Leipziger Forscherin erkundet Populationsbiologie der Smaragdeidechse
Das in verschiedenen Grüntönen schimmernde Schuppenkleid gab ihr den Namen: Smaragdeidechse. Männchen bringen es unter günstigen Bedingungen auf die stattliche Größe von bis zu 35 Zentimetern. Doch hierzulande waren die günstigsten Bedingungen spätestens mit dem Höhepunkt der letzten Warmzeit (400 v.d.Z) vorbei. Wie es denen geht, die dennoch im kühlen Norden leben und ob man gar das Aussterben dieser seltenen Art in Deutschland befürchten muss, wird derzeit an der Universität Leipzig erforscht.
Diplom-Biologin Manja Böhme muss für ihre Promotion auf Jagd gehen. Dort, wo die Smaragdeidechsen (Lacerta viridis) leben ¯ und so entstehen schon die ersten wissenschaftlichen Fragen. „Hier auf dieser Europa-Karte sieht man, dass es neben der großen Zentralpopulation zwischen der ungarischen Tiefebene, Griechenland und Rumänien noch mehrere isolierte Randpopulationen gibt“, erläutert sie die weit auseinander liegenden Punkte in Deutschland, der Tschechischen Republik, Österreich, Slowenien und der Ukraine. „Ich möchte mit meiner Arbeit sehr viele Fragen beantworten, zum Beispiel: Wodurch unterscheiden sich die Tiere in den einzelnen Regionen? Welche Auswirkungen hatte die Fragmentierung, also die Zerstückelung, der Lebensräume? Inwieweit ist in den kleineren Populationen die genetische Variabilität reduziert? Schränkt das die Überlebenschancen der Art ein?“ Unterstützt wird die junge Wissenschaftlerin dabei durch ein Stipendium der Evangelischen Studienstiftung, durch Fördermittel der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) und durch die Heinz-Sielmann-Stiftung.
Bei besagter Jagd geht es Manja Böhmes „Opfern“ jedoch keineswegs ans Leben. Ganz vorsichtig legt sie dem Reptil eine Schlinge um den Hals und greift entschlossen zu. Die Tiere müssen lediglich einen Tropfen Blut hergeben, sich vermessen lassen und erdulden, dass sie bis zu nächsten Häutung mit einem weißen Nagellack-Pünktchen auf den Kopfschuppen herumlaufen. Diese Markierung verhindert, dass das Tier doppelt in die Analyse eingeht. Bis zu 30 Tiere am Tag kann die junge Forscherin auf diese Art und Weise registrieren, bei schlechtem Wetter ist sie auch mal umsonst unterwegs. Deshalb muss sie möglichst jene Stunden am Vormittag oder am frühen Abend abpassen, in denen sich die Smaragdeidechsen in der Sonne aufwärmen.
Bisher war Manja Böhme vor allem in Brandenburg unterwegs, wo eine der beiden wichtigen deutschen Populationen zu Hause ist. Weitere Untersuchungen führten Sie nach Tschechien, Österreich, Slowenien und Ungarn. Aus anderen Regionen wie Rumänien, Serbien und der Ukraine bekommt sie die Blutproben von Kooperationspartnern.
Doch das Laufen durch die Natur ist der geringere Teil der wissenschaftlichen Arbeit. Mit den Blutproben und Notizen kehrt die Biologin nach Leipzig an die Fakultät für Biowissenschaften zurück und beginnt dort im Labor und am Schreibtisch die wesentlich aufwändigere Auswertung ihrer Sammelergebnisse. Wichtigster Bestandteil dieser Arbeit ist die Analyse der Blutproben. Es gilt, die DNA zu isolieren sowie die genetischen Eigenheiten und Gemeinsamkeiten aller Tiere zu registrieren. So kann ¯ ähnlich wie beim menschlichen Vaterschaftstest ¯ ermittelt werden, welche Smaragdeidechse mit welcher näher verwand ist. Doch die DNA-Untersuchungen geben noch mehr Auskünfte. Sie beantworten vor allem die Frage nach der noch gegebenen oder schon verlorengegangenen genetischen Variabilität innerhalb kleinerer, isolierter Populationen. Was unterscheidet beispielsweise die rund 280 brandenburgischen von den zigtausenden anderen Eidechsen?
In diesem Zusammenhang suchte Manja Böhme im Genom der Smaragdeidechsen spezielle hochvariable Sequenzabschnitte, die Mikrosatelliten, mit deren Hilfe sie auch kleinste genetische Unterschiede aufdecken kann.
Praktische Bedeutung haben die Leipziger Studien bereits jetzt für die Zuchtarbeit der Naturschutzstation Rhinluch im brandenburgischen Linum, wo auch über die frei lebenden Tiere Buch geführt wird. „Falls der genetische Pool der kleinen Brandenburger Population schon zu klein ist, könnten z.B. Infektionskrankheiten schlagartig viele Tiere ausrotten“, befürchtet Manja Böhme. Werden die Individuenzahlen der Populationen durch biologische oder menschliche Einflüsse weiter verringert, wächst außerdem die Gefahr der artgefährdenden Inzucht. Also müssen die Tierschützer eventuell dafür sorgen, dass die 280 Eidechsen immer Kontakt zueinander haben, beispielsweise indem sie Korridore anlegen. Und sie könnten durch Wildfang und Zucht eine Art genetische Reserve vorbereiten. Die Argumente für diese Investitionen bekommt die Zuchtstation gegebenenfalls durch meine Arbeit.“
Was die Biowissenschaftler und Naturschützer jedoch keinesfalls ins Auge fassen, ist die Vermischung mit den anderen europäischen Populationen, da sich durch die isolierte Lage der Habitate vielleicht schon genetische Unterschiede innerhalb der Art entwickelt haben. Marlis Heinz
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