Markierung verantwortlich ist, einen Ausblick.

Bis ein mögliches Medikament in die Kliniken kommt, dürften allerdings noch ein paar Jahre vergehen, schränkt der Chemiker ein. Denn die nächste Herausforderung wartet bereits auf das Team. Die Forscher wollen nun für das Radiopharmakon, für das sie ein Patent angemeldet haben, klinische Studien anschieben, in denen ihre Erfindung an Patienten und gesunden Probanden untersucht wird. Diese sind Voraussetzung für eine mögliche Arzneimittelzulassung. Derzeit sind sie noch auf der Suche nach einem klinischen Partner, um die Wirksamkeit und die Sicherheit zu validieren.

Hintergrund: Der HZDR-Innovationswettbewerb
„Das ist ein sehr dynamisches Team, das begeistert seine Idee präsentiert hat und bisher sehr konsequent und fokussiert seinen Weg in der Produktentwicklung gegangen ist“, begründete die Jury den Sieg für die Leipziger Wissenschaftler beim Innovationswettbewerb. Das HZDR lädt seine Forscherinnen und Forscher jedes Jahr zu dem Wettbewerb ein. Es will damit den Transfer von Technologien in die Wirtschaft und Gesellschaft stärken.

Die ersten drei Plätze erhalten Geldpreise. In diesem Jahr belegten hinter dem Team von Peter Brust Stefan Findeisen von der Zentralabteilung Forschungstechnik und Dr. Hannes Kühne vom Hochfeld-Magnetlabor Dresden den zweiten Platz für ihren Beitrag „2-Achs-Rotator für extreme Probenumgebungen“. Platz drei ging an Dr. Constantin Mamat, David Bauer und Falco Reissig für das Thema „Neue Carriersysteme für Radium und Barium zum Einsatz in der radiopharmazeutischen Krebsforschung“.

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