COR-101 hemmt auch die “indischen“ Varianten von SARS-CoV-2 inklusive „Delta“

Structure of COR-101 (red) binding to the receptor binding domain (green) of the spike protein of SARS-CoV-2 (grey).
Figure: Thomas Klünemann/Helmholtz Centre for Infection Research

Unser Körper stellt normalerweise selbst Antikörper her, um Viren wie SARS-CoV-2 zu bekämpfen. Bei Patient*innen mit Vorerkrankungen und älteren Menschen ist die Bildung der Antikörper oftmals verlangsamt oder nicht mehr möglich. Dann sind sie auch nach einer Impfung nicht geschützt. Ihnen kann jedoch durch Gabe geeigneter Antikörper geholfen werden. Einen solchen Antikörper haben in enger Kooperation die TU Braunschweig, das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und die Biotech-Firma YUMAB GmbH entwickelt. Der Antikörper COR-101 befindet sich aktuell in Phase-Ib/II-Studien für die Behandlung von mittleren bis schweren Krankheitsverläufen von COVID-19 durch die CORAT Therapeutics GmbH.

Für den ersten Schritt bei der Antikörperentwicklung wurden die Baupläne von Antikörpern, die an das Virus SARS-CoV-2 binden, aus den Blutzellen von genesenen COVID-19-Patienten gewonnen. Aus den gesammelten Antikörpergenen wurde eine molekulare Phage-Display-Bibliothek erstellt. Nahezu 200 unterschiedliche Antikörper gegen die Rezeptorbindestelle (RBD) des Hüllproteins (Spike) von SARS-CoV-2 wurden mit dem Phagen-Display-Verfahren im Reagenzglas isoliert. In den Laboren der Sicherheitsstufe 3 am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) wurden davon 30 Antikörper identifiziert, die das Eindringen von SARS-CoV-2 in Zellen effizient verhindern konnten. Hier zeigt der Antikörper COR-101 die beste Aktivität in der Neutralisierung der Viren.

Die Effizienz des Antikörpers wurde in transgenen Mäusen, die den menschlichen ACE2-Rezeptor tragen, und in Hamstern bestätigt. Die Viren konnten effizient reduziert oder komplett beseitigt werden. Die Struktur des Antikörpers und seiner Bindung an die Rezeptorbindestelle wurde auf atomarer Ebene aufgeklärt und zeigt, dass der Antikörper direkt das Andocken der Viren an die Zellen blockiert. COR-101 bindet und hemmt auch das Spike-Protein der neu auftretenden „indischen“ SARS-CoV-2-Varianten (B.1.617.1 und .3). Zusätzliche Daten, die nach der Publikation in „Cell Reports“ gewonnen wurden, zeigen, dass selbst die neue gefährliche “indische” Variante B.1.617.2 (Delta) effizient inhibiert wird.

Im Gegensatz zu den Antikörpern, die bisher in der EU eine Notfallzulassung bekommen haben und für die ambulante Behandlung von COVID-19-Patienten mit leichten bis mittleren Symptomen entwickelt wurden, wurde der Antikörper COR-101 speziell für die Behandlung von hospitalisierten Patienten, die akut eine therapeutische Behandlung benötigen, entwickelt. Dies wurde dadurch erreicht, dass der Teil des Antikörpers, der normalerweise das Immunsystem aktiviert, verändert wurde, und somit mögliche schädliche Reaktionen durch ein überschießendes Immunsystem verhindert werden.

Prof. Dr. Michael Hust (TU Braunschweig), leitender Autor der Studie und Mitinitiator der CORAT Initiative, sagt: “Die Entwicklung von COR-101 war nur in der engen gemeinsamen Zusammenarbeit unserer Forschungsgruppe mit der YUMAB GmbH und dem HZI möglich. Ich bin überzeugt, dass dieser Antikörper noch viele Menschenleben retten wird.”

Dr. Maren Schubert (TU Braunschweig), stellvertretende Leiterin der Studie, ergänzt: “Wir sind stolz auf die Resultate unserer Forschung und Entwicklung, die wir gleich im Februar 2020 mit der Produktion der SARS-CoV-2-Proteine in Insektenzellen begonnen haben.”

Prof. Dr. Stefan Dübel (TU Braunschweig), Erfinder der Antikörper Phagen-Display-Technologie, die zur Entdeckung dieses Antikörpers genutzt wurde, und Initiator der CORAT Initiative, betont: “Wir konnten zeigen, dass wir in kürzester Zeit einen effektiven therapeutischen Antikörpermedikamentenkandidaten entwickeln können. Dieses Wissen wird uns auch in Zukunft helfen, schneller und spezifischer bei der nächsten Pandemie reagieren zu können.”

Dr. Joop van den Heuvel, Strukturbiologe am HZI, ist “fasziniert vom Wirkmechanismus des Antikörpers“.

Prof. Dr. Dr. Luka Čičin-Šain, Leiter der Abteilung „Virale Immunologie“ am HZI, hebt hervor: „Das Beispiel COR-101 zeigt die besonderen Fähigkeiten der Region Braunschweig im Bereich der translationalen Infektionsforschung.”

Dr. André Frenzel, Wissenschaftlicher Leiter der YUMAB und CORAT GmbH, fügt abschließend hinzu: „Wir freuen uns auf die Daten der klinischen Studien mit COR-101, ein Antikörper, der die aktuelle Lücke bei der Behandlung von COVID-19-Patienten schließen kann.”

Zur Studie:

Die Studie entstand im Forschungsschwerpunkt Infektionen und Wirkstoffe der TU Braunschweig. Für die Untersuchungen wurde mit Mäusen und Hamstern gearbeitet. Die Tierversuche fanden am HZI und an der FU Berlin statt und wurden unter strengen Sicherheits- und Tierschutzauflagen durchgeführt.

Publikation:

Bertoglio, F., Fühner. V., Ruschig, M., Abassi, L., Heine, P.A., Klünemann, T., Rand, U., Meier, D., Langreder, N., Steinke, S., Ballmann, R., Schneider, K.-T., Roth, K.D.R., Kuhn, P., Riese, P., Schäckermann, D., Korn, J., Koch, A., Chaudhry, M.Z., Eschke, K., Kim, Y., Zock-Emmenthal, S., Becker, M., Scholz, M., Moreira, G.M.S.G., Wenzel, E.V., Russo, G., Garritsen, H.S.P., Casu, S., Gerstner, A., Roth, G., Adler, J., Trimpert, J., Hermann, A., Schirrmann, T., Dübel, S., Frenzel, A., Van den Heuvel, J., Čičin-Šain, L., Schubert, M. & Hust, M. (2021). A SARS-CoV-2 neutralizing antibody selected from COVID-19 patients binds to the ACE2-RBD interface and is tolerant to most known RBD mutations. Cell Reports, Available online 7 July 2021, 109433, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2211124721008500

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Hust
Technische Universität Braunschweig
Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik
Abteilung Biotechnologie
Spielmannstraße 7
38106 Braunschweig
Germany
Telefon: +49 531 391-5760
Mail: m.hust@tu-braunschweig.de
www.bbt.tu-bs.de/Biotech

Prof. Dr. Stefan Dübel
Technische Universität Braunschweig
Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik
Abteilung Biotechnologie
Spielmannstraße 7
38106 Braunschweig
Germany
Telefon: +49 531 391-5731
Mail: biotech@tu-braunschweig.de
www.bbt.tu-bs.de/Biotech

Originalpublikation:

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2211124721008500

Weitere Informationen:

https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/cor-101-hemmt-auch-die-sich-schnell-a…

Media Contact

Janos Krüger Presse und Kommunikation
Technische Universität Braunschweig

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…