Neues Miniorgan der menschlichen Bauchspeicheldrüse
Dresdner und Kopenhagener Forscher entwickeln Zellkultur, um Entwicklung der menschlichen Bauchspeicheldrüse zu untersuchen.
Die Bauchspeicheldrüse ist ein kleines Organ hinter dem Magen mit zwei Hauptfunktionen – Verdauung und Blutzuckerregulation. Wie sich die menschliche Bauchspeicheldrüse entwickelt, war bisher aus ethischen und praktischen Gründen weitgehend unerforscht. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, des Novo Nordisk Foundation Center for Stem Cell Biology (DanStem) in Kopenhagen, Dänemark, und mehreren anderen internationalen Kooperationspartnern, darunter das CIC bioGUNE in Bilbao, Spanien, gelang es nun, ein Miniaturorgan der menschlichen Bauchspeicheldrüse in Zellkultur zu entwickeln.
Die Studie präsentiert auch einen Atlas einzelner Zellen in der menschlichen embryonalen Bauchspeicheldrüse mit dem Forscher beobachten können, welche Gene in den verschiedenen Zelltypen während der Entwicklung aktiv sind. Mit diesem System und dem Atlas könnten menschliche Krankheitsbilder, die die Entwicklung der Bauchspeicheldrüse beeinflussen, besser verstanden werden gleichzeitig auch dabei helfen, Ersatz-Betazellen für die Therapie von Diabetes zu entwickeln.
Obwohl die Bauchspeicheldrüse nur ein vergleichsweise kleines Organ ist, kontrolliert sie überlebenswichtige Funktionen und bildet Verdauungsenzyme und Hormone, vor allem Insulin und Glukagon. Um die Entwicklung dieses wichtigen Organs zu erforschen, hat Anne Grapin-Botton, Direktorin des MPI-CBG und ehemalige Professorin am DanStem, in früheren Studien Kultivierungsmethoden entwickelt, die es den Zellen der Bauchspeicheldrüse von Mäusen ermöglichen, dreidimensional zu wachsen und verästelte Strukturen zu bilden.
Diese 3D-Strukturen ähnelten einer Bauchspeicheldrüse der Maus in Miniaturformat. Diese Miniaturorgane werden auch Organoide genannt. Zu verstehen, wie sich die Bauchspeicheldrüse im menschlichen Embryo entwickelt war bisher eine Herausforderung für die Forschung. Es existierten nur wenige Informationen darüber, wie sich ihre Zellen dreidimensional entwickeln.
Carla Gonçalves, eine Doktorandin im Forschungslabor von Anne Grapin-Botton, arbeitete zusammen mit Kollegen am DanStem und am MPI-CBG an der Entwicklung eines vergleichbaren Kultursystems für menschliche Zellen der Bauchspeicheldrüse, um zu untersuchen, wie sich diese entwickelt. Die Forscher verglichen die neu gebildeten Organoide der menschlichen Bauchspeicheldrüse und menschliche Bauchspeicheldrüsenzellen aus einer herkömmlichen flachen Zellkultur mit einem Referenz-Einzelzelltranskriptom der menschlichen embryonalen Bauchspeicheldrüse. Dieser Einzelzelltranskriptom-Atlas zeigt alle Gene, die in jeder Zelle während der Entwicklung aktiv sind, da nur ein Teil des genetischen Codes in RNA-Moleküle und dann in Proteine umgewandelt wird. „Beim Vergleich der beiden Zellkultursysteme haben wir bemerkt, dass die Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse in dreidimensionaler Zellkultur den Zellen der menschlichen embryonalen Bauchspeicheldrüse ähnlicher sind.
Die Methode um Organoide der menschlichen Bauchspeicheldrüse zu entwickeln ist sehr robust, sodass wir in Zukunft viele biologische Fragen in Bezug auf die menschliche Bauchspeicheldrüse untersuchen können“, erklärt Carla Gonçalves. „Wir können die Organoide auch währen der Entwicklung unter dem Mikroskop beobachten und können damit einfach Experimente machen, die wir am MPI-CBG durchführen“, ergänzt Anne Grapin-Botton. Die Forschungsgruppen von Antonio del Sol am CIC bioGUNE und dem LCSB – Luxembourg Centre for Systems Biomedicine nutzten die aus der menschlichen embryonalen Bauchspeicheldrüse gewonnenen Daten, in einem Zell-Zell-Kommunikationsnetzwerk-Modell, um zu untersuchen, wie Zellen kommunizieren, mit dem man nachverfolgen kann, welche Zellen welches Signal produzieren und welche es empfangen.
„Unser Zellkultursystem macht es möglich, die Entwicklung der menschlichen Bauchspeicheldrüse dreidimensional zu untersuchen. Krankheiten wie Diabetes können ihren Ursprung bereits während der Entwicklung eines Embryos haben. Mit diesem neuen dreidimensionalen Miniaturorgan können wir mehr über die Entwicklung der menschlichen Bauchspeicheldrüse erfahren“, sagt Anne Grapin-Botton. „Wir haben jetzt einen Maßstab dafür, wie sich eine normale menschliche Bauchspeicheldrüse entwickeln sollte und können erforschen, wie Diabetes entstehen kann, wenn in der Entwicklung etwas schiefläuft. Wir können auch untersuchen, wie die Betazellen, die Insulin herstellen, gebildet werden. Die Betazellen könnten dann für zukünftige Zelltherapien von Diabetes effizienter produziert werden.“
Über das MPI-CBG
Das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) ist eines von über 80 Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, einer unabhängigen gemeinnützigen Organisation in Deutschland. 600 Menschen aus 50 Ländern aus den verschiedensten Disziplinen arbeiten am MPI-CBG und lassen sich von ihrem Forscherdrang antreiben, um die Frage zu klären: Wie organisieren sich Zellen zu Geweben? Die Forschung des MPI-CBG deckt dabei eine möglichst weite Spanne an verschiedenen Komplexitätsstufen ab: auf der Stufe von molekularen Netzwerken, von Zellorganellen, von Zellen, von Gewebe, Organen oder auch auf mit Blick auf ganze Organismen. Das MPI-CBG bietet für diese Forschungsarbeit eine Vielzahl an Serviceeinheiten und macht so hochspezialisierte Technologien unter professioneller Anleitung zugänglich. www.mpi-cbg.de
Über das Novo Nordisk Foundation Center for Stem Cell Biology (DanStem)
Das Novo Nordisk Foundation Center for Stem Cell Biology (DanStem) wurde 2011 als internationales Forschungszentrum für grundlegende Stammzell- und Entwicklungsbiologie mit einer Förderung durch die Novo Nordisk Foundation gegründet. DanStem löst komplexe Probleme in der Stammzell- und Entwicklungsbiologie, die von der frühen Embryonalentwicklung und Organogenese bis zur fortgeschrittenen Krankheitsentwicklung und zell- oder medikamentenbasierten Therapien reichen. Das Zentrum ist Teil der Fakultät für Gesundheit und medizinische Wissenschaften der Universität Kopenhagen.
www.danstem.ku.dk
Über das CIC bioGUNE
Das Centre for Cooperative Research in Biosciences (CIC bioGUNE) mit Sitz im Technologiepark Bizkaia ist eine biomedizinische Forschungseinrichtung, die Spitzenforschung an der Schnittstelle von Struktur-, Molekular- und Zellbiologie betreibt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Gewinnung von Erkenntnissen über die molekularen Grundlagen von Krankheiten, die bei der Entwicklung neuer Diagnosemethoden und fortschrittlicher Therapien zum Einsatz kommen. CIC bioGUNE wurde als „Severo Ochoa Centre of Excellence“ akkreditiert, die höchste Anerkennungsstufe für Exzellenzzentren in Spanien. www.cicbiogune.es
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Anne Grapin-Botton
botton@mpi-cbg.de
Originalpublikation:
Carla A. Gonçalves, Michael Larsen, Sascha Jung, Johannes Stratmann, Akiko Nakamura, Marit Leuschner, Lena Hersemann, Rashmiparvathi Keshara, Signe Perlman, Lene Lundvall, Lea Langhoff Thuesen, Kristine Juul Hare, Ido Amit, Anne Jørgensen, Yung Hae Kim, Antonio del Sol, Anne Grapin-Botton: A 3D system to model human pancreas development and its reference single cell transcriptome atlas identify signaling pathways required for progenitor expansion. Nature Communications, 25. Mai 2021, Doi: 10.1038/s41467-021-23295-6
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