Spintronik: Chemiker und Physiker suchen nach neuen Materialien für die Informationstechnologie
Spin des Elektrons soll genutzt werden. DFG unterstützt Forschergruppen der Universitäten Mainz und Kaiserslautern.
Co2Cr0.6Fe0.4Al – so oder so ähnlich könnte die chemische Formel für das Material der Zukunft lauten: ein Material, aus dem potentiell noch kleinere Datenspeicher mit noch höheren Speicherdichten gebaut werden können. Dieses Material wurde von der Arbeitsgruppe unter Leitung von Univ.-Prof. Dr. Claudia Felser vom Fachbereich Chemie und Pharmazie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz entdeckt und ist inzwischen als Patent angemeldet. Auf der Suche nach neuen magnetischen Materialien, die die bisherige Elektronik auf Basis von Siliziumchips ersetzen könnten, arbeiten nun schon seit einiger Zeit Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Technischen Universität Kaiserslautern zusammen. Sie erhalten Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die das Gemeinschaftsprojekt exzellent beurteilt hat und die Einrichtung einer neuen DFG-Forschergruppe zum Thema „Neue Materialien mit hoher Spinpolarisation“ finanziell unterstützt. „Mit der exzellenten Beurteilung durch die DFG und ihrer finanziellen Förderung kann unser eingespieltes Forscherteam dieses zukunftsträchtige Gebiet der Informationstechnologie künftig noch intensiver bearbeiten“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Claudia Felser vom Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Johannes Gutenberg-Universität. Insgesamt arbeiten in der Forschergruppe zehn Arbeitsgruppen mit insgesamt 60 Wissenschaftlern zusammen.
Die Spin-Elektronik oder Spintronik verfolgt ein neues Konzept zur Verarbeitung von Daten, bei dem nicht nur die elektrische Ladung, sondern auch die Eigenrotation von Elektronen genutzt wird. Dieser sogenannte „Spin“ stellt eine Drehung des Elektrons um ihre eigene Achse dar. Je nachdem ob die Drehung im Uhrzeigersinn oder gegen ihn erfolgt, ist von „Spin Up“ oder „Spin Down“ die Rede. Für eine praktische Nutzung soll das eingesetzte Material über eine möglichst hohe Spinpolarisation verfügen, d.h. möglichst viele Elektronen sollen sich in der gleichen Richtung ausrichten. Zudem soll das Material eine hohe Spinpolarisation an der sogenannten „Fermi-Kante“ aufweisen, das ist eine Art Trennlinie zwischen mit Elektronen besetzten und unbesetzten Zuständen, an der der Strom geleitet wird. „Das Traummaterial für die Spintronik würde eine 100prozentige Spinpolari-sation an der Fermi-Kante zeigen,“ erläutert Prof. Felser, die zusammen mit Prof. Dr. Burkard Hillebrands aus Kaiserslautern dem Team aus Chemikern und Physikern vorsteht. „Bis heute hat noch kein geeignetes Material den Weg vom Forschungslabor zur technischen Anwendung geschafft.“
Die Forschergruppe um Felser und Hillebrands hofft, bei den halbmetallischen Ferromagneten und hier insbesondere den Verbindungsklassen Heusler-Verbindung und Doppelperowskite fündig zu werden. Vor allem soll das neue Material die gewünschten Eigenschaften auch bei Raumtemperatur zeigen. Denn für tiefe Temperaturen sind solche Materialien schon bekannt. „Entweder war bisher die Spinpolarisation und damit der Magnetwiderstand zu klein oder die sogenannte Curie-Temperatur zu niedrig, so dass der Effekt nur bei Temperaturen weit unterhalb der Raumtemperatur auftrat“, erklärt Prof. Felser die Schwierigkeiten.
Nach ihrer Darstellung besteht gerade bei den Heusler-Verbindungen – hierzu gehört Co2Cr0.6Fe0.4Al – und den Doppelperowskiten – wie etwa Sr2FeMoO6 – großer Forschungs- und Entwicklungsbedarf. „Wir wollen zuerst ein besseres physi-kalisches Verständnis der Magnetwiderstandseffekte dieser Materialien erhalten und diese Erkenntnisse dann für die Herstellung verbesserter Materialien nutzen“, so die Wissenschaftlerin. Erste Erfolge einer japanischen Forschergruppe mit der Heusler-Verbindung Co2Cr0.6Fe0.4Al unterstützen die Einschätzung, dass gerade diese Verbindungen das Material für die Bauteile der Zukunft sein könnten. Heusler-Verbindungen wurden bereits 1983 als halbmetallische Ferromagneten identifiziert. Einzelne Metalle der Verbindungen wie beispielsweise Aluminium oder Chrom sind nicht magnetisch, die Verbindungen selbst sind es schon. Viele dieser Verbindungen zeigen eine hohe Curie-Temperatur, die Temperatur bis zu der die Verbindungen magnetisch sind, was als Voraussetzung für eine hohe Spinpolarisation an der Fermi-Kante gilt.
In der Informationstechnologie könnten die neuen Materialien bei Leseköpfen in magnetischen Festplatten, für Positions- und Winkelsensoren und magnetisch frei adressierbare Speicher (sogenannte MRAM oder magnetic random access memo-ry) zur Anwendung kommen. Bei Speichermedien könnte somit auf viel weniger Platz mehr gespeichert werden und im Gegensatz zu herkömmlichen Siliziumchips würden die Informationen fest gespeichert und bei einem Stromausfall nicht verloren gehen.
Kontakt und Informationen:
Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie
Prof. Dr. Claudia Felser
Tel. 06131/39-26266, Fax -26267
E-Mail: felser@mail.uni-mainz.de
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