Das Ende der Grünen Gentechnik
Allianz der großen Wissenschaftsorganisationen beklagt forschungsfeindliche Regelungen des neuen Gentechnikgesetzes
Ein Ende der Forschung zur Grünen Gentechnik befürchten die großen Wissenschaftsorganisationen. „Die Haftungsregelungen stellen jeden Forscher vor ein nicht kalkulierbares Risiko. Ohne Freisetzungsversuche ist jedoch international konkurrenzfähige Forschung weder in den Grundlagen noch in der Anwendung möglich“, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben an den Vermittlungsausschuss im Deutschen Bundestag. Am 22. September werden sich die Mitglieder des Vermittlungsausschusses mit der Novelle des Gentechnikgesetzes befassen.
Die Grüne Gentechnik gilt als eine der wichtigsten Zukunftstechnologien. Transgene Pflanzen werden heute weltweit auf etwa 57 Millionen Hektar angebaut. „Die Gentechnik leistet einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung“, sagt Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.
Das vom Deutschen Bundestag am 18. Juni verabschiedete Gesetz geht auch nach Meinung von Ernst-Ludwig Winnacker, dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, von der falschen Prämisse aus, dass Gentechnik generell gefährlich sei: „Alles Leben auf diesem Globus basiert auf biologischer Information, nämlich den Genen, und ist daher ohne sie und ohne deren ständige Veränderung nicht denkbar.“ Der verantwortungsvolle Umgang mit der Gentechnik werde seit Jahrzehnten über die existierende Gesetzgebung gesichert.
Die Wissenschaftsorganisationen der Allianz haben von Anfang an kritisiert, dass das neue Gentechnikgesetz keinen Unterschied macht zwischen Freilandversuchen zu Forschungszwecken und kommerziellem Anbau. Auf Ablehnung stößt vor allem die vorgesehene Haftung: Zwar regelt das Gesetz die – von der EU geförderte – Koexistenz zwischen unterschiedlichen landwirtschaftlichen Anbauformen. Doch fliegen Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf das Feld eines Ökobauern und kann dieser seine Ernte nicht mehr als „gentechnikfrei“ vermarkten, muss der Landwirt, der das gentechnisch veränderte Saatgut angebaut hat, dafür haften. Lässt sich der Pollenflug nicht genau zuordnen, haften alle Bauern aus der Umgebung, die gentechnisch veränderte Pflanzen auf ihren Feldern kultivieren. Das gilt auch für Pflanzen genehmigter Freisetzungsversuche, die unbeabsichtigt minimale Anteile an gentechnisch verändertem Material enthalten.
„Die im Rahmen der Novelle geplanten Anforderungen für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bedeuten de facto das Ende von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik in Deutschland. Insbesondere die vorgesehene gesamtschuldnerische, verschuldensunabhängige Haftung sowie die Offenlegung der Anbauflächen im öffentlichen Standortregister werden in der Praxis zu einem Ende von Freisetzungsversuchen zu wissenschaftlichen Zwecken führen“, heißt es dazu in dem Schreiben der Allianz an die Mitglieder des Vermittlungsausschusses. Außerdem sollte nach Meinung der Allianz die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) weiterhin ungeteilt für die Belange der Gentechnik zuständig sein.
Ohne Freisetzungsversuche sei international konkurrenzfähige Forschung unmöglich. Die Wissenschaftsorganisationen befürchten vor diesem Hintergrund „fatale Signale für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, wenn Forscher ins Ausland abwandern oder erst gar nicht in die Bundesrepublik kommen. Fazit: „Die Zukunft eines der wichtigsten Innovationszweige wird in Deutschland gefährdet.“
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