Laserpulse verdreifachen die Übergangstemperatur für Ferromagnetismus in YTiO₃

Magnetische Spins in YTiO₃ werden durch THz-Licht synchronisiert. Dies löst eine stärkere ferromagnetische Phase bei höheren Temperaturen aus.
(c) Jörg Harms, MPSD

Forscher*innen in Deutschland und den U.S.A. haben erstmals gezeigt, dass Terahertz (THz)-Lichtpulse den Ferromagnetismus in einem Kristall bei Temperaturen stabilisieren können, die mehr als dreimal so hoch sind wie die übliche Übergangstemperatur.

Wie das Team in der Zeitschrift Nature berichtet, wurde mit Hilfe von Pulsen, die nur Hunderte von Femtosekunden andauerten (Millionstel einer Milliardstelsekunde), ein ferromagnetischer Zustand bei hoher Temperatur in dem Seltenerdtitanat YTiO₃ erzeugt, der nach der Lichtexposition noch viele Nanosekunden lang anhielt.

Unterhalb der Gleichgewichts-Übergangstemperatur verstärkten die Laserpulse zudem den bestehenden magnetischen Zustand und erhöhten die Magnetisierung bis zu ihrem theoretischen Grenzwert.

Die Nutzung von Licht zur Steuerung des Magnetismus in Festkörpern ist eine vielversprechende Plattform für zukünftige Technologien. Heutige Computer basieren auf dem Fluss elektrischer Ladung, um Informationen zu verarbeiten. Außerdem verwenden digitale Speichergeräte magnetische Bits, die durch externe Magnetfelder umgeschaltet werden müssen. Beides begrenzt die Geschwindigkeit und die Energieeffizienz dieser Computersysteme. Die Verwendung von Licht zum optischen Schalten von Speicher- und Rechengeräten könnte deren Verarbeitungsgeschwindigkeiten und Effizienz revolutionieren.

YTiO₃ ist ein Übergangsmetalloxid, das erst unter 27 K oder –246° Celsius ferromagnetisch wird, also ähnliche Eigenschaften wie ein Kühlschrankmagnet annimmt. Bei diesen niedrigen Temperaturen richten sich die Spins der Elektronen auf den Titanatomen in eine bestimmte Richtung aus. Diese kollektive Anordnung der Spins verleiht dem Material als Ganzes eine makroskopische Magnetisierung und macht es ferromagnetisch. Im Gegensatz dazu fluktuieren die einzelnen Spins bei Temperaturen über 27 K ohne kollektive Ordnung, so dass kein Ferromagnetismus entsteht.

Mit einer leistungsstarken THz-Lichtquelle, die am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Hamburg entwickelt wurde, gelang es dem Team nun, Ferromagnetismus in YTiO₃ bis zu einer Temperatur von fast 100 K (–193° C) zu erzeugen, also weit oberhalb der normalen Übergangstemperatur. Der lichtinduzierte Zustand blieb für viele Nanosekunden erhalten. Der intensive Lichtpuls „rüttelt“ an den Atomen des Materials, was es den Elektronen ermöglicht, ihre Spins kollektiv auszurichten.

„Die Frequenzen der Pulse sind so abgestimmt, dass sie bestimmte Schwingungen des YTiO₃ -Kristallgitters – die so genannten Phononen – anregen“, erklärt Erstautor Ankit Disa. „Wir haben herausgefunden, dass die Anregung eines bestimmten Phonons bei seiner Eigenfrequenz von 9 THz eine Veränderung in der kollektiven Ordnung der Spins und der Elektronenorbitale auslöst, die dann die Tendenz zu einem ferromagnetischen Zustand verstärkt. Bei der Anregung von Phononen anderer Frequenzen haben wir ganz andere Ergebnisse beobachtet: Die Anregung eines Phonons mit einer Eigenfrequenz von 4 THz schwächt den Ferromagnetismus, eines mit 17 THz verstärkt ihn – allerdings nicht so stark wie das Phonon bei 9 THz.“

Unterhalb der konventionellen Übergangstemperatur von 27 K erhöht die Phononenanregung bei 9 THz die Magnetisierung um etwa 20 Prozent und erreicht damit erstmals das theoretische Maximum.

Die bei den Experimenten verwendete THz-Lichtquelle liefert intensive Pulse und ist in der Lage, einen sehr schmalen Frequenzbereich im Material anzuregen, was sie zu einem äußerst präzisen Werkzeug macht. Sie wurde bereits in anderen vom MPSD geleiteten Studien zur lichtverstärkten Supraleitung und Magnetismus eingesetzt. Die nun erschienene Arbeit zeigt jedoch zum ersten Mal, dass die Anregung verschiedener Gitterschwingungen qualitativ unterschiedliche Effekte produzieren kann.

Diese Ergebnisse vertiefen das Verständnis intensiver und ultraschneller Licht-Materie-Wechselwirkungen und sind gleichzeitig ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur optischen Kontrolle magnetischer Komponenten. „Die Arbeit demonstriert nicht nur das Ein- und Ausschalten von Magnetismus nach Bedarf, sie gibt uns auch einen Vorgeschmack davon, wie Informationen mit ultrahoher Geschwindigkeit gespeichert und verarbeitet werden können“, erklärt Andrea Cavalleri, der Direktor der Abteilung für die Dynamik kondensierter Materie des MPSD. „Über diese Demonstration hinaus unterstreicht unsere Arbeit die Fähigkeit, Ordnung in ungeordneten, fluktuierenden Phasen der Materie zu erzeugen, so als ob man Wasser mit Licht einfröre. Die Erzeugung solcher Zustände ist ein langjähriges Ziel unserer Gruppe. Im Laufe der Jahre haben wir über eine Reihe anderer Realisierungen berichtet, die diese Arbeit flankieren – darunter die photoinduzierte Hochtemperatursupraleitung , und die photoinduzierte Ferroelektrizität .“

An der Harvard University und der University of California – Los Angeles lieferten der Postdoc Jon Curtis und seine Betreuerin Prineha Narang entscheidende theoretische Beiträge. In Deutschland waren die Gruppen von Bernhard Keimer am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung (Stuttgart) und Andrey Maljuk am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (Dresden) beteiligt.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Ankit Disa, Erstautor: ankit.disa@mpsd.mpg.de

Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41586-023-05853-8

Weitere Informationen:

https://www.mpsd.mpg.de/726553/2023-05-ferromagnetism-disa

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