Grundwasser im Spiegel des historischen Klimawandels
Ein internationales Team mit Beteiligung von Simon Steidle von der Arbeitsgruppe für Quartärforschung am Institut für Geologie der Universität Innsbruck hat mit bisher einzigartiger Genauigkeit die Entwicklung des Grundwassers im Great Basin, USA – eine der trockensten Regionen der Erde – rekonstruiert, und das bis zu 350.000 Jahre in die Vergangenheit.
Die Ergebnisse werfen neues Licht auf die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Wasserversorgung und liefern wichtige Erkenntnisse für die nachhaltige Nutzung von Grundwasserressourcen. Die Studie wurde im Fachmagazin Nature Communications Earth & Environment veröffentlicht.
Das Geolog:innen-Team unter der Leitung von Christoph Spötl untersucht das berühmte Höhlensystem „Devils Hole“ in Nevada bereits seit 2010 – im Rahmen teils spektakulärer Expeditionen (https://www.uibk.ac.at/de/newsroom/2017/teufelsloch/). Anhand der Kalzit-Ablagerungen in der Höhle rekonstruierten die Forscher:innen bereits bis mehrere hunderttausend Jahre zurück die Entwicklung des Wasserspiegels in der Höhle. In der aktuellen Studie wurden diese Informationen nun mit einem numerischen Grundwassermodell für diese sehr wasserarme Region verbunden.
„Wir verfügen aufgrund unserer umfassenden Beprobungen im Devils Hole über eine Vielzahl von Daten, die Aufschluss über die Entwicklung des Wasserspiegels geben. Durch die Kombination mit Grundwasser-Modellierungen des US Geological Survey können wir nun auch quantitativ anhand der präzisen Daten aus der Höhle Rückschlüsse über die Veränderungen des Niederschlags für die gesamte Region in den letzten 350.000 Jahre ziehen“, erklärt der Geologe Simon Steidle.
In Trockengebieten wie im Südwesten der USA kommt dem Niederschlag eine besonders große Bedeutung zu und Grundwasserdaten sind ein Spiegel der Änderung des Hydroklimas. „Die Ergebnisse können für die Erstellung von Wasserbewirtschaftungsstrategien und die nachhaltige Nutzung der Grundwasserressourcen nützlich sein, wenn es etwa darum geht, wie viel Wasser für landwirtschaftliche Zwecke entnommen werden kann.“
Trockenheit erhöht Sensibilität
Die neuen Daten legen nahe, dass die Höhe des Wasserspiegels im Devils Hole während trockener Klimabedingungen in der Vergangenheit drei- bis viermal empfindlicher auf die Neubildung des Grundwassers reagiert hat als zu Zeiten feuchteren Klimas. „Da wir davon ausgehen müssen, dass Trockenheit aufgrund der fortschreitenden Klimakrise künftig noch weiter zunehmen wird, unterstreichen unsere Aussagen, wie sensibel große Grundwasserkörper reagieren und damit die wichtigste Süßwasserressource in diesem Raum der USA verändert wird“, so Steidle. Der minimale Grundwasserspiegel im Devils Hole während des Höhepunkts der Warmzeiten lag nicht mehr als 1,6 Meter unter dem heutigen Niveau, was einem Rückgang der Grundwasserneubildung von weniger als 17 % gegenüber den heutigen Bedingungen entspricht. Während der Hochglazialzeiten allerdings lag der Spiegel mindestens 9,5 Meter über dem heutigen Niveau, was einen Anstieg der Grundwasserneubildung um knapp 250 % gegenüber den heutigen Bedingungen bedeutet.
Relevant sind diese neuen Informationen nicht zuletzt auch für den bereits heute stark gefährdeten Teufelskärpfling, einem wenige Zentimeter großen Fisch, dessen einziges Habitat das Wasser im Devils Hole ist. Der Lebensraum dieser Spezies ist damit der Kleinste aller bekannten Wirbeltiere (in etwa halb so groß wie ein durchschnittliches Klassenzimmer). Bereits kleine Veränderungen der Wasserverfügbarkeit ausgelöst durch Entnahme von Grundwasser für Bewässerungszwecke oder durch die fortschreitende Klimaänderung sind für dessen Überleben von größter Bedeutung.
Publikation:
A 350,000-year history of groundwater recharge in the southern Great Basin, USA: Tracie R. Jackson, Simon D. Steidle, Kathleen A. Wendt, Yuri Dublyansky, R. Lawrence Edwards & Christoph Spötl. Communications Earth & Environment 4: 98 (2023)
https://doi.org/10.1038/s43247-023-00762-0
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr. Christoph Spötl
Institut für Geologie
Universität Innsbruck
E-Mail: Christoph.Spoetl@uibk.ac.at
Web: https://quaternary.uibk.ac.at/
Originalpublikation:
A 350,000-year history of groundwater recharge in the southern Great Basin, USA: Tracie R. Jackson, Simon D. Steidle, Kathleen A. Wendt, Yuri Dublyansky, R. Lawrence Edwards & Christoph Spötl. Communications Earth & Environment 4: 98 (2023)
https://doi.org/10.1038/s43247-023-00762-0
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften
Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.
Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…