Zündschnur für Brustkrebs gefunden
Eine gezielte Therapie des basalen Brustkarzinoms könnte demnächst dank YAP-Inhibitoren möglich sein. Wie ein MDC-Team um Walter Birchmeier im Fachjournal „Cancer Research“ berichtet, braucht der Krebs die Unterstützung des YAP-Proteins, um das Wachstum von Krebsstammzellen anzukurbeln.
Brustkrebs ist die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen. Allein in Deutschland wird sie 69.000 Mal pro Jahr neu diagnostiziert. Etwa 80 Prozent der Tumore gehen von den luminalen Zellen aus – den Milch produzierenden Zellen der Brustdrüse. 10 Prozent bilden sich in der dahinterliegenden (basalen) Zellschicht. Dabei handelt es sich um muskelartige Epithelzellen, die sich zusammenziehen, wenn die Brustdrüse Milch produziert, um diese herauszudrücken.
„Während die luminalen Brusttumore meist hormonempfindlich sind, sind 80 Prozent der basalen triple-negativ. Sie besitzen keine Rezeptoren für Östrogen (ER), Progesteron (PR) und den Wachstumsfaktor-Rezeptor HER2“, sagt Professor Walter Birchmeier. Er leitet am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) die Arbeitsgruppe „Signalvermittlung in Entwicklung und Krebsentstehung“. Weil es bisher keine gezielten Therapien für diese sehr aggressive Krebsform gibt, ist die Prognose für die betroffenen Patientinnen sehr schlecht. Auf klassische Chemotherapeutika, welche die Zellteilung hemmen sollen, sprechen diese Tumore nämlich kaum an.
Ohne YAP wuchsen die Tumoren bei den Mäusen nicht
Bereits in früheren Studien konnte Birchmeiers Team zeigen, dass bei der Entstehung von basalem Brustkrebs der Wnt/b-Catenin-Signalweg eine wichtige Rolle spielt. Normalerweise wird über diese Signalkaskade die Zellvermehrung und -differenzierung während der Embryonalentwicklung reguliert: Wnt verhindert, dass das für Signaltransduktion zum Zellkern wichtige Protein Beta-Catenin abgebaut wird Sind die Zellen ausgereift, wird diese Reaktionskette abgeschaltet und Beta-Catenin entsorgt.
Bei manchen Krebsformen wie dem basalen Brustkrebs kann der Signalweg jedoch erneut aktiviert werden. Dann reichert sich Beta-Catenin in den Tumorzellen an. Bekannt war außerdem, dass in den Krebsstammzellen das Onkogen YAP hochreguliert ist. Es sorgt für die Bildung des YAP-Proteins, welches das Zellwachstum anregt und in den Zellkernen ebenfalls aktiv ist.
Ziel der aktuellen Studie war es, die Zusammenhänge zwischen dem Wnt-Signalweg und YAP aufzuklären. Doktorandin Hazel Quinn, Erstautorin der Arbeit, schaltete dafür bei Mäusen, bei denen die Wnt-Signalkaskade aktiviert ist und basaler Brustkrebs induziert wurde, gleich zu Beginn des Tumorwachstums das YAP-Gen aus. Das Ergebnis: Während die Mäuse in der Kontrollgruppe innerhalb von Wochen massive Tumore entwickelten, blieb dies bei den YAP-Knockout-Mäusen aus.
„Ohne YAP sehen wir keine Brusttumore. YAP ist demnach notwendig für die Entstehung und Ausbreitung des Tumors“, sagt Hazel Quinn. In Gewebeschnitten hat die Wissenschaftlerin mit Färbungen und spezifischen Antikörpern YAP in den Zellkernen sichtbar gemacht: Die Alveolen – jene kleinen Säckchen artigen Strukturen, in denen die Milch gebildet und gespeichert wird – sind bei ausgeschaltetem YAP-Gen gut erkennbar und frei von Tumoren. Im Gewebe der Kontrollgruppe sind sie fast unsichtbar, da das wuchernde Karzinom sie verdrängt.
Rückschlüsse auf das Überleben
YAP ist ein zentraler Regulator im Hippo-Signalweg, der erst vor wenigen Jahren entdeckt worden ist. Er spielt für Stammzellen eine Schlüsselrolle in der Zellregeneration und der Differenzierung. Funktioniert er nicht richtig, kann Krebs entstehen „Das ist vermutlich auch der Grund, warum wir bei basalem Brustkrebs das YAP-Gen hoch exprimiert sehen – aber nicht bei luminalem. Denn die Zellen basaler Tumore sind stammzellartig, die luminalen hingegen viel weiter differenziert“, erklärt Hazel Quinn.
Quinns Mitautor Dr. Philipp Mertins, Experte für Proteomanalyse und Gruppenleiter am MDC und am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH), führte Genexpressionsanalysen an Gewebeproben menschlicher Brusttumore durch und konnte diese Vermutung bestätigten. Während basale Tumoren sich generell durch hohe Expressionslevel des YAP-Gens auszeichnen, sind sie bei luminalem Brustkrebs signifikant geringer. Wie viel YAP sich im Tumor befindet, steht auch in direktem Zusammenhang mit der Überlebenszeit der Patientinnen. „Je höher die YAP-Level bei triple-negativem Brustkrebs, desto früher starben die Frauen. Bei luminalem Brustkrebs ist es umgekehrt“, erklärt Hazel Quinn.
Ansatz für eine zielgerichtete Therapie
Krebsstammzellen sind meist der Grund dafür, dass minimale Tumorherde trotz Chemotherapie im Gewebe verbleiben und der Krebs später wieder aufflammt und Metastasen bildet. Anders als bei Mäusen, lassen sich beim Menschen zwar Gene nicht einfach ausschalten. Aber – und das ist die gute Nachricht – YAP kann medikamentös gehemmt werden. „Da wir nun wissen, wie wichtig YAP für diese Zellen ist, könnte die Kombination von YAP-Inhibitoren, die keine unspezifischen Nebenwirkungen zeigen, und herkömmlichen Therapiestrategien die Chance der Patientinnen auf ein Überleben ohne Rückfall verbessern“, sagt Hazel Quinn.
Dass es funktionieren könnte, zeigte Quinn an Mäusen, indem sie die YAP-Aktivität mit den für andere Krankheiten zugelassenen Wirkstoffen Simvastatin oder Verteporfin hemmte. Beide Inhibitoren reduzierten das Tumorvolumen deutlich. „Ein deutsches Pharmaunternehmen forscht bereits an Molekülen, die YAP sehr spezifisch hemmen können“, fügt Walter Birchmeier an. Bis ein hochpotenter und zugleich gut verträglicher neuer Wirkstoff gefunden ist und in der Klinik eingesetzt werden kann, kann noch Zeit vergehen. „Derzeit werden Kombinationstherapien mit Inhibitoren favorisiert, die an verschiedenen Stellen von Signalwegen eingreifen“, so Birchmeier.
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC)
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) wurde 1992 in Berlin gegründet. Es ist nach dem deutsch-amerikanischen Physiker Max Delbrück benannt, dem 1969 der Nobelpreis für Physiologie und Medizin verliehen wurde. Aufgabe des MDC ist die Erforschung molekularer Mechanismen, um die Ursachen von Krankheiten zu verstehen und sie besser zu diagnostizieren, verhüten und wirksam bekämpfen zu können. Dabei kooperiert das MDC mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Berlin Institute of Health (BIH) sowie mit nationalen Partnern, z.B. dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DHZK), und zahlreichen internationalen Forschungseinrichtungen. Am MDC arbeiten mehr als 1.600 Beschäftigte und Gäste aus nahezu 60 Ländern; davon sind fast 1.300 in der Wissenschaft tätig. Es wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Berlin finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Walter Birchmeier
AG Signalvermittlung in Entwicklung und Krebsentstehung
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
+49-30-9414348
wbirch@mdc-berlin.de
Hazel Quinn, PhD
Brisken Laboratory
Swiss Institute of Experimental Cancer Research, Lausanne
Mobil +41(0)779917002
hazel.quinn@epfl.ch
Originalpublikation:
Hazel Quinn et al. (2021): „YAP and beta-catenin cooperate to drive oncogenesis in basal breast cancer“. Cancer Research, DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-20-2801
Weitere Informationen:
http://www.mdc-berlin.de – Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)
https://www.mdc-berlin.de/de/birchmeier – AG Birchmeier, Signalvermittlung in Entwicklung und Krebsentstehung
https://www.mdc-berlin.de/de/news/press/zuendschnur-fuer-brustkrebs-gefunden
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