Neue Theorie zur Kontaktelektrifizierung: Ladungsübertrag beobachtet
Jeder hat schon mal an der Türklinke einen gewischt gekriegt. Denn wenn sich zwei verschiedene Stoffe berühren, kann es zu einer elektrostatischen Aufladung kommen, die sich mit einem kleinen Blitz abbaut. Diese Reibungselektrizität kann man nutzen, um etwa Partikel in Abgasen abzuscheiden; sie kann aber auch ungewollt Explosionen auslösen, wenn z.B. brennbare Flüssigkeiten oder Pulver abgefüllt werden.
Was bei der Kontaktelektrifizierung passiert, ist bislang nur ansatzweise verstanden. Dem Team um Experimentalphysiker Prof. Rolf Möller, Universität Duisburg-Essen (UDE), ist es erstmals gelungen, den Ladungsübertrag während der kurzen Zeit der Berührung zu beobachten. Darüber berichtet die Zeitschrift „Science Advances“.*
Jede mikroskopische Berührung zwischen Materialien führt zu einer Aufladung. Gibt es viele Kontakte, können sehr hohe elektrische Spannungen von etlichen Kilovolt entstehen. „Obwohl das schon lange bekannt ist, ist es immer noch unklar, was für geladene Teilchen das sind, die bei der Berührung übertragen werden“, so Prof. Rolf Möller. „Das könnten einzelne Elektronen, Atome (Ionen) oder ganze Moleküle aus mehreren Atomen sein.“
Um der Lösung näher zu kommen, müsste man exakt den Moment analysieren, in dem sich die Ladung von einem auf das andere Material überträgt. Das geschieht während der Berührung atemberaubend schnell, nämlich in ein paar Millionstel Sekunden oder sogar noch schneller.
Mit herkömmlichen Geräten lässt sich der Vorgang nicht erfassen. Also hat Möllers Arbeitsgruppe neue elektronische Ladungsverstärker entwickelt, die sehr kleine Ladungen in Mikrosekunden messen. Damit starteten sie ihre Versuche: „Wir haben eine Kugel mit 1 mm Durchmesser aus einer Höhe von ein paar Zentimetern auf eine Platte fallen lassen, sodass die Kugel wie ein Ball viele Male springt. Dabei haben wir gemessen, wie sich die Ladung bei jeder Berührung mit der Oberfläche ändert“, beschreibt der Experimentalphysiker.
Überraschenderweise stellte das Team eine höhere Spannung fest, als es nach dem bekannten Berechnungsmodell hätte sein dürfen. „Das findet man sogar für Metalle, z.B. eine Goldkugel auf einer Kupferplatte“, betont Prof. Möller. „Genau dies, nämlich die Kontaktelektrifizierung zwischen Metallen, gilt aber als einer der wenigen geklärten Prozesse im Bereich der Reibungselektrizität. Wir konnten nachweisen, dass die übertragenen Ladungen, obwohl sie nicht sehr groß sind, ausreichen, um zwischen der Metallkugel und der Metallplatte eine Spannung von 10 Volt auftreten zu lassen.“
Die Geschwindigkeit, mit der die Kugel auf die Platte trifft, spielt eine Rolle – und fehlt in dem bisherigen Modell. „Wir haben daher ein neues Modell auf Basis des alten vorgeschlagen. Dies bezieht die Deformation der Platte und der Kugel bei der Berührung mit ein.“
Redaktion: Ulrike Bohnsack, Tel. 0203/37 9-2429, ulrike.bohnsack@uni-due.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rolf Möller, Experimentalphysik, Tel. 0203/37 9-4220, rolf.moeller@uni-due.de
Originalpublikation:
https://advances.sciencemag.org/content/7/22/eabg7595
DOI: 10.1126/sciadv.abg7595
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