TV-Doku: Wenn Satelliten zur Erde segeln
Mit dem New Space explodieren die Starts von kleinen Satelliten, die im Orbit zu einem Netz verbunden werden und Daten miteinander austauschen können. Was passiert mit diesen Objekten am Lebensende? Um Altlasten dieser Satelliten-Konstellationen künftig aus den niedrigen Umlaufbahnen zu holen, gibt es inzwischen preiswerte Methoden, wie das Bremssegel des deutschen Mittelständlers HPS.
Susanne Päch sprach für die HYPERRAUM.TV „Segelflug zur Erde“ mit dem HPS-Geschäftsführer Dr.-Ing. Ernst Pfeiffer sowie mit dem Weltraumschrott-Experten Dr. Manuel Merz aus der DLR über den Markt und seine Chancen wie Risiken.
Für Innovatoren aus Deutschland ist der Weltraum bis heute ein interessantes Thema. Nicht nur Forschungsinstitute bringen mit ihren Ingenieuren interessante Neuerungen, auch etliche mittelständische Unternehmen machen immer wieder mit kreativen Lösungen auf sich aufmerksam: beispielsweise HPS. Das Maschinenbau-Unternehmen stellt weltraumtaugliche mechanische und thermale Bauteile wie Antennen, Kohlefasern- oder Leichtgewichtstrukturen her. Sie werden für Telekommunikations- und TV-Satelliten oder auch für die Erdbeobachtung gebraucht. Und dann gibt es noch ein recht spezielles Feld: Segel für das sogenannte De-Orbiting.
Der Fachmann bezeichnet als De-Orbiting ein Feld, das in den letzten Jahren angesichts der zunehmenden Vermüllung des erdnahen Raums erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Es geht um die Entsorgung ausrangierter oder auch havarierter Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen.
Geregelt ist die Entsorgung von Altlasten in einer Art Gentlemen‘s Agreement der nationalen Raumfahrtbehörden im IADC, dem Inter-Agency Space Debris Coordination Committee. Dort ist das De-Orbiting ausrangierter Satelliten zur Vermeidung von weiterem Weltraummüll fixiert und wird von den zeichnenden Raumfahrtagenturen formal seit 2003 eingehalten. Festgehalten ist darin auch die Empfehlung, dass Satelliten 25 Jahre nach dem Start wieder aus dem Orbit entsorgt werden müssen. Gerade in den niedrigen Umlaufbahnen bestehen allerdings noch erhebliche Defizite in der Umsetzung, wie internationale Analysen der Schrottsituation in Umlaufbahnen belegen.
Immerhin ist aber das zu vermelden: Der Weltraumschrott stieg in den letzten zwei Jahrzehnten nicht mehr so rapide an wie im 20. Jahrhundert. Positive Meldung gibt es vor allem im geostationären Orbit, wo die besonders großen und schweren Satelliten für TV und Kommunikation stehen. Sie werden kurz vor ihrem Lebensende in einen Friedhof geschafft, wo sie dauerhaft geparkt werden können. Und die in niedrigen Umlaufbahnen fliegenden Satelliten werden heute am Lebensende mit dem sogenannten aktiven De-Orbiting aus dem Verkehr gezogen: separate kleine Bremsraketen, die vom Kontrollzentrum gezündet werden – so weit jedenfalls die Theorie. Denn das erfordert einen bestehenden Kontakt mit der Kontrollstation. Ist ein Satellit im Orbit jedoch ausgefallen oder havariert und seine Stromzufuhr defekt, dann können die Bremsraketen nicht mehr gezündet werden.
Die Raumfahrtbehörden, die vor dem Problem des Weltraumschrotts Jahrzehnte lang die Augen verschlossen hatten, haben inzwischen aber erkannt, dass das Problem irgendwie gelöst werden muss. Für havarierte Satelliten plant die ESA deshalb eine erste Demonstration mit einem Greifer, der solche Objekte im Weltraum einfängt und dann mit ihm zusammen in die Atmosphäre eintaucht, wo alles sicher verglüht. Doch die Methode ist auch teuer – und sogar umweltbelastend, denn für jedes Objekt muss ein neues System gebaut und ins All befördert werden. Gleiches gilt für einige andere fantasievolle, aber ziemlich aufwändige One-Way-Konzepte technologie-schwelgender Ingenieure.
An dieser Stelle nun kommen die privaten Betreiber von Netzen aus Kleinsatelliten ins Spiel. Für ihre preiswerten Kleinsatelliten sind solche Lösungen unbrauchbar, weil nicht finanzierbar.
Eine Lösung wären die neuen, passiven De-Orbit-Systeme, eine Art autonomes De-Orbiting, das den Satelliten bei Fehlfunktion mit dem Segel selbständig aus der Umlaufbahn zieht. Die kleinen Systeme, die dafür mit einer internen Batterie ausgestattet sind, können das Segel also ohne Signal von der Bodenkontrolle auslösen, wenn der Satellit havariert. Passive, also antriebslose Produkte wie das Bremssegel würden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Weniger neu entstehender Müll im Orbit – und das noch mit einer preiswerten, leichten und damit machbaren technologischen Entsorgungsmethode für Kleinsatellitenbetreiber. Beim derzeitigen Start von tausend Minisatelliten pro Jahr noch recht viel Konjunktiv um deren künftige Entsorgung also. Denn für private Betreiber gibt es heute außer dem Eigeninteresse, den Orbit sauber zu halten, keine verbindlichen Vorschriften, dass sie ihre Altlasten entsorgen müssen. Sie alle gehören auch nicht zum illustren IADC-Zirkel, der die Vorschriften für die großen nationalen Raumfahrtbehörden aufstellt, was wohl auch weiter so bleiben soll. In der UN arbeitet man an einer entsprechenden Regelung, die verbindlich werden könnte. Doch das ist angesichts der etlichen hundert Kleinsatelliten, die jedes Jahr aufsteigen, derzeit keine Hilfe.
Ernst Pfeiffer wird nicht müde, die Vorteile des passiven, gemeinsam mit DLR-Instituten entwickelten De-Orbiting anzupreisen. Denn HPS ist für die Entwicklung des Bremssegels ins finanzielle Risiko gegangen. Doch es gibt ein marktwirtschaftliches Problem. Zum einen verpflichtende fehlen Regularien, zum anderen sind die privatwirtschaftlichen ausländischen Betreiber derzeit zögerlich, das Produkt zu kaufen – ohne erforderlichen Zwang. Und einen europäischen Absatzmarkt für solche Lösungen gibt es nicht. Die Kleinsatelliten bis hinunter zu den Cubesats sind heute vor allem für Universitätsprojekte interessant. Weiterhin fehlt für eine europäische Satellitenkonstellation gesamteuropäisches Verhalten. Jeder macht für sich was wer will – wie so oft in Europa. Auch Deutschland. Dabei gewinnt der sogenannte New Space, also die privatwirtschaftliche Erschließung des Weltraums, zunehmend an Bedeutung in Sachen Digitalisierung oder Industrie 4.0. Zumindest für Pfeiffer ist deshalb das zögerliche Verhalten in Europa gerade für die Exportnation Deutschland noch bedenklicher als die schon am Horizont aufgezogene Gefahr, die globale Vormachtstellung im Automobilsektor zu verlieren.
Ansprechpartner:
Dr. Susanne Päch
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