Wie entstehen Störstellen in hochreinem Wasser?
Wissenschaftler der Uni Magdeburg entschlüsseln weitere Ursache für Entstehung zerstörerischer Dampfblasen in Flüssigkeiten.
Ein Physikerteam um Dr. Patricia Pfeiffer und Prof. Claus-Dieter Ohl von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat eine weitere Ursache für die Entstehung von Dampfblasen in Flüssigkeiten gefunden. Der als Kavitation bekannte physikalische Effekt führt unter anderem zur Zerstörung von Schiffsschrauben oder Propellern, kann aber auch in der Medizin zum Abtragen von Tumoren oder der Zertrümmerung von Nierensteinen genutzt werden.
Die Forschungsergebnisse zur Entstehung von Kavitation wurden soeben in den international renommierten Physikjournalen Physical Review Letters und Nature Physics publiziert.
In Flüssigkeiten, die mit hoher Geschwindigkeit an einem Objekt vorbeiströmen, können aus kleinsten Strukturen, sogenannten Keimen, mit Dampf gefüllte Blasen anwachsen, zum Beispiel in Pumpen oder Düsen oder auch an künstlichen Herzklappen. „Wenn ich sehr stark an einer Flüssigkeit ziehe, dann reißt die Flüssigkeit auf und bildet Blasen, was wir, zum Beispiel beim Ansaugen von Wasser bei Schiffspropellern kennen“, erklärt Dr. Patricia Pfeiffer vom Institut für Physik. „Wenn ich einen Schiffspropeller habe, der sehr schnell rotiert und damit lokal enorm an dem ihn umgebenden Wasser zieht, dann reißen die Wassermoleküle auseinander und es entsteht quasi ein Loch in dieser Flüssigkeit. Dieses Loch wird ganz kurzfristig mit entstehendem Wasserdampf gefüllt. Die dabei entstehenden Blasen fallen nach kurzer Zeit implosionsartig in sich zusammen.“ Dabei entstünden extreme Drücke von über tausend Bar, also einem tausendfachen Umgebungsdruck, enorme Kräfte, die Schiffsschrauben zerstörten.
Bisher erklärte man die Entstehung dieser potenziell zerstörerischen Dampfblasen durch mikroskopisch kleine Blasen, die an Unreinheiten anhaften und als Kavitationskeim stabilisiert werden. Das Team um Dr. Patricia Pfeiffer und Prof. Claus-Dieter Ohl hat nun herausgefunden, dass aber bereits eine Übersättigung der Flüssigkeit mit Gas einen solchen Kavitationskeim darstellt. Genau an dieser Stelle entsteht beim Ziehen an der Flüssigkeit eine Blase. Dies kann durch die lokale Erwärmung einer Flüssigkeit erreicht werden. Aber auch an mikroskopischen Tröpfchen, die dem Wasser hinzugeben werden, entstehen Blasen unter Zug an der Grenzfläche zwischen Wasser und Tropfen. Zu einem ersten Erklärungsansatz haben Kollegen aus Rom und Ferrara mit Molekular-Dynamik Simulationen beigetragen. Diese zeigen, dass molekular gelöstes Gas aus dem Tropfen an die Grenzschicht transportiert wird, genau dann, wenn die Flüssigkeit unter Zug steht.
„Wir müssen demzufolge das bisherige Keimmodell für die Entstehung der zerstörerischen Dampfblasen grundlegend überarbeiten“, erklärt Prof. Claus-Dieter Ohl. „Die Entdeckung erlaubt es künftig, selbst in extrem sauberem Wasser kleinste Verschmutzung zu detektieren“, so der Physiker weiter. „Solches Ultra-Reinstwasser ist zum Beispiel essentiell für die Chipfertigung. Wir arbeiten hier bereits mit einer Firma zusammen, die die Keimbildung durch Blasen bereits zur Erkennung von Verschmutzungen in Ultra-Reinstwasser ausnutzt. Solche Ultra-Reinstwasseranlagen werden unter anderem in Halbleiterwerken wie Intel eingesetzt.“
Neben der Anwendung in der Reinstwasseranalyse werden die Ergebnisse künftig auch zur Verbesserung der Tumortherapie eingesetzt. Flüssige Kavitationskeime aus einem Perfluorocarbon (flüssigem Teflon) werden in den Blutkreislauf der Patientinnen und Patienten eingespritzt und daran Blasen mit Ultraschall aufgezogen. Kollabieren diese Blasen können sie Tumorgewebe zerstören.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr.rer.nat. Patricia Pfeiffer, Institut für Physik der Universität Magdeburg, Tel.: +49 391 67-58659, E-Mail: patricia.pfeiffer@ovgu.deWeitere Informationen:
http://link.ovgu.de/physicalreviewletters Artikel Physical Review Letters
http://link.ovgu.de/naturephysics Artikel Nature Physics
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