Krimi im Reich der Bakterien
Bakterien verfügen über eine Vielzahl an Überlebensstrategien, um sich in ihren dicht besiedelten Lebensräumen ausreichend mit Nahrung zu versorgen. Bestimmte Bakterienarten töten dabei Mikroorganismen einer anderen Art, zersetzen die Zellen und nehmen diese als Nährstoffe auf. Wie das genau vor sich geht, ist meist unbekannt. Ein Forschungsteam der Biologie der Mikroorganismen um Dr. Christine Kaimer hat diese Vorgänge genauer untersucht. Gemeinsam mit Kollegen aus den USA berichten die Forschenden der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in der Zeitschrift Cell Reports vom 13. September 2022.
Bisher weiß man wenig über die Beziehung zwischen Räubern und Beute im Reich der Bakterien. Forschende vermuten jedoch, dass bakterielle Räuber die Zusammensetzung eines Mikrobioms stark verändern und so die Ökologie ihres Lebensraums beeinflussen können. Um mehr über bakterielle Räuber-Beute-Beziehungen zu erfahren, untersuchte das Team um Christine Kaimer das Räuberbakterium Myxococcus xanthus, das häufig im Erdboden vorkommt. Seit Kurzem ist bekannt, dass M. xanthus seine Beutezelle in direktem Zell-Zell-Kontakt abtötet: Der Räuber nähert sich einer Beutezelle, stoppt, wenn ein Kontakt hergestellt ist, und führt dann innerhalb weniger Minuten den Zelltod und die Zersetzung herbei. Die molekularen Mechanismen dieses Vorgangs haben die Forschenden genauer untersucht.
„Wir haben M. xanthus gezielt genetisch verändert und dann die Interaktion von Räuber- und Beutezellen unter dem Mikroskop in Echtzeit verfolgt“, berichtet Christine Kaimer. „So konnten wir zeigen, dass beim Abtötungsvorgang zwei hoch spezialisierte Proteinsekretionsysteme zusammenarbeiten, also Proteinkomplexe, die vermutlich bestimmte Proteine aus der Räuberzelle in die Beutezelle transportieren.“ Dabei verursacht ein sogenanntes Tad-ähnliches System zunächst nur den Zelltod der Beute. Ein Typ III-ähnliches System wird für die Zersetzung der Beutezelle benötigt, damit anschließend die Nährstoffe aufgenommen werden können.
Tötung wird zielgenau eingeleitet
Aufnahmen mit fluoreszenzmarkierten Proteinen zeigten, dass sich die Proteinsekretionssysteme in der M. xanthus-Zelle genau an der Kontaktfläche zwischen Räuber und Beute ansammeln. Offenbar spürt M. xanthus den Kontakt zu einer Beutezelle und kann den Tötungsvorgang sehr zielgenau einleiten. „Wie genau die Proteinsekretionssysteme auf Beutekontakt reagieren, und welche potenziell toxischen Proteine sie freisetzen, ist uns noch nicht bekannt“, so Christine Kaimer. „Das bakterielle Prädationsverhalten ist für uns jedenfalls ein faszinierendes Forschungsfeld, wo es noch viel über das Zusammenleben von Bakterien in ihrer natürlichen Umgebung zu lernen gibt.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Christine Kaimer
Lehrstuhl Biologie der Mikroorganismen
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28897
E-Mail: christine.kaimer@rub.de
Originalpublikation:
Susanne Thiery, Pia Turowski, James Berleman, Christine Kaimer: The predatory soil bacterium Myxococcus xanthus combines a Tad- and an atypical type 3-like protein secretion system to kill bacterial cells, in: Cell Reports, 2022, DOI: 10.1016/j.celrep.2022.111340
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Wirksamkeit von Metformin zur primären Krebsprävention
Eine Studie der Deutschen Krebshilfe bietet Menschen mit Li-Fraumeni-Syndrom neue präventive Strategien: Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) untersuchen in einer neuen Wirksamkeitsstudie erstmals, ob das krebsfreie Überleben bei LFS-Betroffenen…
Innovative Algorithmen für eine nachhaltige und flexible KI
Die Entwicklung und der Einsatz künstlicher Intelligenz verschlingen jede Menge Ressourcen. Das neue BMBF-geförderte Forschungsprojekt COMFORT will das ändern. Verantwortlich dafür ist der Würzburger Mathematiker Leon Bungert. Keine Frage: Das…
Neue Rezeptur für Gleistragplatten
Mit einem Material aus recycelten Kunststoffen und alten Rotorblättern soll die betonlastige Eisenbahninfrastruktur in Deutschland modernisiert werden. Sie unterhalten sich über Mischungen, Mischungsverhältnisse und Zusatzstoffe und es klingt, als seien…