Den Ursachen von Eiszeiten auf der Spur

Anhand von Sedimentkernen aus dem Antarktischen Ozean erstellten die Forscher detaillierte Aufzeichnungen über die chemische Zusammensetzung der organischen Materie, die in den Fossilien von Kieselalgen eingeschlossen wurden. Im Bild zusehen ist eine lebende Kieselalge.
© Philipp Assmy (Norwegian Polar Institute) and Marina Montresor (Stazione Zoologica Anton Dohrn)

Winzige Ozeanfossilien verdeutlichen die Rolle des Ozeans bei früheren Veränderungen der Kohlendioxidkonzentrations in der Atmosphäre.

Während der letzten Eiszeiten waren die Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre niedriger als in der übrigen Zeit. Die Ursache dafür war bisher jedoch unklar. Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz und der Universität Princeton in New Jersey Hinweise dafür gefunden: Sie zeigen, dass sich der Aufstieg von Tiefenwasser im Antarktischen Ozean während der Eiszeiten abgeschwächt hat, was wiederum dazu geführt hat, dass mehr des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Tiefsee zurückgehalten wurde.

Die Studie, die in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurde, hilft, den Klimazyklus zwischen den Eis- und Warmzeiten besser zu verstehen. Sie deutet aber auch darauf hin, dass sich der Tiefenwasseraufstieg infolge der globalen Erwärmung verstärken wird. Als Folge würden sich die Konzentration des atmosphärischen CO2, das globale Klima und die Ökosysteme der Ozeane verändern.

Die letzten Millionen Jahre der Erdgeschichte waren von häufigen glazial-interglazial-Zyklen (Eiszeit-Warmzeit-Zyklen) geprägt. Die großen Klimaschwankungen waren mit dem Wachstum und Schrumpfen massiver, kontinentübergreifender Eisdecken verbunden. Ursache für die Entstehung der Eiszeiten sind Schwankungen in der Erdumlaufbahn um die Sonne. Sie reichen jedoch nicht aus, um eine so große klimatische Veränderung zu erklären, weshalb es einen Rückkopplungsmechanismus innerhalb des Klimasystems braucht, der diese Schwankungen verstärkt.

In den 1970er Jahren haben Wissenschaftler herausgefunden, dass die atmosphärische Konzentration des Treibhausgases CO2 während Eiszeiten um etwa 30 Prozent geringer ist. Deshalb geht man davon aus, dass die CO2 Konzentration in der Atmosphäre der Verstärker dieser Klimazyklen ist. Es gab Hinweise darauf, dass das CO2 während Eiszeiten im Tiefenwasser der Ozeane gespeichert ist, der Grund dafür war jedoch unklar.

Ein internationales Wissenschaftlerteam des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC) und der Universität Princeton hat nun herausgefunden, dass Veränderungen im Oberflächenwasser des antarktischen Ozeans dazu führten, dass mehr CO2 in der Tiefsee gespeichert wurde. Mithilfe von Sedimentkernen aus dem Antarktischen Ozean erstellten die Forscher detaillierte Datensätze über die chemische Zusammensetzung von organischem Material, das in den Fossilien von Kieselalgen eingeschlossen wurde. In einer Studie, die in der Dezember-Ausgabe der wissenschaftlichen Zeitschrift Science erschienen ist, zeigen sie, dass es zu einer systematischen Verringerung des windgetriebenen Tiefenwasseraufstiegs im Antarktischen Ozean während der Eiszeiten kam.

„Die Ursache der Eiszeiten ist eines der großen ungelösten Probleme in den Geowissenschaften“, sagt Daniel Sigman, Dusenbury-Professor für geologische und geophysikalische Wissenschaften an der Universität Princeton. „Wenn wir dieses Klimaphänomen erklären können, werden wir zukünftige Klimaveränderungen besser vorhersagen können.“

Die Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universität Princeton entwickelten einen neuen Ansatz, bei dem Diatomeen (Kieselalgen) untersucht werden. Die winzigen Algen wachsen unter anderem in den Oberflächengewässern der Antarktis. Ihre Schalen lagern sich im Tiefseesediment ab und abhängig von der Menge an ungenutztem Stickstoff im Oberflächenwasser variieren die Stickstoff-Isotopenverhältnisse der in den Mineralwänden dieser Fossilien eingeschlossenen organischen Spurenstoffe. Dies nutzte das Princeton-MPIC-Team, um die Entwicklung der Stickstoffkonzentrationen in den antarktischen Oberflächengewässern in den letzten 150.000 Jahren über zwei Eiszeiten und zwei Warmzeiten aufzuzeigen.

„Die Analyse der in den Kieselalgenfossilien eingeschlossenen Stickstoffisotope zeigt die Stickstoffkonzentration im Oberflächenwasser in der Vergangenheit“, erklärt Ellen Ai, Erstautorin der Studie und Princeton-Absolventin, die mit Sigman und den Gruppen von Alfredo Martínez-García und Gerald Haug am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz zusammenarbeitet. „Tiefseewasser weist hohe Konzentrationen von Stickstoff auf, auf den das Plankton angewiesen ist. Je stärker der Auftrieb in der Antarktis ist, desto höher ist die Stickstoffkonzentration im Oberflächenwasser.“

Neue Methoden angewendet

Durch einen neuen Ansatz zur Datierung der antarktischen Sedimente wurden die Daten noch aussagekräftiger. So wurde die Temperaturveränderung des Oberflächenwassers in den Sedimentkernen rekonstruiert und mit den Aufzeichnungen der Lufttemperatur der antarktischen Eiskerne verglichen.

„Diese neue Methode ermöglichte es uns, den Kieselalgen-Stickstoff-Datensatz mit gleichzeitigen Klima- und Ozeanveränderungen aus der ganzen Welt in Verbindung zu bringen“, erklärt Alfredo Martínez-García, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie. „Damit sind wir jetzt in der Lage, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem der Aufstieg des Tiefenwassers abklingt und das Klima beginnt, sich abzukühlen. Wir können zudem die Veränderungen des Tiefenwasseraufstiegs in der Antarktis mit den schnellen Klimaschwankungen während der Eiszeiten in Verbindung bringen.“

Kann das Rätsel der Eiszeiten gelöst werden?

Die neuen Erkenntnisse erlaubten es den Forschern auch zu entschlüsseln, wie die Veränderungen des antarktischen Auftriebs und des atmosphärischen CO2 mit den orbitalen Auslösern der Eiszeit-Zyklen zusammenhängen. Dies hilft, den Ursprung der Eiszeiten besser zu verstehen.

„Unsere Entdeckungen zeigen, dass die durch den Tiefenwasseraufstieg verursachte atmosphärische CO2-Änderung zwar zentral für die Eiszeit-Zyklen war, aber nicht in der Art und Weise, wie viele von uns angenommen hatten“, fasst Daniel Sigman zusammen. „Anstatt zum Beispiel den Übergang von einer Warmzeit in die Eiszeit zu beschleunigen, verursachte der antarktische Auftrieb CO2-Veränderungen, die die Warmzeit verlängerten.“

Die Ergebnisse der Studie helfen auch bei Vorhersagen, wie der Ozean auf die globale Erwärmung reagieren wird. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich die Atmosphäre und der Antarktische Ozean im kommenden Jahrhundert stark verändern werden“, schätzt Erstautorin Ellen Ai. „Dadurch, dass sich der windgetriebene Tiefenwasseraufstieg im Antarktischen Ozean während der vergangenen Warmzeiten deutlich verstärkt hat, lässt sich vermuten, dass sich der Auftrieb auch unter der globalen Erwärmung verstärken wird. Dies wird sich auf die biologischen Bedingungen im antarktischen Ozean und das Eis auswirken.

The research was supported by the National Science Foundation (grant PLR-1401489 to D.M.S.), ExxonMobil through the Andlinger Center for Energy and the Environment at Princeton University, the Swiss National Science Foundation (grant PBEZP2_145695 to A.S.S. and grants PP00P2_144811 and PP00P2_172915 to S.L.J.), a Global Research Fellowship from the German Research Foundation (DFG grant GO 2294/2-1 to J.G.), and the Max Planck Society.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Alfredo Martinez-Garcia
Max-Planck-Institut für Chemie
Telefon: +49 6131 305-6717
a.martinez-garcia@mpic.de

Originalpublikation:

Southern Ocean upwelling, Earth’s obliquity, and glacial-interglacial atmospheric CO2 change

Xuyuan Ellen Ai, Anja S. Studer, Daniel M. Sigman, Alfredo Martínez-García, François Fripiat, Lena M. Thöle, Elisabeth Michel, Julia Gottschalk, Laura Arnold, Simone Moretti, Mareike Schmitt, Sergey Oleynik, Samuel L. Jaccard and Gerald H. Haug

Science, 370, 11 Dec 2020, DOI: 10.1126/science.abd2115.

Gemeinsame Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universität Princeton

Weitere Informationen:

https://www.mpic.de/4827170/what-caused-the-ice-ages

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Dr. Susanne Benner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Chemie

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