Beispiel Bahn: Methodenmix für geringere Betriebskosten und mehr Komfort

Dass Sparen nicht zu Lasten der Qualität gehen muss, zeigt ein Projekt, das derzeit bei der Deutschen Bahn Systemtechnik AG, München, läuft. Ein ausgeklügelter Mix verschiedener Methoden aus dem Qualitäts- und dem Life-Cycle-Management deckt auf, welche Fahrzeugkomponenten im Vergleich zum Kundennutzen zu hohe Lebenslaufkosten aufweisen.

Geht es ums Optimieren und das Senken von Kosten, richtet sich der Rationalisierungsblick derzeit meist auf die Entwicklung und die Produktion. Bei langlebigen Investitionsgütern wie Schienenfahrzeugen spielen jedoch die Phasen des Fahrzeugbetriebs und -unterhalts eine viel bedeutendere Rolle, da hier über die Zeit kumuliert die meisten Kosten anfallen. »Kostensenkungsprogramme müssen ganzheitlich über das gesamte Leben eines Produkts greifen und die Lebenslaufkosten adressieren«, fordert deshalb Stefan Berger vom Fraunhofer IPA und denkt dabei u. a. an die Kostenblöcke Energie, Wartung und Instandhaltung sowie an die Entsorgung am Ende des Lebenszyklus. Die Ursachen von zu hohen Lebenslaufkosten sind häufig nicht markt- und betriebsgerecht gestaltete Komponenten des Investitionsguts oder Produktionsmittels. In einem Industrieprojekt unterstützt das Fraunhofer IPA derzeit die Deutsche Bahn AG, München, bei der Ermittlung der Fahrzeugkomponenten, die im Vergleich zum Kundennutzen hohe Lebenslaufkosten aufweisen. Um den Optimierungspotenzialen auf die Spur zu kommen, haben Wissenschaftler des Fraunhofer IPA die methodischen Ansätze der Wertanalyse, des Quality Function Deployment (QFD) und des Life-Cycle Costings (LCC) auf einander abgestimmt und in ein Gesamtkonzept integriert. Daraus entstand ein verbessertes, übergreifendes Instrument, das die entsprechenden Ansatzpunkte bei Leistungsmerkmalen und Kosten sicher identifiziert.

Führten die üblichen Wege zum Kostensenken bislang über Wegrationalisieren und Rückzug auf die Kernkompetenzen durch Outsourcing, so zeigt der neue, kombinierte Ansatz, dass nachhaltiges Kostensenken vor allem in den frühen Phasen der Entwicklung beginnt und an die Produktgestaltung gebunden ist. Das Life-Cycle-Costing bezieht die Kosten während der gesamten Produktlebensdauer ein und ermöglicht eine erweiterte Betrachtungsperspektive. Die QFD-Methodik setzt Kundenwünsche in Produktfunktionen und messbare Qualitätsmerkmale wie technische Spezifikationen um. »Als Werkzeug für die gezielte Umsetzung nutzen wir das ‘House of Quality’«, erklärt Berger. »Anschließend werden wir mit einer Wertanalyse alle Kosten erkennen und eliminieren, die für die ermittelten Funktionen nicht notwendig sind.« Mit Hilfe der erweiterten QFD-Methodik hat das Projektteam in gemeinsamen Workshops ermittelt, wie wichtig die einzelnen Funktionen des betrachteten Zuges für den Kunden sind. Als Grundlagen dienten zahlreiche von der Deutsche Bahn AG durchgeführte Marktuntersuchungen sowie Funktions- und Komponentenstrukturen des betrachteten Fahrzeugs. Dabei hat sich u. a. ergeben, dass die Funktion »Komfort« eine wichtige Rolle bei der Zufriedenstellung der Kundenwünsche spielt.

»Parallel dazu erarbeiten wir im Rahmen des Life-Cycle-Costings gemeinsam mit dem Auftraggeber Kostenstrukturen für die gesamte Produktlebensdauer, ergänzen sie mit erhobenen Kostendaten auf Komponentenbasis und weisen die Komponentenkosten den Funktionen zu, die sie verursachen«, berichtet Stefan Berger. So fließen beispielsweise die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung der Komponentengruppe »Heizung und klimatechnische Einrichtungen« in die Berechnung der Kosten für die Funktion »Komfort« mit ein. Durch den Vergleich der Funktionskosten mit den in der QFD ermittelten Funktionsgewichten lassen sich dann im Kostenkontrolldiagramm die Funktionen ermitteln, die Optimierungspotenziale aufweisen und – bezogen auf ihren Kundennutzen – zu hohe Kosten verursachen. Ein genauerer Blick auf die Zusammensetzung der Funktionskosten gibt bereits erste Hinweise für die Optimierungsrichtung: So können hohe Kosten der Fehlerdiagnose- und Fehlerbehebungstätigkeiten in der Instandhaltung auf den Bedarf einer demontage- und servicefreundlicheren Produktkonstruktion hinweisen.

»Betrachtet man die Funktionen, erweitert sich der Lösungsraum immens und bei der Suche nach neuen Lösungen bleibt der Blick nicht so schnell am Bestehenden haften«, stellt Berger fest. Bei herkömmlichen Kostenoptimierungen wird versucht, bereits bestehende Komponenten weiter zu verbessern. Das Denken in Funktionen unterstützt dagegen das Loslassen der bestehenden Lösungen und das Finden von gänzlich neuen Wegen, eine Funktion zu optimieren. Auf der Basis der im Kostenkontrolldiagramm ermittelten Funktionen mit Verbesserungsbedarf, erarbeitet die Deutsche Bahn die entsprechenden Verbesserungsvorschläge in Eigenregie. Das Fraunhofer IPA unterstützt im nachfolgenden Schritt bei der Bewertung der einzelnen Lösungsalternativen nach den Gesichtspunkten Kosten, Risiken und zeitliche Realisierbarkeit. »Das Projekt zeigt, dass die Erschließung von Optimierungspotenzialen nicht zu Lasten der Kundenorientierung gehen muss, sondern im Gegenteil am Besten im Einklang mit dem Markt erfolgt«, zieht Berger Bilanz. Darüber hinaus fördert die strukturierte Betrachtung von Produktlebenslaufkosten ein neues Kostenbewusstsein: Denn die Kosten, die in den späteren Phasen des Fahrzeugbetriebs und der Fahrzeugunterhaltung entstehen, lassen sich viel effektiver in den frühen Phasen der Fahrzeugentwicklung beeinflussen, wenn die technischen Eigenschaften entsprechend festgelegt werden.

Ihre Ansprechpartner für weitere Informationen:

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik
und Automatisierung IPA
Dipl.-Ing. Stefan Berger
Telefon: +49(0)711/970-1821
E-Mail: stefan.berger@ipa.fraunhofer.de

Dipl.-Wi.-Ing. Danina Janz
Telefon: +49(0)711/970-1382
E-Mail: danina.janz@ipa.fraunhofer.de

Media Contact

Dipl.-Ing. Stefan Berger Fraunhofer IPA

Weitere Informationen:

http://www.ipa.fraunhofer.de

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