Quantenbits aus Löchern

Loch-Spin-Qubits in germaniumreicher Schicht. Die beiden Löcher sind auf die nur wenige Nanometer dicke germaniumreiche Schicht beschränkt. Darüber bilden einzelne Drähte mit angelegten Spannungen die elektrischen Gates.
(c) Daniel Jirovec

Wissenschafter_innen haben ein neues und vielversprechendes Qubit gefunden – an einem Ort, an dem es nichts gibt.

In der Welt der Quantenmechanik können Forscher_innen sogar den leeren Raum, das Fehlen von etwas, zu ihrem Nutzen kontrollieren. Wissenschafter_innen der Katsaros Gruppe am Institute of Science and Technology (IST) Austria haben nun gemeinsam mit einem internationalen Team in einem Experiment gezeigt, wie sie die Abwesenheit von Elektronen in einem Festkörper kontrollieren können. Diese Löcher wollen sie als Basis für einen Quantencomputer nutzen.

Quantencomputer mit ihren Versprechen, neue Materialien zu ermöglichen und Antworten auf bisher unlösbare mathematische Fragen zu finden, sind ein Traum vieler Physiker_innen. Nun nähern sie sich in vielen Labors auf der ganzen Welt langsam nützlichen Realisierungen. Doch es gilt noch enorme Herausforderungen zu meistern. Eine zentrale ist die Konstruktion von stabilen Quantenbits – der Grundeinheit der Quantencomputer, kurz Qubit genannt –, die sich miteinander vernetzen lassen.

In einem in Nature Materials veröffentlichten Paper unter der Leitung von Daniel Jirovec vom IST Austria haben Wissenschafter_innen nun ein neues und vielversprechendes System für zuverlässige Qubits gefunden. Dafür haben sie eng mit dem L-NESS Inter-university Centre in Como in Italien zusammengearbeitet.

Spin im Nichts

Die Forscher_innen konstruierten das Qubit mit Hilfe des Spins von sogenannten Löchern. Jedes Loch ist nichts anderes als die Abwesenheit eines Elektrons in einem Festkörper. Erstaunlicherweise kann ein fehlendes negativ geladenes Teilchen physikalisch so behandelt werden, als ob es ein positiv geladenes Teilchen wäre. Es kann sich sogar im Festkörper bewegen, wenn ein benachbartes Elektron das Loch auffüllt. Dadurch bewegt sich das als positiv geladenes Teilchen beschriebene Loch vorwärts.

Diese Löcher tragen sogar die quantenmechanische Eigenschaft des Spins und können miteinander wechselwirken, wenn sie sich nahekommen. „Unsere Kolleg_innen von L-NESS haben verschiedene Mischungen aus Silizium und Germanium nur wenige Nanometer dick übereinander aufgetragen. Das erlaubt uns, die Löcher in die germaniumreiche Schicht in der Mitte einzusperren“, erklärt Jirovec. „Auf der obersten Schicht haben wir winzige elektrische Drähte – sogenannte Gates – angebracht, um die Bewegung der Löcher zu steuern, indem wir Spannung an sie anlegen. Die elektrisch positiv geladenen Löcher reagieren auf die Spannung und können extrem präzise innerhalb ihrer Schicht bewegt werden.“

Mit dieser Steuerung auf einer Skala von Nanometern haben die Wissenschafter_innen zwei Löcher nahe zueinander gebracht, um aus ihren wechselwirkenden Spins ein Qubit zu erzeugen. Doch damit dies funktioniert, mussten sie das ganz Experiment einem Magnetfeld aussetzen. Hier kommt ihr innovativer Ansatz ins Spiel.

Qubits verknüpfen

Mit ihrem Aufbau können Jirovec und seine Kolleg_innen nicht nur Löcher verschieben, sondern auch deren Eigenschaften verändern. Dadurch konnten sie das Qubit aus den beiden wechselwirkenden Spins der Löcher kreieren, indem sie weniger als zehn Millitesla an Magnetfeldstärke verwendeten. Das ist ein schwaches Magnetfeld im Vergleich zu ähnlichen Qubit, die mindestens zehnmal stärkere Felder benötigen.

Doch warum ist das relevant? „Durch die Verwendung unserer Germaniumschichten können wir die benötigte Magnetfeldstärke reduzieren. Das erlaubt die Kombination unseres Qubits mit Supraleitern, die normalerweise durch starke Magnetfelder gehemmt werden“, erklärt Jirovec. Supraleiter – Materialien ganz ohne elektrischen Widerstand – ermöglichen aufgrund ihrer quantenmechanischen Natur die Verknüpfung mehrerer Qubits. Dies könnte es Forscher_innen ermöglichen, neuartige Quantencomputer zu bauen, die Halbleiter und Supraleiter kombinieren.

Diese Loch-Spin-Qubits sind nicht nur wegen diesen neuen technischen Möglichkeiten, sondern auch wegen ihrer Verarbeitungsgeschwindigkeit vielversprechend. Mit bis zu einhundert Millionen Operationen pro Sekunde sowie ihrer langen Lebensdauer von bis zu 150 Mikrosekunden scheinen sie für Quantencomputing besonders gut geeignet zu sein. Normalerweise müssen Forscher_innen einen Kompromiss zwischen diesen Eigenschaften eingehen, aber dieses neue Design bringt beide Vorteile zusammen.

Originalpublikation:

Daniel Jirovec, et al. 2021. A singlet triplet hole spin qubit in planar Ge. Nature Material. DOI: 10.1038/s41563-021-01022-2

https://ist.ac.at/de/

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