Innovativer 2D-Zugversuch für Design von Kunststofftanks

Eingebauter Probekörper mit schwarz-weißem Muster nach dem Test bei 80°C (Ansicht von unten (stempelabgewandt) durch das Seitenfenster
Bild: Fraunhofer LBF

Die übliche Auslegung von Kunststoffbauteilen auf Basis von Modellen für Metalle kann zu kritischen Fehlinterpretationen bei Kunststoffen führen, da diese vorwiegend mehraxialen Zugbelastungen ausgesetzt sind. Materialmodelle für Kunststoffe benötigen Daten aus 2D- und 3D-Zugversuchen.

Im Fraunhofer LBF wurden bekannte Prüfvorschriften für den biaxialen Zugversuch unter Temperatureinfluss auf den aktuellen Forschungsstand gebracht. Die implementierte optische Messung während der Belastung erfasst das mechanische Verhalten. Diese Daten vereinfachen die Anpassung eines materialgerechten Modells. Eine Extrapolation auf 3D-Zug ist möglich und entscheidend für sicheres und kosteneffektives Design.

Etablierte Auslegungsmethoden basieren in der Regel auf Daten aus uniaxialen Zugversuchen. Bei Kunststoffbauteilen sind solche Methoden kritisch zu bewerten. Vor allem bei Tanks und Behältern, die unter Innendruck stehen, bei Ventilen oder Bauteilen in Unterwasseranwendungen führen solche Auslegungen zu »unerwartetem« Versagen im Einsatz. Ziel des Forscherteams am Fraunhofr-Institut fürBetriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF ist, der Industrie anwendungsbezogene und wirtschaftliche Methoden bereitzustellen, die es erlauben, grundlegende Informationen über das mechanische Verhalten unter mehraxialen Zugbelastungen abzuleiten.

Die neue Vorgehensweise des Fraunhofer LBF liefert sowohl Daten für eine zuverlässige Modellierung von Bauteilen unter praxisrelevanten Belastungen als auch geeignete Auslegungswerkzeuge. Bauteile aus dem Automotivebereich, Komponenten im Flugzeugbau oder Produkte für Sport, Medizin und Haushalt können zuverlässiger und kostengünstiger ausgelegt werden.

Moderne Methode für 2D-Zugversuche

Die Prüfvorrichtung wurde für Kunststoffplatten der Dicke rund zwei Millimeter konzipiert. Diese Dicke entspricht der typischen Wandstärke von Kunststoffbauteilen im Spritzgussbereich. Die Platte wird in der Vorrichtung zwischen kreisförmigen Ringen fest eingespannt und mittig mit einer Halbkugel des Indenters belastet, wodurch eine Durchbiegung der Probe verursacht wird. In der Mitte der Probe tritt eine gleichmäßige biaxiale Zugspannung auf. Die Kontaktfläche wird geschmiert und die Reibung beim Krafteinbringen verringert. Spannungssingularitäten im Einspannbereich werden durch eine spezielle Gestaltung der Kanten der Kreisringe reduziert.

Die Verformung des Probekörpers wird von einer CCD-Kamera mit einem telezentrischen Objektiv aufgenommen. Dadurch lässt sich verhindern, dass virtuelle Dehnungen erfasst werden, die entstehen, wenn sich die Betrachtungsebene entlang der optischen Achse verschiebt. Die Auswertung der Geometrieänderung in der Platte erfolgt in einem anschließenden Post-Processing unter Verwendung von Grauwert-Korrelationssoftware. Zusätzlich wird eine zweite CCD-Kamera eingesetzt, die den Beginn der Plastifizierung am Rand der Einspannung erfasst.

Die Testergebnisse können bis zu einer Durchbiegung der Platte von sechs Millimeter ausgewertet werden. Durch Variation des Durchmessers des Spannzeugs und der Geometrie des Indenters lassen sich verschiedene Formen von Biegelinien erzielen. Die optimalen Abmessungen werden mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Fraunhofer LBF je nach den Materialeigenschaften, der Probendicke und den Prüfanforderungen individuell abgestimmt. Die Prüfungen werden nach Kundenspezifikationen oder nach den Empfehlungen des Instituts bei Temperaturen bis zu 120 Grad Celsius durchgeführt.

Auswertung der Deformation durch digitale Bildkorrelation

Die Probendicke wird vor der Prüfung gemessen. Der Probekörper wird mit einem statistisch verteilten schwarz-weißen Muster gesprenkelt und dann direkt geprüft, damit eine optimale Haftung zwischen der Platte und dem Muster bis zum Versagen erreicht wird. Dies ermöglicht die Auswertung der Dehnungen auf der Probenoberfläche durch digitale Bildkorrelation als Funktion der Belastung. Darüber hinaus ermöglicht der Aufbau die Erfassung lokaler Effekte und, bei Bedarf, die Untersuchung des Entlastungsverhaltens der Polymere. Außerdem erlaubt der Prüfaufbau die Ermittlung der Kriecheigenschaften unter 2D-Zug.

Die Gesamtbelastung vs. die Durchbiegung als Funktion des Radius werden durch Methoden des Reverse-Engineerings nachgestellt. Bei bisherigen Untersuchungen wurde eine gute Übereinstimmung zwischen den experimentellen und den Simulationsergebnissen bei verschiedenen Temperaturen erreicht.

Die Daten werden z. B. für die Auslegung und Untersuchung von Versagensfällen in Kunststofftanks unter Innendruck und erhöhten Temperaturen verwendet. Basierend auf den gewonnenen Daten werden in Simulation genutzte Materialmodelle und Festigkeitskriterien an die Kunststoffe materialgerecht angepasst. Die Fraunhofer Forschenden analysieren die individuellen Herausforderungen bei der Modellierung der kritischen Kunststoffkomponenten und bieten Expertise auf allen Ebenen des Designprozesses.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Vladimir A. Kolupaev, vladimir.kolupaev@lbf.fraunhofer.de
Dr. Felix Dillenberger, felix.dillenberger@lbf.fraunhofer.de

Weitere Informationen:

http://www.lbf.fraunhofer.de/de/forschungsbereiche/kunststoffe/charakterisierung… Mehr Informationen zur Charakterisierung von Kunststoffen

Media Contact

Anke Zeidler-Finsel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF

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