Spermium sorgt für erste Ordnung im Embryo

Die erste Körperachse im Wurms C. elegans wird bereits im einzelligen Embryo definiert. Die vordere Hemisphäre (im Diagramm rot) wird zur Außenseite des Wurms; die hintere Region (im Diagramm blau und mit einem fluoreszierenden Protein markiert) zur Innenseite. Bild: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik

Der Zentrosom-Komplex des Spermiums löst auf bisher unbekannte Weise die Bildung der ersten Körperachse im Embryo aus, berichten Dresdner Max-Planck-Forscher

Die rechtzeitige räumliche Organisation des Körpers ist für viele Lebewesen wichtige Voraussetzung für die korrekte Entwicklung von Geweben und Organen. Beim Fadenwurm C. elegans polarisiert sich die befruchtete Eizelle sehr rasch nach der Befruchtung in einen Vorder- und Hinterpol entlang einer ersten Körperachse. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden haben jetzt herausgefunden, dass bei der Herausbildung der beiden Hemisphären das Zentrosom eine entscheidende Rolle spielt – und zwar unabhängig von seiner Rolle als Organisator der Mikrotubuli. Vom Zentrosom kommt das Startsignal für die räumliche Organisation des Embryos, ein möglicherweise schon sehr früh in der Evolution konservierter, bei vielen Arten bestehender Mechanismus (Nature, 2. September 2004).

Was legt bei Tieren fest, wo der Kopf- und der Schwanzteil entsteht? Die Ausbildung der Körperachsen ist ein fundamentales Problem in der Entwicklungsbiologie. Die Entscheidungen dazu werden früh im tierischen Embryo getroffen, doch auf welche Weise zum Beispiel die vordere und die hintere Hemisphäre definiert werden, ist weiterhin unbekannt. Der kleine Fadenwurm C. elegans hat in den vergangenen 20 Jahren eine Reihe von neuen Erkenntnissen dazu geliefert, wie sich die Körperachsen ausbilden. So wird die erste Achse noch im einzelligen Embryo festgelegt, etwa 30 Minuten nach der Befruchtung, wenn sich zwei unterschiedliche Bereiche herauszubilden beginnen. Diese bilden dann die beiden Hemisphären des ovalen Embryos und bestimmen die zukünftige Entwicklung des Wurminneren bzw. -äußeren.
Doch eine wichtige Frage blieb bisher unbeantwortet, nämlich wodurch die Achse spezifiziert wird, an der entlang sich die Bereiche ausbilden. Man weiß inzwischen, dass das Spermium eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt, da der Ort der Befruchtung ganz spezifisch mit der Position einer der beiden Domänen übereinstimmt. Das Sperma des Wurms ist relativ einfach aufgebaut und trägt zwei für die Entwicklung des Embryos bedeutsame Teile bei: den Zellkern und damit die väterlichen Gene, und das Zentrosom, eine zierliche Fass-ähnliche Struktur, die später dazu dient, die meisten der Bestandteile in der Zelle zu organisieren. Da sich bei Mutanten, denen der Kern des Spermiums fehlt, die Vorder-Hinter-Achse normal ausbildet, vermutet man, dass das Zentrosom der Hautbeitrag des Spermiums zur räumlichen Organisation des Embryos ist.

Carrie Cowan und Tony Hyman vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik haben diese Vermutung nun direkt getestet. Sie benutzten einen genau definierten Laserstrahl, um das Zentrosom zu zerstören, bevor sich die Körperachsen im einzelligen Embryo von C. elegans ausbilden konnten. In diesem Fall bildeten sich die Achsen gar nicht aus und die Zelle zeigte typische Eigenschaften nur einer der Domänen, nämlich des Vorderpols.

Als die Forscher im Embryo des Wurms in Echtzeit beobachteten, wie sich die Domänen herausbilden, wurde klar, dass sich die hintere Domäne normalerweise von der Stelle aus entwickelt, wo sich eigentlich das Zentrosom in der Zelle befindet. Die Wissenschaftler zerstörten daraufhin mit Laser-Ablation das Zentrosom während und nach der Ausbildung der hinteren Domäne. Doch das Fehlen des Zentrosoms hatte keinerlei Wirkungen auf die Ausbreitung bzw. den Erhalt der beiden Domänen. Folglich scheint die Herausbildung der ersten Körperachse durch ein vorübergehendes räumliches Signal diktiert zu werden, das vom Zentrosom ausgeht.

Bisher ist das Zentrosom bekannt als das Organisationszentrum des Mikrotubuli-Netzwerkes (Spindelapparat) in der Zelle, und die Mikrotubuli-Spindeln organisieren wiederum die meisten der Zellbestandteile. Die Forscher testeten nun, ob diese Funktion tatsächlich für die Ausbildung der beiden Domänen erforderlich ist. Doch die genetische bzw. chemische Eliminierung der Mikrotubuli aus dem einzelligen Embryo von C. elegans hatte keinerlei Auswirkung auf die Ausbildung der Körperachse. Die Funktion des Zentrosoms in der Entwicklung der Körperachsen scheint also unabhängig zu sein von seiner sonstigen Rolle als Organisationszentrum der Mikrotubuli. Das bedeutet, dass Zentrosome über eine von den Mikrotubuli unabhängige Funktion verfügen, räumliche Signale abzugeben, die Zellen dazu bringen, funktional unterschiedliche Regionen zu bilden.

Media Contact

Dr. Andreas Trepte idw

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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