Innenstädte innovativ kühlen
Ausgehend von einer globalen Klimaerwärmung von bis zu 2 °C, „kann dies in typischen Sommern zu einer Temperaturerhöhung von bis zu 5 °C in Innenstadtbereichen führen“, so Prof. Dr.-Ing. Bernhard Lenz aus der Fakultät für Architektur und Bauwesen der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, „mit allen negativen Folgen, wie größerer gesundheitlicher Belastung, erhöhtem Energiebedarf und damit zusätzlichem CO2-Ausstoss für die Klimatisierung der Gebäude.“ Ein großes Problem, denn bereits jetzt leben etwa 55 % aller Menschen in Städten.
Als probates Mittel gegen die Hitze gilt unter Experten die Begrünung der Städte. Ein Baum kühlt dabei auf zwei Arten: indem er einen Teil des Sonnenlichts absorbiert und Wasser transpiriert, das dann verdunstet, wodurch aufgrund des Wärmeentzugs dieses Prozesses die Umgebung unmittelbar abkühlt und indem er Schatten spendet.
„Verdunstung und Schatten sind ganz klar die wichtigsten Faktoren an einem heißen Sommertag“, betont Bernhard Lenz, Experte für energieoptimiertes Bauen und Gestalten. Hinzu kommt noch, dass ein Baum, wie jede grüne Pflanze, im Zuge der Photosynthese CO2 aus der Umgebung aufnimmt und Sauerstoff freisetzt. Obwohl auch Bernhard Lenz sich eine „grüne“ Stadt wünscht, weiß er, dass es in vielen Stadtbereichen schwierig ist, neue Bäume zu pflanzen und Flächen zu entsiegeln.
Häufig findet sich dort unterirdische Infrastruktur wie Abwasser-, Strom- oder Gasleitungen. Auf solchen Flächen einfach Bäume einzusetzen würde dazu führen, dass die Wurzeln früher oder später die unterirdischen Leitungen beschädigen. Außerdem wird entsprechender Platz benötigt: Ein ausgewachsener Ahornbaum oder eine Eiche breitet ihr Blätterdach in jede Richtung über viele Meter aus – gleiches gilt für das Wurzelwerk. Bäume benötigen Wasser, Licht und viel Zeit zum Wachsen; ein schneller Weg zur Lösung des städtischen Klimatisierungsproblems sind sie also nicht. „Wir müssen neben botanischen Lösungen also auch neue Formen der Anpassung für den urbanen Raum entwickeln und sukzessive umsetzen“, so der Karlsruher Experte.
Wie eine Verdunstungsfunktion analog der von Bäumen technisch umsetzbar wäre, damit beschäftigt sich Bernhard Lenz mit seinen Studierenden und konnte Ideen für ein neues System entwickeln. „Weil der Baum als Organismus immer auch Photosynthese betreiben muss, braucht er eine große Krone, in der die Blätter der Sonne ausgesetzt sein müssen“, so der Wissenschaftler.
Mit seinem Team konnte er eine Lösung entwickeln, die ohne Photosynthese auskommt und damit auch räumlich deutlich kompakter ist: eine technische Verdunstungseinrichtung, die sich beispielsweise auch an bestehende Straßenlaternen ankoppeln lässt. Dieses „cooling device“ besteht aus nach außen geschlossenen Ringelementen, deren Innenseiten eine spezifische dreidimensionale Struktur aufweisen, angelehnt an die Struktur des menschlichen Darms.
„So schafft man mit geringen Abmaßen eine große Oberfläche für die Verdunstung von Wasser“, so Lenz. In diesen Verdunstern – so die Idee – wird Wasser über die innenliegenden Oberflächen geführt. Im Unterschied zu Düsen kann auch weniger reines Oberflächenabflusswasser genutzt werden. Fotovoltaisch betriebene Lüfter saugen Umgebungsluft oben an und führen diese so an den feuchten Oberflächen vorbei.
Der Grad der Verdunstung lässt sich dabei über die Luftgeschwindigkeit, also die Lüfter, regeln. Dadurch gibt ein „cooling device “ kühle und feuchte Luft an die Umgebung ab, ähnlich wie sein biologisches Vorbild. „Das System würde sich erst einschalten, wenn eine Schwellentemperatur überschritten ist und sich ausschalten, sobald eine gewisse relative Luftfeuchtigkeit erreicht ist. Wir möchten ja kein Tropenklima erzeugen“, so Lenz.
Durch das wärmer werdende Klima rechnen Wissenschaftler mit einer weiteren Veränderung: „Vielerorts werden in Deutschland, aber auch in anderen Regionen, im Sommer die Niederschläge ab- und im Winter zunehmen. Im Sommer fehlt es damit nicht nur zunehmend an Wasser, sondern auch das Überschwemmungsrisiko steigt in den Wintermonaten an“, so Lenz. Das versucht er für seine innovative Idee zu nutzen: das überschüssige Wasser soll im Winter lokal gespeichert und saisonal versetzt über die Verdunster im Sommer freigesetzt werden. „Die Zisternen müssten nicht wie Wurzeln direkt unter oder in unmittelbarer Nähe der Verdunster liegen, sondern könnten über eine Rohrleitung mit diesen verbunden werden“.
Und das Team der Studierenden um Bernhard Lenz denkt innovative Verdunstungssysteme schon weiter, etwa als Fassadenelemente für Parkhäuser. Damit könnten bestehende Fassaden mit Kühlelementen nachgerüstet werden und einen weiteren Beitrag leisten, die Städte im Sommer herunter zu kühlen.
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