Ribosomen – Der letzte Schritt zur Reife

Vom Volumen zur Struktur: kryoelektronenmikroskopische Aufnahme und Modell eines Vorläufers der kleinen Untereinheit. Bild: M. Ameismeier

LMU-Forscher gewinnen detaillierte Einblicke in den komplizierten Zusammenbau der Proteinfabriken in menschlichen Zellen. Beteiligt sind auch Proteine, die in einfachen Modellorganismen, aus deren Untersuchung die Erkenntnisse bislang meist stammen, nicht vorkommen.

In jeder Zelle setzen Tausende von Ribosomen im Sekundentakt neue Proteine zusammen. Die Produktion dieser lebenswichtigen zellulären Proteinfabriken selbst ist ein äußerst komplexer Vorgang, an dem mehr als 200 Biogenesefaktoren beteiligt sind. Wie die aus zahlreichen Proteinen und mehreren ribosomalen RNA-Molekülen bestehenden Ribosomen ineinandergefügt und in die richtige Struktur gefaltet werden, ist immer noch nicht vollständig verstanden. Zudem stammen die meisten bisherigen Erkenntnisse aus Modellorganismen wie der Hefe und lassen sich nicht uneingeschränkt übertragen.

Wissenschaftler um Professor Roland Beckmann vom Genzentrum der LMU haben nun entscheidende Schritte der Reifung von Ribosomen in menschlichen Zellen aufgeklärt.

Ribosomen setzen sich aus einer großen und einer kleinen Untereinheit zusammen, die separat produziert und erst bei Bedarf zusammengefügt werden. Die Münchner Wissenschaftler haben mithilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie die Struktur von Vorstufen der kleinen Untereinheit in menschlichen Zellen analysiert und konnten so deren Reifung verfolgen. „Die Arbeit ist die Fortsetzung einer früheren Studie, in der wir die ersten Einblicke in diesen Prozess gewinnen konnten“, sagt Michael Ameismeier, Doktorand in Beckmanns Team und Erstautor des Papers. Nun haben die Forscher auch die letzten Prozessierungsschritte in den Blick genommen.

Als entscheidenden letzten Schritt der Reifung schneidet das Enzym NOB1 ein Stück ribosomaler RNA ab, das als Überrest einer Vorstufe bis dahin als „Fortsatz“ aus der kleinen Untereinheit herausragt. Damit dies nicht zu früh passiert, wird NOB1 erst aktiviert, wenn die kleine Untereinheit ausgereift ist. Wie die Wissenschaftler zeigen, erfolgt die Aktivierung durch eine Konformationsänderung, die dafür sorgt, dass ein Bindungspartner von NOB1 abfällt. Dies erlaubt eine Umlagerung von NOB1, was dann den RNA-Rest kappen kann.

„Koordiniert wird die Aktvierung von NOB1 durch ein weiteres Enzym“, sagt Ameismeier. „Gemeinsam mit einem von uns entdeckten Protein, das im Modellorganismus Hefe nicht vorhanden ist, setzt sich dieses Enzym wie ein Keil in die reifende Untereinheit und begünstigt die entscheidende Konformationsänderung.“

Zudem haben die Wissenschaftler noch ein weiteres Protein entdeckt, das in der Hefe nicht vorhanden ist und auf noch nicht völlig geklärte Weise an der Reifung der kleinen Ribosomen-Untereinheit beteiligt ist. „Dies zeigt, wie wichtig es ist, das humane System separat zu betrachten“, sagt Beckmann. Um die Grundlagen zu erforschen, sei die evolutionär etwas einfachere Hefe völlig ausreichend. Aber es gibt beispielsweise einige Erkrankungen, die mit einer gestörten Ribosomenbiogenese zusammenhängen und sich in verschiedenen Syndromen äußern. Um diese zu erforschen, so die Wissenschaftler, sind Systeme mit Humanzellen die besseren Modelle.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Roland Beckmann
Gene Center and Department of Biochemistry
Telefon: +49 (0)89 / 2180 76900
Email: beckmann@genzentrum.lmu.de
Web: http://www.beckmann.genzentrum.lmu.de/roland-beckmann/

Originalpublikation:

Structural basis for the final steps of human 40S ribosome maturation
Michael Ameismeier, Ivo Zemp, Jasmin van den Heuvel, Matthias Thoms, Otto Berninghausen, Ulrike Kutay & Roland Beckmann
Nature 2020
https://www.nature.com/articles/s41586-020-2929-x

https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2020/beckmann_ribosomen.html

Media Contact

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ein neuer Blick auf Unordnung in Supraleitern

Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Deutschland und des Brookhaven National Laboratory in den USA hat eine neue Methode zur Untersuchung von Unordnung in…

Zukunftstechnologie Lebende Materialien

Wissenschaftler aus der ganzen Welt treffen sich in Saarbrücken. 200 Forschende aus 13 Ländern treffen sich schon zum dritten Mal auf Einladung des INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in…

Nach dem Schlucken kommt das Hochgefühl

Forscher der Universitäten Bonn und Cambridge haben einen wichtigen Regelkreis für den Essvorgang identifiziert. Demnach verfügen Fliegenlarven in ihrer Speiseröhre über spezielle Sensoren. Diese schlagen an, sobald die Tiere etwas…

Partner & Förderer