Neue Methode bringt genauere Informationen zu Leukämien
Die optische Genomkartierung könnte ein Baustein der Routinediagnostik werden.
Genetische Analysen sind Standard, um die Ursache von Leukämien zu ergründen und die optimale Behandlungsstrategie der auch als Blutkrebs bezeichneten Erkrankungen abzuleiten. Ein Forschungsteam aus Bochum und Essen hat eine neue Methodik untersucht, die dabei mehr Genauigkeit bietet. Die sogenannte optische Genomkartierung brachte in zwei Dritteln aller untersuchten Fälle genauere Informationen zu den genetischen Grundlagen der Krankheit hervor.
Das Team unter Leitung von Prof. Dr. Huu Phuc Nguyen, Inhaber des Lehrstuhls für Humangenetik der Ruhr-Universität Bochum (RUB), und Prof. Dr. Roland Schroers, Leiter der Abteilung Hämatologie, Onkologie, Stammzell-/Immuntherapie im Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus, berichtet in der Zeitschrift International Journal of Cancer vom 22. Januar 2022.
Laser bringt Moleküle zum Leuchten
Für die optische Genomkartierung werden sehr lange Moleküle des menschlichen Erbguts beispielsweise aus routinemäßig abgenommenen Blutproben oder Knochenmarkmaterial von Patientinnen und Patienten gewonnen. Diese langen DNA-Moleküle werden an über einer halben Million unterschiedlichen Positionen des gesamten menschlichen Erbguts mit leuchtenden Farbstoffmolekülen markiert und auf einem speziellen Chip durch sehr dünne Nanokanäle geleitet. Während sich die DNA-Moleküle durch die Nanokanäle bewegen, werden sie mit einem Laser zum Leuchten gebracht und mithilfe eines Mikroskops fotografiert. Die Bilder des gesamten Genoms werden dann bioinformatisch analysiert. „Dabei geht es darum, Veränderungen in Regionen, welche für die Entstehung von Krebs bedeutend sind, ausfindig zu machen und auszuwerten“, erläutert Dr. Wanda Gerding aus der Bochumer Humangenetik.
Die optische Genomkartierung bietet somit die Möglichkeit, bekannte und für die Klassifikation und Therapie von Leukämien wichtige Regionen genomweit mit nur einer Methodik zu untersuchen. Darüber hinaus erlaubt sie es, auch neue relevante genomische Bereiche und neue Gene zu identifizieren.
Zuverlässige und erweiterte Ergebnisse
In der aktuellen Studie hat das Team das neue Verfahren im Vergleich zur derzeitigen Standarddiagnostik bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie sowie myelodysplastischen Syndromen untersucht. Die Forschenden konnten zeigen, dass die neue Methode in 93 Prozent der untersuchten Proben mit den Ergebnissen aus einer klassischen Untersuchung, dem sogenannten zytogenetischen Karyogramm der Träger des Erbguts, übereinstimmt. In 67 Prozent der Proben konnten sogar erweiterte gesamtgenomische Informationen abgeleitet werden.
Die neue Methode kann somit Strukturveränderungen im Genom nicht nur genauer nachweisen, sondern hat auch das Potenzial, ein wichtiger Baustein der Routinediagnostik für Patientinnen und Patienten mit Leukämien zu werden. „Als weiteres Plus können der Genomforschung Daten und neue Erkenntnisse für weitere Forschungsarbeiten im Bereich der Tumorbiologie bereitgestellt werden“, so Wanda Gerding.
Kooperationspartner
Für das Projekt kooperierten die Abteilung Humangenetik der RUB unter Leitung von Prof. Dr. Huu Phuc Nguyen mit der Hämatologie, Onkologie, Stammzell- und Immuntherapie des Knappschaftskrankenhauses Bochum unter Leitung von Prof. Dr. Roland Schroers, zugehörig zum Zentrum für Hämatoonkologische Erkrankungen (ZHOE) der RUB, und Prof. Dr. Peter Reimer aus der Hämatologie, Internistischen Onkologie und Stammzelltransplantation der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte. Die enge wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Fachabteilungen erfolgte durch Dr. Deepak Vangala, Dr. Wanda Gerding, Dr. Verena Nilius-Eliliwi (gefördert durch das „Female Clinical Scientist“-Programm der Medizinischen Fakultät der RUB) und den Promotionsstudenten Marco Tembrink (Humangenetik, mit Förderung der Promotionsarbeit im Rahmen des strukturierten Promotionsprogramms (FoRUM RUB)). Für das Projekt wurde von der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der RUB ein positives Votum ausgesprochen (Nr. 20-7063).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Huu Phuc Nguyen
Abteilung Humangenetik
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 23822
E-Mail: huu.nguyen-r7w@rub.de
Prof. Dr. Roland Schroers
Abteilung Hämatologie, Onkologie, Stammzell-/Immuntherapie
Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus
Tel.: +49 234 299 83447
E-Mail: roland.schroers@rub.de
Originalpublikation:
Wanda Gerding, Marco Tembrink, Verena Nilius-Eliliwi et al.: Optical genome mapping reveals additional prognostic information compared to conventional cytogenetics in AML/MDS patients, in: International Journal of Cancer, DOI: 10.1002/ijc.33942
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge
Lange angestrebte Messung des exotischen Betazerfalls in Thallium
… hilft bei Zeitskalenbestimmung der Sonnenentstehung. Wie lange hat eigentlich die Bildung unserer Sonne in ihrer stellaren Kinderstube gedauert? Eine internationale Kollaboration von Wissenschaftler*innen ist einer Antwort nun nähergekommen. Ihnen…
Soft Robotics: Keramik mit Feingefühl
Roboter, die Berührungen spüren und Temperaturunterschiede wahrnehmen? Ein unerwartetes Material macht das möglich. Im Empa-Labor für Hochleistungskeramik entwickeln Forschende weiche und intelligente Sensormaterialien auf der Basis von Keramik-Partikeln. Beim Wort…
Klimawandel bedroht wichtige Planktongruppen im Meer
Erwärmung und Versauerung der Ozeane stören die marinen Ökosysteme. Planktische Foraminiferen sind winzige Meeresorganismen und von zentraler Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane. Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums CEREGE in…