Sind unsere Geh- und Fahrradwege bereit für die Zukunft der Lieferdienste?
Studie entwickelt Konzept zur Datenerfassung.
Forschende der TU Bergakademie Freiberg und der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg untersuchten, wie Lieferroboter und autonome Mikromobile künftig auf Gehwegen navigieren könnten – und auf welche Hürden die autonomen Kleinstfahrzeuge dabei stoßen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ermöglicht und fördert das Projekt.
„Wenn Post, Pakete oder Pizza in der Zukunft statt vom klassischen Lieferwagen von autonomen Robotern bis vor unsere Haustür geliefert werden, wird es auf den Geh- und Radwegen in Städten zu einer Konkurrenz-Situation kommen“, sagt Prof. Sebastian Zug von der Professur für Softwaretechnologie und Robotik der TU Bergakademie Freiberg. In einer einjährigen Studie untersuchte er mit seinem Team sowie Forschenden der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, inwiefern sich Geh- und Radwege in typischen deutschen Städten dafür eigenen und wie sich zur Beantwortung dieser Frage die notwendigen Daten generieren lassen. Das Projekt AK_hoch_2 wurde im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND mit insgesamt 98.000 Euro durch das BMVI gefördert.
Wie Roboter Gehwege nutzen könnten
Auch Dr. Tom Assmann vom Institut für Logistik und Materialflusstechnik der Otto-von-Guericke-Universität sieht in den potenziellen Anwendungen eine zukunftsweisende Alternative zu klassischen Lieferdiensten, die mit einem Auto zu den Kunden fahren: „Ist kein Parkplatz frei, wird auch mal in der zweiten Reihe geparkt und damit die verkehrliche Situation zusätzlich belastet. Autonome Kleinstfahrzeuge könnten eine deutliche Entlastung bewirken. Gleichzeitig können auf der Basis von autonom operierenden Systemen effizientere Verleihsysteme für Fahrräder entworfen werden, die damit einen Beitrag zur Verkehrswende liefern.“
Neben den potenziellen Vorteilen ergeben sich für eine Umsetzung solcher Lieferdienste aber auch eine Vielzahl von Fragen. „Welche Gehwege lassen von ihrer Beschaffenheit und Breite überhaupt ein Nebeneinander von Passanten, Radfahrenden und Robotern zu? Kann eine autonom operierende Plattform die Lieferzeiten auch einhalten, wenn viele Fußgänger den Gehweg frequentieren?“, nennt Prof. Sebastian Zug als Beispiele. Für eine faktenorientierte Evaluation bedarf es laut der Forschenden detaillierte Karten der Umgebung, die die Untergründe eines Gehweges, die Position von Poldern oder Absätzen genauso umfassen, wie das Passantenaufkommen oder die übliche Fahrgeschwindigkeit von Radfahrenden. „Bisherige öffentlich verfügbare Datensätze, wie zum Beispiel Open Street Map, decken diese spezifischen Informationen nicht ab. Vielmehr müssen die Daten an jedem Standort aufwändig manuell erhoben werden“, erklärt Dr. Tom Assmann.
Daten gezielt sammeln und auswerten
Das Forschungsprojekt AK_hoch_2 zielte darauf, diese Lücke durch die Erfassung von Umgebungsparametern anhand von Datensätzen zu schließen. Dazu schickte das Forschendenteam Mitarbeitende und Studierende mit ihren Fahrrädern über die Radwege der mitteldeutschen Städte Freiberg und Magdeburg. Zwei eigens entwickelte Messboxen, die auf die Erfassung von Beschleunigungswerten und Drehraten beziehungsweise Kamerabildern ausgerichtet waren, hatten sie dafür an Bord. Die Radfahrenden speicherten die Datensätze über ein Webportal in einer Datenbank, für die im Hintergrund eine umfangreiche Verarbeitungskette startete. „So wurden die Datensätze zum Beispiel durch das Entfernen von Ziel- und Anfangspunkten anonymisiert und die individuellen Messdaten einzelnen Wegsegmenten zugeordnet“, erklärt Prof. Zug. Um die Bewegungsdaten hinsichtlich tatsächlicher Höhenunterschiede im Untergrund abzubilden, erstellten die Forschenden ein Referenzmodell. Ausgehend von den Fahrradkonfigurationen konnten sie so die Geschwindigkeit und die Rauheit des Untergrundes quantifizieren. Die Wegbreiten und das Passantenaufkommen erfassten die Forschenden mit prototypischen Applikationen an den Fahrrädern. Mehr als 10.000 Kilometer wurden auf diese Weise im Rahmen des Projekts erfasst.
„Das Vorhaben definiert mit der evaluierten Verarbeitungskette wichtige Grundlagen für die Diskussion möglicher Regularien für den Einsatz von Robotern in urbanen Szenarien“, schlussfolgert Prof. Zug.
Die Forschung der Arbeitsgruppe Softwareentwicklung und Robotik an der TU Bergakademie Freiberg zielt auf autonome Mikromobile in verschiedenen Einsatzszenarien. Unter Einbeziehung der Studierenden des entsprechenden Studienganges werden Methoden zur fehlertoleranten Umgebungserfassung, der Pfad- und Energieplanung sowie der Evaluation ganzer Szenarien entworfen.
Über das Förderprogramm mFUND des BMVI
Im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND fördert das BMVI seit 2016 datenbasierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die digitale und vernetzte Mobilität 4.0. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung sowie durch die Bereitstellung von offenen Daten auf dem Portal mCLOUD. Weitere Informationen finden Sie unter www.mfund.de.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sebastian Zug
TU Bergakademie Freiberg, Fakultät für Mathematik und Informatik
E-Mail: sebastian.zug@informatik.tu-freiberg.de
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