Wie Adipositas und Diabetes-Typ-2 die Blutgefäße verändern
DFG-Forschungsprojekt wird fortgesetzt.
Adipositas und Diabetes-Typ-2 gehen oft mit krankhaften Veränderungen von Blutgefäßen einher. Eine Forschungsgruppe der Universitätsmedizin Halle untersucht den sogenannten EGF-Rezeptor, der dabei eine Schlüsselposition einnimmt. Es existieren bereits Medikamente, die auf diesen Rezeptor wirken, bislang aber nur bei anderen Erkrankungen eingesetzt werden. Es ist denkbar, dass diese Medikamente auch einer krankhaften Veränderung von Blutgefäßen bei Diabetes-Typ-2 entgegenwirken könnten. Dafür ist jedoch ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen nötig.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Fortsetzung des Projekts für drei Jahre mit 381.000 Euro.
In Deutschland ist etwa jede zweite Person übergewichtig, davon ein Drittel adipös. Übergewicht fördert die Entstehung von Diabetes-Typ-2, das oft erst nach Jahren entdeckt wird und an dem über 8,5 Million Deutsche erkrankt sind. Eine häufige Folge sind Veränderungen der Blutgefäße, die wiederum zu Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, Schlaganfall, Nierenschäden und Erkrankungen des zentralen Nervensystems führen können.
Fettreiche Ernährung verändert die Blutgefäße
Bei Blutgefäßen werden das gesunde Zellwachstum sowie die Instandhaltung und die Differenzierung der Zellen über sogenannte EGF-Rezeptoren (EGF = Epidermaler Wachstums-Faktor) der Gefäßzellen gesteuert. „Dieser Rezeptor ist für chemische Informationen gewissermaßen das, was ein Flughafen-Drehkreuz für Pakete und Briefe ist. Er verbindet und integriert verschiedene Signalwege und hilft den Gefäßzellen, miteinander zu kommunizieren“, erklärt PD Dr. Barbara Schreier, Antragstellerin des DFG-Projekts und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Julius-Bernstein-Institut für Physiologie der Universitätsmedizin Halle.
Bei Übergewicht und Diabetes-Typ-2 verändert sich unter anderem die Zusammensetzung des Blutes. „Neben einer erhöhten Konzentration von Zucker und freien Fettsäuren treten auch Störungen im Hormonhaushalt auf, die für die Regulation des Blutdrucks zuständig sind“, so Schreier. Bisherige Studien zeigen, dass sich dies auf die Aktivität des Rezeptors auswirkt. Anders ausgedrückt: Der Betriebsablauf im Drehkreuz wird gestört. „Wir konnten bereits im Mausmodell nachweisen, dass der EGF-Rezeptor bei einer fettreichen Ernährung wesentlich zu Gefäßveränderungen beiträgt“, erläutert Schreier.
Neue Studie untersucht Relevanz für menschliche Zellen
„Bei Menschen mit Diabetes-Typ-2 funktioniert das Endothel nicht mehr richtig“, erklärt Prof. Dr. Michael Gekle, Mitverantwortlicher des DFG-Projekts und Direktor des Julius-Bernstein-Instituts für Physiologie der Universitätsmedizin Halle. Das Endothel grenzt die Gefäße nach innen zum Blut ab und reguliert verschiedene physiologische Funktionen. Dahinterliegende glatte Muskelzellen sorgen für die Gefäßkontraktion. „Unsere Studien im Mausmodell zeigen, dass das Endothel vor Diabetes-Typ-2 abhängigem Stress geschützt wird, wenn der EGF-Rezeptor in den glatten Muskelzellen ‚ausgeschaltet‘ ist und so eine überschießende Aktivierung verhindert wird.“ Für die Maus steht fest: Der EGF-Rezeptor in glatten Muskelzellen vermittelt die Kommunikation mit dem Endothel und ist für dessen Wohlbefinden verantwortlich.
Um Rückschlüsse auf den Menschen ziehen zu können, untersucht die Forschungsgruppe nun, ob ähnliche Effekte in menschlichen Zellkulturen auftreten. „Unser Ziel ist es, ein besseres Verständnis der pathophysiologischen Mechanismen im Menschen zu schaffen. So entstehen Perspektiven für neue therapeutische Strategien im Rahmen der Volkskrankheit Diabetes-Typ-2“, so Gekle. Einen vielversprechenden Ansatz gäbe es bereits, da dieser Rezeptor in der Onkologie von Interesse ist. „Hier gibt es Medikamente, um die Aktivität des EGF-Rezeptors zu hemmen, beispielsweise kleinmolekulare Kinaseinhibitoren, die oral aufgenommen werden können.“ Es ist denkbar, damit auch bei Diabetes-Typ-2 einer krankhaften Veränderung von Blutgefäßen entgegenzuwirken.
Vorbild für Nachwuchsförderung
Mit der aktuellen DFG-Förderung übernimmt PD Dr. Barbara Schreier die Leitung und ist verantwortliche Wissenschaftlerin des Forschungsprojekts. Zuvor hatte Institutsdirektor Prof. Dr. Michael Gekle die Leitungsposition inne. Dieser Rollentausch ist besonders Sinne der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung von Bedeutung. „Wir haben uns aus dem Jahrmarkt der schönen Worte ausgeklinkt und sind konkret geworden. Damit wollen wir ein wichtiges Signal auch an andere Forschungsgruppen senden“, fasst Gekle zusammen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsmedizin Halle
Julius-Bernstein-Institut für Physiologie
PD Dr. Barbara Schreier, Projektleitung
barbara.schreier@medizin.uni-halle.de
0345 557 4759
Prof. Dr. Michael Gekle, Direktor
michael.gekle@medizin.uni-halle.de
0345 557 1886
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