Gemeinsam sind sie stabiler: Wie Proteinfilamente interagieren
Göttinger Forschungsteam nimmt Mikrotubuli in den Fokus.
So wie Skelett und Muskeln den menschlichen Körper bewegen und seine Form stabilisieren, werden auch alle Zellen des Körpers durch ein Zellskelett stabilisiert und bewegt. Im Gegensatz zu unserem Skelett ist dieses Zellskelett eine sehr dynamische Struktur, die sich ständig erneuert und verändert. Es besteht aus verschiedenen Arten von Proteinfilamenten, zu denen die sogenannten Intermediärfilamente und die Mikrotubuli gehören. Einem Forschungsteam der Universität Göttingen ist es zum ersten Mal gelungen, eine direkte Wechselwirkung zwischen Mikrotubuli und Intermediärfilamenten außerhalb der Zelle zu beobachten und diese auch quantitativ zu vermessen.
Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
Mikrotubuli sind dynamische Filamente, die ständig wachsen und wieder schrumpfen und somit für wichtige Vorgänge in Zellen verantwortlich sind. Das Forschungsteam beobachtete nun, dass Intermediärfilamente die Mikrotubuli stabilisieren: Wenn Intermediärfilamente zu Mikrotubuli gegeben werden, wird das Schrumpfen unterdrückt und damit die Lebensdauer der Mikrotubuli verlängert. Um zu untersuchen, ob dies tatsächlich auf direkte Wechselwirkungen zwischen den beiden Filamenten zurückzuführen ist, wurde ein einzelner Mikrotubulus mit einem einzelnen Intermediärfilament überkreuzt positioniert.
Dr. Laura Schaedel, die gemeinsam mit Charlotta Lorenz, Doktorandin am Institut für Röntgenphysik der Universität Göttingen, die Erstautorenschaft für die Publikation teilt, erklärt: „Das Intermediärfilament wurde über den Mikrotubulus ,gezogen‘ wie ein Bogen über eine Geigensaite.“ Lorenz ergänzt: „Dabei können die beiden Filamente aneinanderbinden. Diese Bindung wird aber durch das Ziehen kurz darauf wieder aufgerissen. Die Dynamik des Abreißens gibt Information über die Stärke der Bindung.“
Prof. Dr. Stefan Klumpp vom Institut für Dynamik komplexer Systeme der Universität Göttingen, der gemeinsam mit Prof. Dr. Sarah Köster vom Institut für Röntgenphysik das Projekt geleitet hat, sagt: „Zusätzlich zeigten wir mit Modellen und Simulationen, dass die direkte Wechselwirkung zur Stabilisierung führt.“ Die Stabilisierung der dynamischen Mikrotubuli kann für biologische Zellen ein wichtiger Parameter sein, um zum Beispiel ihre lokale Stabilität zu regulieren. „Insgesamt sind die beobachteten Wechselwirkungen wichtig, um zelluläre Prozesse besser verstehen zu können“, so Köster. Diese Prozesse sind wiederum für das Verständnis von zum Beispiel erkrankten Zellen relevant. Die neue Messmethode der direkten Interaktion von zwei verschiedenen Biopolymeren ist dabei auch auf andere Proteinfilamente und nicht-biologische Fasern übertragbar.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sarah Köster
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Röntgenphysik
Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen
Telefon: 0551 / 39-29429
sarah.koester@phys.uni-goettingen.de
http://www.uni-goettingen.de/koesterlab
Prof. Dr. Stefan Klumpp
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Dynamik komplexer Systeme
Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen
Telefon: 0551 / 39-26942
stefan.klumpp@phys.uni-goettingen.de
http://www.uni-goettingen.de/de/527801.html
Originalpublikation:
Laura Schaedel*, Charlotta Lorenz*, Anna V. Schepers, Stefan Klumpp#, Sarah Köster#: Vimentin Intermediate Filaments Stabilize Dynamic Microtubules by Direct Interactions, Nature Communications 2021. https://www.nature.com/articles/s41467-021-23523-z
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