Mut zur Lücke – auch im Genom

Feldversuche mit doppelhaploiden Linien einer europäischen Maislandrasse.
Bild: Tom Freudenberg, Technische Universität München

Die Nutzung genetischer Information ist für die moderne Pflanzenzucht unerlässlich geworden. Auch wenn die Sequenzierung der DNA seit der ersten Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2003 deutlich günstiger geworden ist, macht die Erhebung genetischer Informationen auch heute noch einen großen Teil der Kosten in der Tier- und Pflanzenzucht aus. Ein Trick, diese Kosten zu senken, besteht darin, nur einen sehr kleinen und zufällig ausgewählten Teil des Genoms zu sequenzieren und die verbliebenen Lücken mit mathematisch-statistischen Mitteln zu vervollständigen.

Hierfür hat ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Göttingen einen neuen methodischen Ansatz entwickelt, der in der Fachzeitschrift PLoS Genetics veröffentlich wurde.

„Kernidee der Methode ist es, sogenannte Haplotypenblöcke, also längere Abschnitte im Genom, die in verschiedenen Pflanzen durch Vererbung sehr ähnlich sind, zu erkennen und diese Mosaikstruktur zur Komplettierung zu nutzen“, sagt Dr. Torsten Pook vom Zentrum für Integrierte Züchtungsforschung der Universität Göttingen. „In Zuchtpopulationen haben die so ergänzten Sequenzen eine Qualität, als hätten wir ein hundertfaches an Informationen des DNA-Strangs erhoben.“ Ziel der Forschenden ist es, im Rahmen des Projektes MAZE Maispflanzen mit geringer Anfälligkeit gegen Frost- und Dürreschäden zu züchten. Die KWS Saat SE, ein Partner des Projekts, wendet die Methode aufgrund ihrer hohen Kosteneffizienz bereits in Zuchtprogrammen an.

„Ein weiterer Vorteil ist, dass wir durch das Verfahren nicht nur Unterschiede in einzelnen Nukleotiden im DNA-Strang feststellen, sondern auch strukturelle Veränderungen erkennen können, die bisher züchterisch praktisch gar nicht nutzbar sind“, so Pook. Nach aktuellem Stand ist die Methode bisher allerdings nur für durch Inzucht entstandene Linien in der Pflanzenzüchtung effizient nutzbar. Eine Folgestudie, um das Verfahren auch auf Organismen mit regulärem zweifachem Chromosomensatz, wie den meisten Wirbeltieren einschließlich des Menschen, zu erweitern, ist bereits in Planung.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Torsten Pook
Georg-August-Universität Göttingen
Zentrum für Integrierte Züchtungsforschung
Albrecht-Thaer-Weg 3, 37075 Göttingen
Telefon: (0551) 39-25609
Email: torsten.pook@uni-goettingen.de
Internet: http://www.uni-goettingen.de/de/585938.html

Originalpublikation:

Torsten Pook et al. Increasing calling accuracy, coverage, and read-depth in sequence data by the use of haplotype blocks. PLoS Genetics (2021). https://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1009944.

http://www.uni-goettingen.de/

Media Contact

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung

Aktuelle Meldungen und Entwicklungen aus fächer- und disziplinenübergreifender Forschung.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Mikrosystemforschung, Emotionsforschung, Zukunftsforschung und Stratosphärenforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik

Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…

Datensammler am Meeresgrund

Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…

Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…