Leistungsfähige Multi-Element-Katalysatoren schnell identifizieren

Hunderte möglicher Materialkombinationen lassen sich auf einem solchen Träger prüfen.
© Tobias Löffler

Katalysatoren aus mindestens fünf chemischen Elementen könnten der Schlüssel zur Überwindung bisheriger Limitierungen bei der Herstellung von grünem Wasserstoff, Brennstoffzellen, Batterien oder der CO2-Reduktion sein. Die Suche nach der optimalen Zusammensetzung dieser Multi-Element-Katalysatoren gleicht allerdings der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: Tausende bis Millionen mögliche Kombinationen zu testen lässt sich nicht verwirklichen. Forschungsteams der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Universität Kopenhagen haben daher einen Ansatz entwickelt, der die optimale Zusammensetzung vorhersagen kann und seine Treffsicherheit mit Hochdurchsatzexperimenten bestätigt.

Viel günstigere Elemente als bei bisherigen Katalysatoren

Viele elektrochemische Reaktionen durchlaufen mehrere Schritte. Jeder sollte nach Möglichkeit an einer Katalysatoroberfläche optimiert werden, allerdings gelten für jeden Schritt unterschiedliche Anforderungen. „Da bisherige Katalysatoren üblicherweise nur eine optimierte Funktionalität aufweisen, konnte man nur den besten Kompromiss möglich machen, und Energieverluste waren nicht zu vermeiden“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann vom Zentrum für Elektrochemie der RUB.

Mit komplexen Mischkristallen lassen sich mehrere Funktionalitäten gleichzeitig auf einer Katalysatoroberfläche realisieren und so diese Limitierung überwinden. Das passiert allerdings nur, wenn mindestens fünf verschiedene Elemente miteinander kombiniert werden. Dabei existieren Millionen von Möglichkeiten, in welchen prozentualen Verhältnissen die jeweiligen Elemente kombiniert werden können. Die bisherige Herausforderung der Suche nach einer Strategie, um optimale Eigenschaften zu finden, scheint mit dieser Materia lklasse beantwortbar zu sein. Nun gilt es herauszufinden, welche Kombination das Ziel bestmöglich erfüllt. „Das kann übrigens auch mit viel günstigeren Elementen möglich sein als bei bisherigen Katalysatoren“, unterstreicht Schuhmann.

Vorhersagen treffen und prüfen

Die Forschungsteams stellen in ihrer Arbeit einen Ansatz vor, der Orientierung in den zahllosen Möglichkeiten bietet. „Wir haben ein Modell entwickelt, das in Abhängigkeit der Zusammensetzung die Aktivität für die Sauerstoffreduktion vorhersagen kann und somit eine Berechnung der besten Zusammensetzung ermöglicht“, erklärt Prof. Dr. Jan Rossmeisl vom Zentrum für Hochentropielegierung-Katalyse an der Universität Kopenhagen.

Die Überprüfung des Modells lieferte das Team aus Bochum. „Wir können mithilfe einer kombinatorischen Sputteranlage Materialbibliotheken herstellen, bei denen jeder Punkt auf der Oberfläche des Trägers eine andere Zusammensetzung hat und in jede Richtung unterschiedliche, aber wohldefinierte Gradienten vorliegen,“ erläutert Prof. Dr. Alfred Ludwig vom Lehrstuhl für Neue Materialien und Grenzflächen an der RUB. Mithilfe einer Rastertropfenzelle werden dann die katalytischen Eigenschaften von 342 Zusammensetzungen auf einer Materialbibliothek automatisch vermessen und somit Aktivitätstrends identifiziert.

„Wir haben festgestellt, dass das ursprüngliche Modell der Komplexität noch nicht gerecht wurde und noch unpräzise Vorhersagen traf. Daher haben wir es überarbeitet und erneut experimentell überprüfen lassen“, so Dr. Thomas Batchelor aus dem Kopenhagener Team, der im Rahmen der Kooperation an der RUB als Gastwissenschaftler tätig war. Diesmal zeigten Vorhersage und experimentelle Messung eine hervorragende Übereinstimmung, die durch weitere Materialbibliotheken bestätigt wurde.

Diese Strategie erlaubt es, die komplexen Mechanismen an den aus fünf chemischen Elementen bestehenden Oberflächen zu identifizieren und den Screening-Aufwand zum größten Teil dem Computer zu überlassen. „Sollte sich das Modell als universell für alle Elementkombinationen und auch für andere Reaktionen anwendbar herausstellen, wäre eine der momentan größten Herausforderungen dieser Katalysatorklasse realistisch zu meistern“, so das Team.

Förderung

Die Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Exzellenzstrategie (EXC 2033-390677874 Resolv) sowie in den Projekten LU1175/22-1 und LU1175/26-1 und vom European Research Council (Cascat 833408) gefördert. Ferner gab es Unterstützung vom Danish National Research Foundation Center for High-Entropy Alloy Catalysis (Cheac) DNRF-149 und der Wissenschaftsförderung 9455 des Villum Fonden. Darüber hinaus gab es Förderung durch das IMPRS-Surmat-Stipendium und Unterstützung in der Materialcharakterisierung durch das Zentrum für Grenzflächendominierte Höchstleistungswerkstoffe (ZGH) in Bochum.

Originalveröffentlichung

Thomas A. A. Batchelor et al.: Complex solid solution electrocatalyst discovery by computational prediction and high-throughput experimentation, in: Angewandte Chemie International Edition, 2020, DOI: 10.1002/anie.202014374, https://doi.org/10.1002/anie.202014374

Sie berichten in der Zeitschrift Angewandte Chemie International Edition vom 28. Dezember 2020.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Alfred Ludwig
Neue Materialien und Grenzflächen
Institut für Werkstoffe
Fakultät für Maschinenbau
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 27492
E Mail: alfred.ludwig@rub.de

Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann
Analytische Chemie – Zentrum für Elektrochemie (CES) Fakultät für Chemie und Biochemie Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 26200
E Mail: wolfgang.schuhmann@rub.de

Prof. Dr. Jan Rossmeisl
Zentrum für Hochentropielegierung Katalyse (CHEAC) Fakultät für Chemie Universität Kopenhagen Dänemark
Tel.: +45 50 71 95 84
E Mail: jan.rossmeisl@chem.ku.dk

Originalpublikation:

Thomas A. A. Batchelor et al.: Complex solid solution electrocatalyst discovery by computational prediction and high-throughput experimentation, in: Angewandte Chemie International Edition, 2020, DOI: 10.1002/anie.202014374, https://doi.org/10.1002/anie.202014374

Weitere Informationen:

Berichte über bisherige Arbeiten
https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2020-01-30-elektrochemie-sc…
https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2019-05-06-materialforschun…
https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2018-10-23-materialforschun…

Media Contact

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Schimpanse in einem tropischen Wald, der genetische Anpassungen zum Überleben zeigt.

Parallele Pfade: Das Verständnis von Malariaresistenz bei Schimpansen und Menschen

Die nächsten Verwandten des Menschen passen sich genetisch an Lebensräume und Infektionen an Überleben des am besten Angepassten: Genetische Anpassungen bei Schimpansen aufgedeckt Görlitz, 10.01.2025. Schimpansen verfügen über genetische Anpassungen,…

Ballaststoffreiche Lebensmittel fördern Darmgesundheit und Antikrebswirkung

Du bist, was du isst – Stanford-Studie verbindet Ballaststoffe mit Modulation von Anti-Krebs-Genen

Die Ballaststofflücke: Ein wachsendes Problem in der amerikanischen Ernährung Ballaststoffe sind bekanntlich ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung, doch weniger als 10 % der Amerikaner konsumieren die empfohlene Mindestmenge. Eine…

RNA-bindendes Protein RbpB reguliert den Stoffwechsel der Darmmikrobiota in Bacteroides thetaiotaomicron.

Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl – RNA-Protein-Entdeckung für eine bessere Immunität

HIRI-Forscher entschlüsseln Kontrollmechanismen der Polysaccharidverwertung in Bacteroides thetaiotaomicron. Forschende des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg haben ein Protein sowie eine Gruppe kleiner Ribonukleinsäuren (sRNAs) in…