Fraunhofer und IBM bringen Quantenrechner für Industrie und Forschung nach Deutschland

2021 wird ein solcher IBM Q System One Quantencomputer in einem Rechenzentrum von IBM Deutschland bei Stuttgart installiert. © IBM

Im Rahmen der Zusammenarbeit wird ein IBM Q System One Quantencomputer in einem Rechenzentrum von IBM Deutschland bei Stuttgart installiert. Das System soll zu Jahresbeginn 2021 in Betrieb gehen und wird das erste seiner Art in Europa sein.

Fraunhofer plant, etablierte Partner aus Forschung und Industrie unter dem Dach einer Forschungsinfrastruktur von Fraunhofer-Instituten zusammenzubringen, die als Kompetenzzentren in einem zentral koordinierten nationalen Fraunhofer-Kompetenznetzwerk für Quantencomputing zusammenarbeiten.

Dieses hat sich die Weiterentwicklung und den Transfer anwendungsorientierter Quantencomputerstrategien unter vollständiger Datenhoheit nach europäischem Recht zum Ziel gesetzt und wird zunächst mit Kompetenzzentren in voraussichtlich sechs Bundesländern vertreten sein – Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Aktuell sind über zehn Fraunhofer-Institute auf verschiedenen Feldern der Quantentechnologie aktiv.

Bereits zum 1. April 2020 erhalten interessierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen durch die Fraunhofer-Gesellschaft über die Cloud Zugriff auf die weltweit größte Gruppe von IBM Quantenrechnern, die derzeit 15 Systeme umfasst und im US-Bundesstaat New York installiert ist. IBM bietet im Rahmen der getroffenen Vereinbarung Fraunhofer zudem technische Unterstützung und Hilfe bei der Nutzung des IBM Q Systems.

Wegweisende Initiative zum angewandten Quantencomputing

Die Unterzeichnung der Kooperation folgt der gemeinsamen Ankündigung aus dem September 2019, eine wegweisende Initiative zum angewandten Quantencomputing für deutsche Forschungseinrichtungen und Unternehmen aller Größenordnungen zu realisieren.

Dabei unterstützen die Kooperationspartner das Ziel der deutschen Bundesregierung, die Quantentechnologie von der Grundlagenforschung hin zu marktfähigen Anwendungen zu entwickeln. Dafür investiert diese in den kommenden zwei Jahren beinahe eine Milliarde Euro. Entsprechende Forschungsinfrastrukturen sollen die Weiterentwicklung und Verbreitung der Quantencomputer-Technologie in Deutschland strategisch fördern. Die größten finanziellen Anteile steuern aktuell die beteiligten Länder Baden-Württemberg und Bayern bei.

»Eine zentrale Forschungsfrage ist, welche konkreten Anwendungsszenarien sich für die Berechnung mit einem Quantencomputer eignen, wie sich Algorithmen dafür entwickeln und in einfache Applikationen übersetzen lassen.

Quantencomputing hat das Potenzial, die komplexen Systeme in Wirtschaft und Industrie zu analysieren, molekulare und chemische Wechselwirkungen zu entflechten, komplizierte Optimierungsprobleme zu bewältigen und Künstliche Intelligenz deutlich leistungsfähiger zu machen«, erklärt Fraunhofer-Präsident Prof. Reimund Neugebauer.

»Solche Fortschritte könnten die Tür zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und enormen Verbesserungen zum Beispiel bei Lieferketten, der Logistik und der Modellierung von Finanzdaten sowie Problemen aus den klassischen Ingenieurswissenschaften öffnen.«

»Im Rahmen unserer Kooperation wird die Fraunhofer-Gesellschaft ein wichtiges, europäisches Mitglied des weltweiten IBM Q Network, einem Zusammenschluss von über 100 Unternehmen, Start-ups, akademischen Einrichtungen und Forschungslaboren, die daran arbeiten, Quantencomputing voranzubringen und dessen praktische Anwendungen in Wirtschaft und Wissenschaft zu erforschen,« erläutert Gregor Pillen, General Manager IBM DACH.

»Bereits in Kürze können interessierte Konzerne, Mittelständler und Forschungseinrichtungen über das Fraunhofer-Kompetenznetzwerk Zugriff zu Quantentechnologie bekommen, bevor dann der Quantencomputer aus unserem Rechenzentrum ans Netz geht.«

»Heute ist eine lang ersehnte Vision Wirklichkeit geworden. Diese Vereinbarung eröffnet Europa eine weitere Chance, bei der Weiterentwicklung einer vielversprechenden Technologie eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Und Deutschland spielt hier durch die geplante Zusammenarbeit eines breit angelegten Ökosystems aus wissenschaftlichen, öffentlichen und privaten Institutionen eine führende Rolle. Es geht darum, die Zukunft unserer europäischen Gesellschaft mitzugestalten, indem komplexe Probleme wie der Klimawandel und Gesundheitsfragen mit Hilfe von Quantencomputing angegangen werden. Ein denkwürdiger Meilenstein für unsere Region«, sagt Martin Jetter, Senior Vice President & Chairman IBM Europa.

»Der Aufbau des ersten physischen Quantencomputers auf europäischem Boden ist ein starkes Signal für den Forschungsstandort Deutschland. Für die weitere Förderung eines international sichtbaren Ökosystems im Bereich der Quantentechnologien ist dieser Schritt von großer Bedeutung«, sagt Dr. Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramtes.

»Der Quantencomputer ist für unser Land ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die entscheidenden Zukunftstechnologien frühzeitig und erfolgreich mitzuprägen. Deutschland im Allgemeinen und Baden-Württemberg im Besonderen werden mit dem heutigen Tag zum Zentrum der Quantentechnologie in Europa. Damit erschließen wir unserer Wirtschaft und unserer Wissenschaft in den Bereichen Mobilität, Maschinenbau, Medien, Medizin sowie im Finanz- und Energiesektor ein riesiges Forschungs- und Experimentierfeld. Als Ministerpräsident freue ich mich natürlich sehr, wenn solche wegweisenden Standortentscheidungen in diesen Zukunftstechnologien zu Gunsten Baden-Württembergs ausgehen«, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger: »Quantencomputing bietet enormes Potenzial für viele Anwendungsfelder, zum Beispiel in der Logistik, bei der Erforschung neuer Materialien, für Künstliche Intelligenz und IT-Sicherheit.« Bayern werde sich deshalb mit einem leistungsstarken Kompetenzzentrum unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC in Garching an dieser Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft beteiligen. Ein Schwerpunkt wird dabei das Zusammenspiel von Quantencomputing und IT-Sicherheit sein. Aiwanger weiter: »Wir wollen das Quantencomputing als neue Schlüsseltechnologie noch weiter für unsere Unternehmen erschließen.«

Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut sagt: »Der Aufbau des Quantencomputers in Baden-Württemberg ist ein großartiger Erfolg und eine enorme Chance für Wirtschaft und Wissenschaft in unserem Land. Als Land der Hidden Champions und führende Innovationsregion in Europa bieten wir ideale Voraussetzungen – und eine Vielzahl an Anwendungsgebieten, für die das Quantencomputing in der Praxis nützlich werden wird. Die enorme Rechenleistung eröffnet völlig neue Möglichkeiten, um wesentliche wirtschaftsrelevante Fragestellungen künftig in kürzester Zeit anstatt in Jahren zu lösen. Als Landesregierung stellen wir daher 40 Millionen Euro bereit, um gemeinsam mit IBM und der Fraunhofer-Gesellschaft frühzeitig die nötigen Fachkompetenzen in der Industrie aufzubauen. Die Einrichtung des Kompetenzzentrums in Baden-Württemberg ist ein wichtiger Schritt, damit wir die Chancen des Quantencomputings in Zukunft optimal nutzen können.«

Das System IBM Q System One

Das IBM Q System One ist dahingehend optimiert, die Qualität, Stabilität, Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit von Multi-Qubit-Anwendungen sicherzustellen. Aufgrund dieser Faktoren und des daraus resultierenden hohen Quantum Volumes (eine Maßzahl für die Leistungsfähigkeit eines Quantenrechners) ermöglicht das IBM Q System One modernste Forschungsarbeiten für konkrete Anwendungsszenarien in Wissenschaft und Industrie. IBM stellt bereits seit 2016 Quantencomputer über die Cloud für jedermann kostenlos zur Verfügung. Stand heute haben mehr als 200 000 Nutzer bereits die Möglichkeit genutzt, auf speziellen Algorithmen basierte Signale an die Rechner zu schicken. Die entsprechende Software namens Qiskit wurde mehr als 300 000-mal heruntergeladen und über 200 wissenschaftliche Arbeiten zu Experimenten wurden auf der Plattform veröffentlicht.

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