Keas: Weniger Dominanz bringt den gewünschten Erfolg
Die vom Aussterben bedrohten neuseeländischen Keas (Nestor notabilis) sind eine große Papageienart und gelten als sehr intelligente Vögel – und sind deshalb für die Verhaltensforschung von großem Interesse. In einer soeben veröffentlichten Studie der Vetmeduni Vienna mit internationaler Beteiligung zeigte sich nun, dass Dominanz hinderlich für erfolgreiche Kooperationen ist. Sobald die höherrangigen Tiere dieses Verhalten aufgaben, stellte sich der Erfolg ein.
An einer Gruppe von in Gefangenschaft gehaltenen Keas untersuchte ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Vetmeduni Vienna, welche Faktoren die Zusammenarbeit zwischen mehreren Tieren unterstützen oder behindern, wenn diese frei miteinander interagieren können.
„Wir erwarteten, dass die Toleranz dominanter Tiere ein wesentlicher Faktor ist, der die Zusammenarbeit möglicherweise behindert. Andererseits gingen wir davon aus, dass Tiere mit stärkeren assoziativen Bindungen und kleineren Rangabständen mehr Toleranz und damit eine erfolgreichere Zusammenarbeit zeigen würden“, erklärt Erstautor Raoul Schwing vom Messerli Forschungsinstitut am Department für Interdisziplinäre Lebenswissenschaften der Vetmeduni Vienna die grundlegende Hypothese der Studie.
Wie komme ich am besten zur Belohnung?
Welchen Einfluss Dominanz, Rangabstand, Toleranz, Gruppenzugehörigkeit und Koordination bei der Zusammenarbeit haben, testeten die ForscherInnen mit einer Holzkiste, bei der zwei, drei oder vier Ketten gleichzeitig gezogen werden mussten, um an die Nahrungsbelohnung zu kommen. Die Belohnung konnte ungleich verteilt, aber nicht vollständig von einem Tier monopolisiert werden.
„Wir machten die Tiere zunächst einzeln mit dem Gerät vertraut, indem wir ihnen erlaubten, an einer einzigen Kette zu ziehen, die das Schloss am Boden der Holzkiste öffnete. Dies ermöglichte den Zugang zur Belohnung. Durch Hinzufügen einer zweiten Kette auf der gegenüberliegenden Seite der Kiste erstellten wir eine dyadische Kooperationsaufgabe, bei der zwei Probanden zwei Ketten gleichzeitig ziehen mussten, um zum Erfolg zu kommen“, so Schwing.
Weniger dominantes Verhalten macht gemeinsam erfolgreich
Zu Beginn der Experimente zeigte sich jedoch, dass die dominanten Tiere anfangs so sehr daran interessiert waren, die geschlossene Holzkiste zu verteidigen, dass keines von ihnen genug Zurückhaltung zeigte, um es einem anwesenden niederrangigeren Kea zu ermöglichen, an einer der beiden Ketten zu ziehen. Das Forschungsteam adaptierte deshalb die Versuchsanordnung, indem nun alle 16 am Experiment teilnehmenden Keas mit der Holzkiste mit zwei Ketten konfrontiert wurden. Während dieser „Gruppensitzung“ gelang es zwei Vögeln, gleichzeitig an den Ketten zu ziehen. Nach mehreren Versuchen, an denen alle Vögel teilnahmen, wurde die Box letztendlich geöffnet. Nach dieser Sitzung erlaubten die dominanten Tiere ihren niederrangigeren Artgenossen das Ziehen an den Ketten.
Anschließend konnten die WissenschafterInnen ihre Tests wie geplant durchführen. Im Laufe dieser Tests wurde zu den anfangs zwei Ketten eine dritte und schließlich eine vierte Kette hinzugefügt, um auch die Zusammenarbeit zwischen drei und vier Tieren zu untersuchen. Bei diesen Tests blieb das dominante Verhalten einzelner Keas der stärkste Faktor, der über den Erfolg bestimmte. Interessant ist, dass Keas ihr Dominanzverhalten überkommen können und lernen, sich in der Gruppe anzupassen.
Dazu Schwing: „Die Erfolgswahrscheinlichkeit stieg mit dem Grad der Zurückhaltung, den die am jeweiligen Experiment teilnehmenden dominanten Tiere zeigten. Zudem trugen frühere Erfahrungen mit der Aufgabe zum Erfolg in nachfolgenden Sitzungen bei, während eine Erhöhung der Rangentfernung den Erfolg insbesondere im Vier-Ketten-Setup verringerte. Obwohl es viele Faktoren gibt, die noch weiter untersucht werden müssen, um ihre Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zu bestimmen, konnten wir zum ersten Mal zeigen, dass vier Keas gleichzeitig an demselben Gerät arbeiten können, um Zugang zu einer gemeinsam nutzbaren Belohnung zu erhalten.“
Wichtiger Beitrag, um Kooperation mehrerer Tiere besser zu verstehen
Der besondere Wert der Studie liegt darin, die Zusammenarbeit mehrerer Tiere zu testen. Denn laut den ForscherInnen sind wissenschaftliche Experimente, bei denen mehr als zwei Tiere durch koordiniertes Handeln Belohnungen erhalten können, selten. „Dies ist überraschend, wenn man bedenkt, dass viele Formen der Zusammenarbeit in der Natur stark vom Verhalten mehrerer Individuen abhängen, beispielsweise bei der kooperativen Jagd von Löwen und anderen Fleischfressern sowie bei Schimpansen bei der kooperativen Verteidigung von Gebieten und anderen Ressourcen und zur kooperativen Verteidigung gegen Raubtiere“, so Schwing.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Raoul Schwing, PhD.
Messerli Forschungsinstitut
Department für Interdisziplinäre Lebenswissenschaften / Kea Lab
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
Raoul.Schwing@vetmeduni.ac.at
Originalpublikation:
Der Artikel „Kea, Nestor notabilis, achieve cooperation in dyads, triads, and tetrads when dominants show restraint“ von R. Schwing, E. Meaux, A. Piseddu, L. Huber und R. Noë wurde in „Learning & Behaviour“ veröffentlicht.
https://link.springer.com/article/10.3758/s13420-021-00462-9
Weitere Informationen:
https://www.vetmeduni.ac.at/de/infoservice/presseinformationen/presseinformation…
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…