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Neue Methode hilft, Änderungen in der Genomorganisation zu erkennen
Automatisierter Scan der gesamten DNA ermöglicht schnellere Datenvergleiche.
Die Organisationsweise der DNA im Zellkern ist für die normale Entwicklung und Funktion der Zelle sehr wichtig. Eine Mutation, die sich auf die Verpackung der Erbsubstanz im Zellkern auswirkt, kann zu Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen wie Krebs führen. Ein Wissenschaftlerteam des Max-Planck-Instituts in Münster, des MRC London Institute of Medical Sciences in London und des Center for Genomic Regulation in Barcelona hat eine Methode entwickelt (Nature Genetics, 19. Oktober 2020), mit der die 3D-Genomorganisation in verschiedenen Zellpopulationen automatisiert analysiert werden kann. So können Wissenschaftler Krankheitsursachen schneller auf die Spur kommen.
Die Mehrheit der Zellen in unserem Körper enthält zwei Meter DNA. All diese genetische Information muss in den nur 0,01 Millimeter breiten Zellkern verpackt werden. Zum Vergleich: Die Breite eines menschlichen Haares beträgt 0,1 Millimeter. Ein DNA-Molekül in etwas zu verpacken, dessen Dimensionen zehnmal kleiner sind als die eines menschlichen Haares, erfordert viel Organisation.
Im Zellkern der Zelle ist die DNA in Strukturen organisiert, die Chromosomen genannt werden. Der Mensch hat 23 Chromosomenpaare, also insgesamt 46 Chromosomen. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass diese 46 Moleküle im Zellkern nicht wie Spaghetti auf einem Teller ineinander verschlungen sind, sondern dass jedes Chromosom seinen eigenen Bereich hat.
Zu verstehen, wie dieses gesamte genetische Material strukturiert ist, ist von entscheidender Bedeutung um nachzuvollziehen, wie eine Zelle ordnungsgemäß funktioniert. Eine Mutation, die sich auf die Verpackung der DNA auswirkt, kann unter anderem zu Entwicklungsstörungen, Krebs oder neuronalen Störungen führen. Diese Vielzahl potenziell nachteiliger Auswirkungen bedeutet, dass Forscher in der Lage sein müssen, die Verpackung der DNA mit hoher Auflösung zu überprüfen. Dies ist seit etwa 10 Jahren möglich, bisher wurden die meisten Analysen zum Vergleich der 3D-Genomorganisation jedoch durchgeführt, indem die Daten lediglich optisch betrachtet, oder Ansätze gewählt wurden, die zu stark vereinfachten. Dies ist zwar nützlich, aber sehr zeitaufwendig und könnte dazu führen, dass wichtige Informationen übersehen werden.
Die Forschungsarbeiten der Gruppe „Developmental and Regulatory Genomics“ am MRC London Institute of Medical Sciences (MRC LMS) und der Max-Planck-Forschungsgruppe „Regulatory Genomics“ am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, die am 19. Oktober 2020 in der Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht wurden, beschreiben eine neue Methode zur Lösung dieser Probleme. Mit Hilfe einer Computertechnik namens „Strukturelle Ähnlichkeitsanalyse“ hat das Team einen Algorithmus entwickelt, der beispielsweise die Daten zur DNA-Organisation einer gesunden Person mit denen eines Krebspatienten vergleicht. Entwickelt in Zusammenarbeit mit Forschern des Center for Genomic Regulation in Barcelona kann der Algorithmus dann feststellen, welche Regionen bei einem Krebspatienten unterschiedlich verpackt sind, und dabei helfen herauszufinden, was schiefgelaufen sein könnte.
Der Algorithmus funktioniert auf ähnliche Weise wie die Passkontrolle am Flughafen. Ihr Passfoto ist das Referenzbild. Die elektronische Kabine versucht, dieses Referenzbild mit Ihrem Gesicht am Tag der Reise abzugleichen, und wenn genügend Ähnlichkeit besteht, lässt sie Sie durch. Hier wendet der Algorithmus das gleiche Konzept auf 3D-Genomdaten an. Er nimmt die Daten der gesunden Person als Referenz und versucht, alle Unterschiede in den Daten des Krebspatienten zu erkennen.
Diese Methode hilft den Forschern, die gesamte Länge der DNA in einem automatisierten Prozess zu scannen, und zwar viel schneller als mit dem Auge. Sie erlaubt den Forschern auch, einer Region des Genoms einen numerischen Wert zu geben. Früher hätten Forscher nur sagen können, ob ein bestimmter Abschnitt der DNA unterschiedlich ist oder nicht. Jetzt weist der Algorithmus Regionen der DNA einen Zahlenwert zu, der angibt, wie unterschiedlich diese Region beispielsweise bei einer gesunden Person im Vergleich zu einem Krebspatienten ist. Die Methode kann auch Unterschiede in Regionen hervorheben, in denen das menschliche Auge überhaupt keinen Unterschied erkennen kann und dazu beitragen, die Daten einer Patientengruppe viel schneller zu analysieren.
Juanma Vaquerizas, Max-Planck-Forschungsgruppenleiter am MPI in Münster, Leiter der Gruppe „Developmental and Regulatory Genomics“ am MRC LMS und Seniorautor der Studie, diskutierte die Implikationen für diese Forschung:
„Diese Methode wird für die biologische Grundlagenforschung eingesetzt werden und direkte Anwendungen innerhalb dieser Forschung haben. Zum Beispiel weisen viele Krebsarten Chromosomentranslokationen und -reorganisationen auf, bei denen Teile eines Chromosoms abbrechen und sich an ein falsches Chromosom wieder anlagern können, was viele verschiedene Probleme verursacht. Dies ist auch ein Merkmal vieler anderer Krankheiten“.
Ein weiteres, einzigartiges Merkmal dieser Methode, welche die Forscherinnen und Forscher CHESS (Comparison of Hi-C Experiments using Structural Similarity) nannten, besteht darin, dass man die 3D-Genomorganisation zwischen verschiedenen Arten vergleichen kann, was dazu beitragen könnte, Bereiche zu identifizieren, die über die Evolution hinweg konserviert sind. „Es gibt keine andere verfügbare Methode, die diese Analyse systematisch durchführen kann. Dies eröffnet wirklich die Möglichkeit, mit einem quantitativen und systematischen Ansatz zu charakterisieren, wie sich die Genomorganisation zwischen verschiedenen Proben oder Arten verändert“, erörtern Silvia Galan, Doktorandin im Labor von Marc Marti-Renom, und Nick Machnik, die gemeinsam die Erstautoren der Studie sind.
Originalpublikation:
CHESS enables quantitative comparison of chromatin contact data and automatic feature extraction. Silvia Galan, Nick Machnik, Kai Kruse, Noelia Díaz, Marc A. Marti-Renom, Juan M. Vaquerizas. Nature Genetics, 19. Oktober 2020
http://dx.doi.org/10.1038/s41588-020-00712-y
Weitere Informationen:
http://www.mpi-muenster.mpg.de/587019/20201019-chess-vaquerizas/
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