Therapieresistenz von Krebs überwinden
Knochen- und Weichteiltumoren bei Jugendlichen als Modellsystem.
Therapieresistenz ist ein zentrales Problem in der Behandlung von Krebserkrankungen. Auch Knochen- und Weichteiltumoren von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, so genannte Sarkome, sprechen oft nicht dauerhaft auf die Behandlung an. Ursache dafür ist, dass Krebszellen beim Fortschreiten der Erkrankung eine Vielzahl neuer Eigenschaften ausbilden und dabei oft auch eine Resistenz gegen ursprünglich wirksame Medikamente entwickeln. Das interdisziplinäre Forschungskonsortium HEROES-AYA will nun herausfinden, wie die molekulare Heterogenität der Sarkome zur Therapieresistenz führt.
Daraus wollen die Forschenden grundsätzliche Einblicke in die Resistenzentstehung von Tumoren ableiten und Möglichkeiten entwickeln, wie man diese überwinden kann.
Geleitet wird das Projekt von Wissenschaftlern am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), an den Nationalen Centren für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und Dresden sowie am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), beteiligt sind insgesamt zwölf Forschungsinstitutionen. Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Vorhaben mit insgesamt über 15 Mio. Euro über fünf Jahre.
Bei vielen fortgeschrittenen Krebserkrankungen kommt es auch nach zunächst gutem Ansprechen auf eine Therapie zum Rückfall. Als Ursache für die rasch auftretenden Resistenzen gelten die komplexen Evolutionsprozesse, die Tumoren bei ihrem Wachstum durchlaufen. Zum Zeitpunkt der Diagnose hat sich aus der Ursprungzelle meist schon eine Vielzahl an Populationen von Krebszellen mit unterschiedlichen genetischen und epigenetischen Eigenschaften entwickelt. Krebszellen, die zunächst gut auf die Therapie angesprochen hatten, werden im Verlauf oftmals von resistenten Klonen abgelöst.
Das Auftreten von Therapieresistenzen, die aus dieser Heterogenität erwachsen, ist eines der größten Hemmnisse für die moderne Krebsmedizin und gleichzeitig eine große wissenschaftliche Herausforderung. Die dazu führenden komplexen Prozesse studieren die Forschenden an einer bestimmten Gruppe von Sarkomen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sarkome sind seltene, bösartige Knochen- und Bindegewebstumoren, die überall im Körper auftreten können. Bei Erwachsenen machen Sarkome nur eine von hundert Krebserkrankungen aus, bei Kindern und Jugendlichen sind sie mit elf Prozent häufiger. Viele davon sind nur wenig erforscht und in fortgeschrittenen Stadien sehr schlecht heilbar. Gemeinsam ist vielen Sarkomen, dass sie ein definiertes genomisches Merkmal tragen – eine Genfusion, die den Forschenden hilft, die Entwicklung des Tumors nachzuzeichnen.
Jugendliche und junge Erwachsene stellen eine besonders vulnerable Patientengruppe dar, für die nur selten eine Behandlung innerhalb früher klinischer Studien mit Einsatz neuer Substanzen und Wirkmechanismen möglich ist. Seit Jahrzehnten ist keine Verbesserung der Überlebensrate bei den jungen Sarkompatienten mit fortgeschrittener Erkrankung zu verzeichnen. Das interdisziplinäre Forschungsnetzwerk HEROES-AYA* wurde nun vom BMBF für die Förderung im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs ausgewählt. Mit der neuen Förderrichtlinie will das Ministerium erfolgversprechende Kooperationsprojekte ermöglichen, die die molekulare Evolution von Tumoren erforschen und damit zu besseren Behandlungsoptionen für therapieresistente Krebserkrankungen beitragen können.
„Unser Ziel ist zum einen, jungen Sarkompatienten langfristig wirksamere Behandlungen anbieten zu können. Darüber hinaus sind die Sarkome, die wir hier untersuchen, aus biologischen Gründen ein hervorragendes Modellsystem, um die Entwicklung der Tumorheterogenität zu untersuchen. Wir erwarten daher grundlegende Einblicke in die Mechanismen der Resistenzenstehung, die wir auch auf andere Krebsarten übertragen können“, erläutert Stefan Fröhling, Direktor des NCT Heidelberg, Abteilungsleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum und einer der drei Leiter von HEROES-AYA. Fröhling ergänzt: „Da die Mechanismen der Resistenzentwicklung sehr vielfältig sein können, müssen wir den Tumor aus vielen Perspektiven betrachten, um zu verstehen, wie diese zusammenarbeiten und an welchen Stellschrauben wir drehen können, um Resistenzen zu überwinden.“
Für die geplanten Projekte kann das Forschungskonsortium auf eine wertvolle Ressource zurückgreifen: Die beiden international renommierten Registerstudien INFORM und NCT MASTER schließen krebskranke Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ein, für die präzisionsonkologische Behandlungsansätze gesucht werden. Die hervorragend etablierten Studiennetzwerke bringen Kinderärztinnen und -ärzte, Spezialistinnen und Spezialisten für Sarkome und Expertinnen und Experten für alle relevanten molekularen Nachweismethoden und Therapieansätze zusammen, die für das anspruchsvolle Forschungsvorhaben HEROES-AYA gebraucht werden.
Im Rahmen der Diagnostik bei Ersterkrankung werden Sarkompatienten Gewebeproben des Tumors entnommen, zu späteren Zeitpunkten im Verlauf der Erkrankung sind weitere Biopsien vorgesehen. Dieses Tumormaterial wird auf das genaueste molekular entschlüsselt: Erbgut, Genaktivität, Epigenetik und Proteinzusammensetzung werden analysiert – jeweils auf der Ebene einzelner Zellen. Geplant ist, 600 Tumorproben von 220 Patientinnen und Patienten in Einzelzellauflösung zu entschlüsseln. Parallel dazu werden Blutproben ausgewertet und die Tumoren mit bildgebenden Verfahren beobachtet. „So können wir uns ein präzises mehrdimensionales Bild davon machen, wie sich der Tumor während seines Wachstums und unter Therapie weiterentwickelt hat, und welche neu auftretenden molekularen Abweichungen die einzelnen Zellklone aufweisen, die möglicherweise eine auftretende Therapieresistenz erklären können“, sagt Hanno Glimm, ebenfalls Leiter des HEROES-AYA-Konsortiums. Glimm ist Direktor am NCT/UCC Dresden und ebenfalls Abteilungsleiter am DKFZ.
Ob die so identifizierten molekularen Abweichungen möglicherweise erfolgversprechende Angriffspunkte für neue Therapien sind, soll anschließend durch Wirkstofftests an Patienten-abgeleiteten Modellen und an so genannten Tumororganoiden in der Kulturschale erprobt werden. „Letztendlich ist unser Ziel, möglichst schnell passgenaue klinische Studien auf den Weg zu bringen, mit denen wir gezielt neue Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen an Patientengruppen mit den als relevant identifizierten Tumormerkmalen prüfen können“, sagt Stefan Pfister, ebenfalls Leiter des HEROES-AYA-Konsortiums, Direktor am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ) und ebenfalls Abteilungsleiter am DKFZ.
Um die Erfahrungen und Informationen aus der Lebenswirklichkeit der Patientinnen und Patienten und Angehörigen direkt in den Forschungsprozess einzubinden, sind auch Vertreterinnen und Vertreter der Deutschen Sarkom-Stiftung (https://www.sarkome.de) an der Arbeit des Konsortiums beteiligt. So können Betroffene zum einen das Gesamtprojekt direkt beraten. Zum anderen wird dadurch von Beginn an das Bewusstsein der Patientinnen und Patienten für die Chancen und Grenzen neuer Therapieansätze geschärft, und sie erhalten durch zielgruppengenaue Informationen Entscheidungshilfe, z. B. hinsichtlich der Teilnahme an einer klinischen Studie.
„HEROES-AYA liefert einen wichtigen Beitrag, spürbare Fortschritte in der Krebsforschung und -medizin zu erzielen, die schnell bei den jungen Patientinnen und Patienten ankommen“, betont auch Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und Co-Vorsitzender im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs.
* HEROES-AYA: Heterogeneity, Evolution, and Resistance in Oncogenic fusion gene-Expressing Sarcomas affecting Adolescents and Young Adults)
Am Forschungsnetzwerk HEROES-AYA sind beteiligt (alphabetisch):
• Berlin Institute of Health in der Charité
• Deutsches Krebsforschungszentrum
• Deutsche Sarkom-Stiftung
• Hopp-Kindertumortumorzentrum Heidelberg (KiTZ)
• Klinikum Stuttgart
• Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden
• Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
• Technische Universität Dresden
• Technische Universität München
• Universitätsklinikum Essen
• Universitätsklinikum Heidelberg
• Universitätsklinikum Tübingen
Ein Bild zur Meldung steht zum Download zur Verfügung unter:
www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2021/bilder/Sarkomkrebszellen-in-Kultur_Immunfluoreszenz_Ausschnitt_by-Samuel-Charles-Umbaugh.jpg
BU: Auch im Labor kultivierte Zellen einer Sarkomkrebszelllinie wachsen im Nährmedium unterschiedlich aus. So können Zellbestandteile (hier: Zellkern blau, grün: Stoffwechselenzym Glutaminsynthetase, rot: Actin) angefärbt und damit sichtbar gemacht werden, um das Verhalten der Krebszellen zu beobachten und ihre Reaktion auf Wirkstoffe zu testen.
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Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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