Symmetrische Graphen-Quantenpunkte für zukünftige Qubits

Künstlerische Darstellung von zweilagigem Graphen mit einem Elektron-Loch symmetrischen Doppelquantenpunkt, bei dem sich das Elektron und das Loch in den verschiedenen Lagen befinden. (c) Sebastian Staacks

Quantenpunkte in Halbleitern wie Silizium oder Galliumarsenid gelten seit längerem als heiße Kandidaten zur Herstellung von Quantenbits in künftigen Quantenprozessoren. Physiker des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen haben nun gezeigt, dass zweilagiges Graphen hier noch mehr zu bieten hat als andere Materialien. Die von ihnen erzeugten Doppel-Quantenpunkte zeichnen sich durch eine nahezu perfekte Elektronen-Loch-Symmetrie aus, die einen robusten Auslesemechanismus für zukünftige Qubits ermöglichen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Die Entwicklung robuster Halbleiter-Spin-Qubits könnte helfen, großskalige Quantencomputer Realität werden zu lassen. Insgesamt steckt der Ansatz mit Verwendung von Quantenpunkten allerdings noch in den Kinderschuhen. 2022 konnten Forschende des niederländischen QuTech erstmals 6 Spin-Qubits auf Siliziumbasis herstellen. Mit Graphen ist man noch nicht so weit. Das erst 2004 isolierte „Wundermaterial“ steht bei vielen Wissenschaftler:innen hoch im Kurs. Doch der Bau des ersten Quantenbits lässt noch auf sich warten.

„Zweilagiges Graphen ist ein einzigartiger Halbleiter“, erklärt Prof. Christoph Stampfer vom Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen. „Es teilt mehrere Eigenschaften mit einlagigem Graphen und weist darüber hinaus noch einige weitere Besonderheiten auf. Dies macht es für Quantentechnologien sehr interessant.“

Symmetrische Graphen-Quantenpunkte für zukünftige Qubits
Die Studie ist eine Kooperation zwischen der Gruppe 2D-Materialien und Quantenbauelemente um Christoph Stampfer (links) und Fabian Hassler (rechts) vom JARA-Institut für Quanteninformation der RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich. (Copyright: Exzellenzcluster ML4Q/Simon Wegener)

Eine dieser Besonderheiten ist die sogenannte Bandlücke, die durch ein äußeres elektrisches Feld von 0 bis etwa 120 Milli-Elektronenvolt eingestellt werden kann. Die Bandlücke kann genutzt werden, um Ladungsträger in einzelnen Bereichen, sogenannte Quantenpunkten, einzuschließen. Je nach angelegter Spannung können diese ein einzelnes Elektron oder dessen Gegenpart, ein Loch – praktisch ein fehlendes Elektron in der Festkörperstruktur – einfangen.

„Zweilagiges Graphen ist noch ein recht neues Material. Bislang wurden damit nur Experimente durchgeführt, die auch schon mit anderen Halbleitern realisiert wurden. Unser aktuelles Experiment geht nun erstmals darüber hinaus“, freut sich Christoph Stampfer. In zweilagigem Graphen haben er und seine Kollegen einen sogenannten Doppelquantenpunkt erzeugt: zwei nebeneinanderliegende gekoppelte Quantenpunkte, die jeweils ein Elektron und ein Loch beherbergen, deren Spin-Eigenschaften sich nahezu perfekt spiegeln.

Breite Anwendungsmöglichkeiten

„Diese Symmetrie hat zwei bemerkenswerte Konsequenzen: Sie bleibt zum einen nahezu perfekt erhalten, selbst wenn Elektronen und Löcher in verschiedene Quantenpunkten räumlich getrennt werden“, erklärt Christoph Stampfer. Diesen Mechanismus kann man nutzen, um Qubits über längere Strecken mit anderen Qubits zu koppeln. Und die Symmetrie führt darüber hinaus zu einem starken und robusten Blockademechanismus für den Transport durch den Doppelquantenpunkt, der ein zuverlässiges Ausleseschema für Spin- und Valley-Qubits bietet“, so Stampfer.

„Das übersteigt das, was in herkömmlichen Halbleitern oder anderen zweidimensionalen Elektronensystemen möglich ist“, sagt Prof. Fabian Hassler vom JARA-Institut für Quanteninformation des Forschungszentrum Jülich und RWTH Aachen, Mitautor der Studie.

Die nahezu perfekte Symmetrie und die starken Auswahlregeln sind nicht nur für die Implemtierung von Qubits, sondern auch für die Realisierung von Einzelteilchen-Terahertz-Detektoren sehr attraktiv. Darüber hinaus bietet es sich an, Quantenpunkte aus zweilagigem Graphen mit Supraleitern zu koppeln – zwei Systeme, in denen die Elektron-Loch-Symmetrie eine wichtige Rolle spielt. Diese hybriden Systeme könnten genutzt werden, um effiziente Quellen für verschränkte Teilchenpaare oder künstliche topologische Systeme zu schaffen und damit der Realisierung topologischer Quantencomputer einen Schritt näher zu kommen.“

Symmetrische Graphen-Quantenpunkte für zukünftige Qubits
Die Herstellung der Doppel-Quantenpunkte erfolgte in der Helmholtz Nano Facility, der zentralen Technologieplattform für die Herstellung von Nanostrukturen und Schaltungen in der Helmholtz-Gemeinschaft. (Copyright: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau)

Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Die Daten, die die Ergebnisse belegen, und die für die Analyse verwendeten Codes sind in einem Zenodo-Repository verfügbar. Gefördert wurde die Forschungsarbeit unter anderem durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union (Graphene Flagship) und durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) sowie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters Matter of Light for Quantum Computing (ML4Q).

Originalpublikation

Banszerus, L., Möller, S., Hecker, K. et al.
Particle–hole symmetry protects spin-valley blockade in graphene quantum dots.
Nature
(2023), DOI: 10.1038/s41586-023-05953-5

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Tobias Schloesser
Forschungszentrum Juelich
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