Zuckerbasierte Inhibitoren entwaffnen den Krankheitserreger Pseudomonas aeruginosa

LecA (grün) bindet an die Oberfläche von Wirtszellen (linkes Bild). Bei Zugabe eines der neu entwickelten glycomimetischen Inhibitoren (rechtes Bild), wird das Binden von LecA verhindert. Bild: Francesca Rosato, Dorina Reith/Universität Freiburg

Forschende aus Saarbrücken und Freiburg entwickeln vielversprechenden Wirkstoff zur Bekämpfung multiresistenter Bakterien.

Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa benötigt die Zucker-bindenden Proteine LecA und LecB, um Biofilme zu bilden und sich an Wirtszellen anzuheften, um in diese einzudringen. Diese sogenannten Lektine eignen sich daher als Angriffspunkte für Wirkstoffe zur Bekämpfung von Pseudomonas-Infektionen. Forschende aus Saarbrücken und Freiburg haben nun potente Inhibitoren für LecA und LecB hergestellt, die stabiler und besser löslich sind als bisherige Wirkstoffkandidaten. Diese optimierten Moleküle wurden in Virulenztests untersucht und zeigen vielversprechende Eigenschaften für die Entwicklung neuer Wirkstoffe.

Pseudomonas aeruginosa ist ein gramnegatives Bakterium, das zur Gruppe der hochgradig antibiotikaresistenten und klinisch relevanten ESKAPE-Erreger gehört. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört es zu den Krankheitserregern mit kritischer Priorität, da es oft gegen Antibiotika resistent ist und Behandlungsmöglichkeiten fehlen. P. aeruginosa produziert die beiden Lektine LecA und LecB, mit denen es an Zuckermoleküle bindet und die es für die Adhäsion an Wirtszellen sowie zur Biofilmbildung benötigt – zwei Eigenschaften, die für die Pathogenität des Bakteriums entscheidend sind. Das macht diese Lektine zu vielversprechenden Angriffsstellen für synthetische Wirkstoffe, die den krankmachenden Eigenschaften des Bakteriums entgegenwirken und dessen antimikrobielle Resistenz umgehen.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Alexander Titz am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und an der Universität des Saarlandes (UdS) erforscht Moleküle zur Inhibierung bakterieller Lektine, insbesondere von P. aeruginosa. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der UdS. Die Gruppe, die auch Teil des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) ist, hatte bereits hochwirksame LecA-Inhibitoren entwickelt, die allerdings nur eine geringe Wasserlöslichkeit und begrenzte Stabilität aufwiesen, was deren weitere biologische Analyse verhinderte. Die aktuellen Ergebnisse stammen aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Arbeitsgruppe von Prof. Winfried Römer an der Universität Freiburg und dem Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies. Römer und sein Team untersuchen, wie die Lektine LecA und LecB von P. aeruginosa physiologische Prozesse wie Immunantwort und Wundheilung beeinflussen und wie sich dies durch Inhibitoren verhindern lässt.

Den Forschenden ist es nun gelungen, die chemischen Eigenschaften der bisherigen Lektin-Inhibitoren deutlich zu verbessern. Die gezielte Veränderung von Verbindungsregionen innerhalb der Moleküle steigerte deren Löslichkeit um den Faktor 1000 und erhöhte ihre chemische und metabolische Stabilität. Die Ergebnisse des Kooperationsprojekts sind in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie als Hot Paper erschienen.

Die stark erhöhte Löslichkeit der Lektin-Inhibitoren ermöglichte es, ihre biologische Wirkung in zellbasierten Tests zu evaluieren. „Wir haben untersucht, welchen Einfluss die Inhibitoren auf die die biologische Funktion von LecA und die Invasivität von P. aeruginosa haben“, erklärt Römer. „Dabei konnten wir zeigen, dass schon relativ geringe Konzentrationen des LecA-Inhibitors ausreichen, um das Eindringen von P. aeruginosa in Wirtszellen zu verhindern.“ Die Inhibitoren blockieren also effektiv die Bindung von LecA an menschliche Zellen. „Neben diesen positiven Ergebnissen in den Zellassays haben wir auch gesehen, dass der neue Inhibitor lange im Urin nachweisbar ist und sich somit möglicherweise weitere Behandlungsmöglichkeiten für Harnwegsinfektionen eröffnen“, sagt Titz, Leiter der Forschungsgruppe „Chemische Biologie der Kohlenhydrate“ am HIPS.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die entwickelten Wirkstoffkandidaten das Potenzial haben, die Antibiotikaresistenz gefährlicher Krankheitserreger zu umgehen. Insbesondere die Hemmung der LecA-vermittelten Virulenz bietet einen vielversprechenden Ansatzpunkt für neue Wirkstoffe zur Behandlung von oft hochproblematischen Infektionen mit P. aeruginosa. Die aktuellen Ergebnisse sind ein erster Schritt und öffnen die Tür für die zukünftige Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten.

Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland:
Das HIPS in Saarbrücken wurde im Jahr 2009 vom HZI und der Universität des Saarlandes gemeinsam gegründet. Die Forschenden suchen hier insbesondere nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, optimieren diese für die Anwendung am Menschen und erforschen, wie diese am besten zu ihrem Wirkort im menschlichen Körper transportiert werden können. http://www.helmholtz-hips.de

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. http://www.helmholtz-hzi.de

Deutsches Zentrum für Infektionsforschung:
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit mehr als 500 Forschende aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Ziel ist die sogenannte Translation: die schnelle, effektive Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Damit bereitet das DZIF den Weg für die Entwicklung neuer Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente gegen Infektionen. http://www.dzif.de

Exzellenzcluster CIBSS:
Der Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg hat das Ziel, ein umfassendes Verständnis von biologischen Signalvorgängen über Skalen hinweg zu gewinnen – von den Wechselwirkungen einzelner Moleküle und Zellen bis hin zu den Prozessen in Organen und ganzen Organismen. Die Forscherinnen und Forscher setzen das gewonnene Wissen ein, um Strategien zu entwickeln, mit denen sich Signale gezielt kontrollieren lassen. Sie erschließen dank dieser Technologien nicht nur neue Erkenntnisse in der Forschung, sondern ermöglichen auch Innovationen in der Medizin und den Pflanzenwissenschaften. http://www.cibss.uni-freiburg.de

Kontakt für die Medien:
Dr. Yannic Nonnenmacher
PR-Manager HIPS
Tel. 0681 98806-4500
yannic.nonnenmacher@helmholtz-hips.de

Originalpublikation:

Zahorska, E., Rosato, F., Stober, K., Kuhaudomlarp, S., Meiers, J., Hauck, D., Reith, D., Gillon, E., Rox, K., Imberty, A., Römer, W.,* Titz, A.* (2022) Neutralizing the Impact of the Virulence Factor LecA from Pseudomonas aeruginosa on Human Cells with New Glycomimetic Inhibitors, Angew. Chem. Int. Ed. Engl., doi: 10.1002/anie.202215535. https://doi.org/10.1002/anie.202215535

Link zur deutschen Version: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ange.202215535

Die Pressemitteilung finden Sie auch auf unserer Homepage unter: https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/news-detail/article/complete/zuck…

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Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

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